Kapitel 70

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Fünf Tage waren vergangen.

Ich saß in meiner Vorlesung und lauschte dem Professoren zu, wie er die Vorgänge der Biochemie erläuterte. Es war das erste Mal, dass ich bei ihm Unterricht hatte, da er die Vertretung für den eigentlichen Dozenten war.

Und demnach war ich erstens nicht an seinen Unterricht gewohnt, zweitens gefiel es mir nicht sonderlich.

Normalerweise würde man denken, dass jede Vorlesung gleich ablief, jedoch dachte ich genau das Gegenteil darüber. Manche Professoren gestalteten den Stoff um Welten interessanter und man konnte leichter Notizen machen, wie bei anderen.

Wie in der Schule eigentlich.

Heute war der Saal besonders gefüllt, ich schätzte um die 200 Leute im Raum. Es klang komisch, aber ich mochte es mehr, wenn es voll war.

Früher hätte ich sowas niemals gedacht. Da wollte ich nie in einer Menge sein, wollte immer mit so wenig Leuten wie möglich am selben Platz bleiben. Aber es änderte sich mit der Zeit zum Glück.

Es war immer mal wieder interessant mit zu sehen, wer was während der Vorlesung tat. Die meisten waren mit deren Smartphones beschäftigt, andere tippten eifrig Notizen in ihre Laptops oder in ihre Blöcke und die Minderheit, tja die schlief halb und war halb dabei.

Da fragte ich mich wirklich, was sie hier taten und wie um alles in der Hölle sie Medizin studierten.

Ich war einer dieser Notizenschreiber und hatte heute zur Abwechslung das erste mal Semihs iPad dabei. Er meinte, für ihn sei es schneller, seine Bemerkungen zu tippen und ich folgte seinem Rat.

Jedoch merkte ich schnell, dass Schreiben für mich um Welten einfacher war als das Tippen.

Weitere Minuten vergingen, in dem der Professor redete und uns Grafiken auf dem Beamer zeigte.

"Hey, du."

Ich hörte ein leises Flüstern, welches wohl von hinten kam, drehte mich jedoch nicht um, da ich nicht glaubte, dass ich gemeint war.

"Hey! Roter Pullover."

Instinktiv schaute ich an mir runter und betrachtete meinen roten Pulli. Okay, vielleicht war ich es doch.

Zögerlich drehte ich mich um und sah zu dem Jungen, der mich breit angrinste.

"Meinst du mich?", kam meine dämliche, leise ausgesprochene Frage.

"Jip."

"Und?"

Was wollte er von mir? Wir kannten uns nicht mal.

"Und ich wollte deinen Namen erfahren."

Ich runzelte die Stirn. "Wieso?"

Genervt sah er mich an. "Weil ich ihn wissen will?!"

Ich seufzte. "Was willst du von mir?", zischte ich leise, da ich niemanden stören wollte.

"Na gut. Eigentlich wollte ich wissen, ob du nachher noch eine Vorlesung hast. Wenn nicht, könnten wir ja zusammen lernen."

Okay?

Das war komisch. Wieso fragte er mich und nicht jemanden, den er kannte? Außerdem war die Prüfungsphase vom Wintersemester vorbei.

"Ich weiß nicht, also-"

"Bitte. Ich brauche deine Hilfe. Und ich denke, du bist eine der wenigen hier, die mir was hilfreiches beibringen könnten."

Ich überlegte im Stillen. Es konnte eigentlich ja nicht schaden und er sah nett aus bzw. schien er nett zu sein. Trotzdem kannte ich ihn nicht.

Er streckte plötzlich seine Hand aus.

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