Kapitel 41

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Mit starken Kopfschmerzen wachte ich auf. Meine Augen brannten höllisch - wahrscheinlich vom Weinen - und ich spürte die getrockneten Tränen auf meiner Wange.

Erst als ich mich aufsetzte, fiel mir wieder ein, wo ich war. Verschlafen schaute ich mich um. Eine dünne Decke war auf mir, die ich auf die Seite legte. Ich war an derselben Stelle eingeschlafen, wo ich gerade eben auf saß, also auf der Couch.

Ich stand auf und fragte mich, wo Emir war. Jetzt hatte ich eine Gelegenheit dazu, mich in seiner Wohnung umzuschauen. Vom Wohnzimmer konnte man auf einen kleinen Balkon laufen, von dem man eine Sicht auf die Stadt hatte.

Naja, man hatte eine Sicht auf die anderen Apartments, aber trotzdem sah es nicht schlecht aus. Neben dem Wohnzimmer war eine Tür, die offen war und ich sah, dass es die Küche war.

Sie war mittelgroß, aber ausreichend. Irgendwie musste ich bei dem Gedanken, dass Emir hier kochte, lächeln. Das konnte ich mir nicht vorstellen. Apropos. Wo war er eigentlich?

Ich lief langsam weiter und im Flur waren noch zwei Türen. Eine musste dann sein Zimmer sein und die andere das Badezimmer. Oder? Eine Tür war einen Spalt breit offen und ich lief langsam rein.

Es war tatsächlich sein Schlafzimmer, denn Emir saß mit dem Rücken auf seinem Bett und schaute in die Richtung vom Fenster. Mich hatte er glaube ich garnicht bemerkt. Sein Zimmer war groß und hatte eben alles, was ein Zimmer so brauchte.

Ein Bett, ein Schrank, und ein Regal. Aber trotzdessen war es schön ausgerichtet und mir gefiel es. Neben seinem Bett war ein Nachttisch und neben dem Fenster ein Schreibtisch, auf dem Blätter lagen. Keine Bilder von seiner Familie oder jemandem. Nichts. Ich seufzte. Jetzt kam er mir wieder so mysteriös vor.

Ich lief näher an sein Bett und jetzt sah er zu mir. Zuvor hatte er sich mit seinen Armen an seinem Knie abgestützt. Seine Haare waren etwas durcheinander und er sah kaputt aus. Kein Wunder, bei dem, was gerade eben noch passiert war.

Ich hatte mich entschieden. Ich wollte es ihm erzählen. Wie lange soll dieses Geheimhalten denn noch gehen? Es reichte mir. Es musste raus. Und mir war es in diesem Moment egal, ob er jemals wieder mit Okan befreundet sein würde oder nicht.

"E-es war so...A-also..Seit ich mit der Schule angefangen hatte, gab es immer Leute, die mich komisch angeschaut oder mich geärgert hatten. Anfangs habe ich das noch nicht so richtig begreifen können, aber je älter ich wurde, umso mehr litt ich darunter.

Größtenteils war es wegen meinem Gewicht und weil ich nach der Meinung von anderen zu hässlich war. Sie hatten mich immer ausgegrenzt, mir immer Sachen rumgeschrien und irgendwann hatte ich mich in der Schule nur noch auf der Toilette eingesperrt, um niemanden mehr sehen zu müssen."

Kurz hielt ich inne, um mich zu beruhigen und meine Tränen wegzuwischen. Ich schaute zu Emir, der mich geschockt ansah. Geschockt? Das war noch garnichts. "Du musst nicht weitererzählen", sagte er brüchig, doch ich schüttelte meinen Kopf. Ich hatte jetzt angefangen und würde nicht aufhören.

"Die Grundschule war fertig und ich kam auf eine neue Schule. Dort waren ältere und mehr Schüler. Und das war nicht gerade besser für meine Situation. Ich hatte in dieser Zeit einiges an Gewicht zugenommen, weil ich oft für mehrere Wochen im Krankenhaus lag. Jedenfalls fingen die Beleidigungen auch dort wieder an und es ging mir von Tag zu Tag schlechter.

Meinen Eltern oder Semih erzählte ich aber nie was davon. Ich wollte nicht, dass sie es wissen und sich Sorgen machen. Sie dachten immer, dass alles in Ordnung wäre. Naja wie auch immer...Einmal hatte ich mich wieder in der Toilette eingeschlossen und d-dann kamen ein paar Mädchen rein, die ich nicht kannte. Nur von der einen wusste ich den Namen. S-sie heißt L-Lisa", sagte ich stotternd.

Für immer und ewig.Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt