Kapitel 63

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"Was ist passiert?", rief ich und lief die letzten Stufen zu Kerim hoch. Außer Atem blickte ich ihn an.

Ich war so schnell gerannt wie noch nie in meinem Leben. Wow, dass ich so eine Ausdauer hatte, war nicht mal mir bekannt gewesen. Umso mehr rang ich nach Atem, während ich auf eine Antwort wartete.

Kerim sah mich verzweifelt an. "Ich hab geklingelt, er hat nicht aufgemacht. Eigentlich wollte ich ihn nicht bedrücken und ihn alleine lassen, aber..."

"Aber was?", rief ich panisch.

"Aber ich hab ein schlechtes Gefühl in mir. Seine Stimme klang nicht gut."

"Du hast also mit ihm reden können?"

Er schüttelte seinen Kopf. "Das kann man nicht mal reden nennen. Er meinte, ich soll gehen, weil er kein Bock auf jemanden hat. Danach kam nichts mehr. Man, ich steh hier seit 40 Minuten!"

Ich rieb meine Schläfe. "Und du hast keinen Ersatzschlüssel?", fragte ich mit einem Funken Hoffnung.

"Meine Eltern haben einen, aber ich darf ihnen nichts erzählen. Die würden sofort Stress schieben und merken, dass was los ist."

"Okay, okay", redete ich vor mir hin.

"Wir werdens einfach so lange probieren, bis es klappt."

Kerim nickte nur. Er wusste gerade genauso wenig wie ich weiter.

Ich klopfte mit zittrigen Händen an der Tür. "Emir!"

"Emir, bitte mach die Tür auf, bitte. Ich mach' mir Sorgen!" Wieder klopfte ich, dieses mal stärker.

Innerlich betete ich seit Kerims Anruf, dass es ihm wirklich gut ging und dass der einzige Grund, wieso er nicht aufmachte, war, alleine bleiben zu wollen.

"Bis jetzt hat er immer aufgemacht. Er hat dann zwar gesagt, ich soll gehen, aber er hat trotzdem aufgemacht. Verstehst du? Er will sicher, dass wir irgendwas nicht sehen", murmelte Kerim vor sich hin.

"Wir können aber nicht warten und nichts tun!", rief ich panisch.

"Verdammt, Emir mach diese scheiß Tür auf!", schrie Kerim.

"Hey, was ist denn hier los?"

Eine alte Frau kam aus dem oberen Stock und musterte uns wütend. "W-Wir...Eh, nichts, keine Sorge. Tut uns Leid für den Lärm", entschuldigte ich mich.

"Hier wohnen noch andere, vergesst das nicht", schimpfte sie total übertrieben rum, worauf ich nur meine Augen rollte und mich wieder der Tür wandte.

Als die Frau endlich wegging, atmete ich hörbar aus und merkte wieder, wie ich zitterte. Nein, meine Angst war definitiv noch vorhanden.

"Emir", sagte ich jetzt leiser. "Auch wenn du mich nicht sehen willst, auch wenn du sauer auf mich bist - ich will nur sichergehen, dass es dir gut geht."

"Kardeşim, korkutma bizi (Bruder, mach uns keine Angst)", sagte jetzt Kerim. Er seufzte.

"Vielleicht sollte ich die Vermieterin fragen?"

"Gibt sie dir gleich den Schlüssel?", fragte ich nach. Das glaubte ich nämlich kaum.

"Ich weiß nicht, denke schon. Sie kennt mich ja."

Ich überlegte kurz. "Nein, lass es lieber. Nachher ruft sie noch die Polizei oder so."

Kerim nickte. "Stimmt auch wieder."

"Aber wir müssen da rein!"

Mir kam eine Idee.

Erneut haute ich so fest ich konnte an die Tür.

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