Kapitel 4

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"Semih, pass auf!", rufe ich meinem Bruder hinterher. "Ja chillt doch alle mal, sind eh meine Sachen", gibt er genervt zurück. Ich verdrehe die Augen und widme mich wieder dem Karton. Wir sind gerade dabei, Semihs Sachen ins Auto zu bringen, da wir gleich losfahren werden. Die meisten Sachen haben wir schon erledigt, nur seine Klamotten wird er am letzten Tag mitnehmen. "Puh, endlich!", gebe ich erschöpft von mir, als ich den Kofferraum erreiche.

Meine Eltern sind gerade genauso im Stress und überall liegen irgendwelche Kartons rum. Ich drehe mich um, als ich meine Mutter reden höre. "....sonra abinin evine gidecez, evi temizleyecem..(...gehen zum Haus von deinem Bruder, dann werde ich noch sein Haus putzen)", spricht meine Mutter langsam zu Eren. Eren hört aufmerksam zu und als er mich sieht, glänzen seine Augen.

"Abla! (Schwester)", ruft er und unterbricht somit meine Mutter. Ich lächle und laufe in seine Richtung. Ich hatte ihn in letzter Zeit vernachlässigt, fällt mir gerade auf. "Canım benim, hadi gel arabaya binelim (komm mein Schatz, gehen wir ins Auto)", sage ich zu ihm und gebe ihm einen dicken Kuss auf die Wange. Er stützt sich bei mir ab und langsam laufen wir zum Auto. "Abi nerde? (Wo ist mein Bruder?)", bringt er schwer heraus. "Abi gelecek şimdi, evde daha (Bruder kommt gleich, er ist noch im Haus)", antworte ich ihm.

"Everybody dance now. Dam dam dam, dam dam dam daaaaam", sing Semih voller Leidenschaft neben mir und bringt mich damit zur Weißglut. Dazu bewegt er sich noch auf und ab auf seinem Sitz und das machte es nicht gerade besser. Ich hatte keinen Ausweg, da wir gerade mitten auf der Autobahn waren.

*

Endlich waren wir am Apartment angekommen. Ich bin so gespannt auf seine neue Wohnung. Mein Vater parkt das Auto und zusammen tragen wir schon mal die Sachen hoch ins zweite Stockwerk. Semih schließt die Tür auf und wir betreten nacheinander die Wohnung. Ich laufe etwas rum, um zu schauen wie groß die Zimmern sind. Das Wohnzimmer ist groß genug für Semih und ist mit der Küche verbunden.

Am Wohnzimmer ist eine Balkontür, die ich öffne um raus zu treten. Wow, er hat eine wirklich schöne Aussicht von hier oben. "Aleyna, gel yardım et (Komm und hilf mir)", ruft meine Mutter zu mir. "Tamam anne, geldim (Ok Mama, ich komme)", antworte ich und gehe rein um zu helfen.

Zusammen putzen  wir die ganze Wohnung und stellen die Sachen an seinen Platz. Gegen Abend setzen wir uns alle erschöpft hin und ruhen uns etwas aus, bevor wir losfahren werden. "Ich habe Hunger", schmolle ich und schaue zu meiner Familie. "Ja, wir alle haben Hunger bekommen. Lasst uns einfach in McDonalds gehen. Bis wir zuhause sind dauert es noch eine Weile", schlägt mein Vater vor.

Also verlassen wir Semihs Wohnung und fahren mit dem Auto zum nahe stehenden McDonalds. Als wir eintreten, muss ich feststellen, dass es ziemlich voll ist. Die Hälfte sind Jugendliche und paar Familien, die mit ihren Kindern da waren. Semih und mein Vater stehen an der Kasse und kaufen das Essen, während ich mit Eren und meiner Mutter einen Platz suche. Nach ein paar Minuten kommen die beiden auch und zusammen essen und lachen wir. Ich liebte die gemeinsame Zeit mit meine Familie.

"Aleyna, scht Aleyna wach auf!", höre ich eine männliche Stimme neben mir. "Du Walross steh endlich auf!", ruft die Stimme. Semih. Wer sonst? "Hast du mich gerade ernsthaft Walross genannt?", stelle ich ihn zur Rede, während meine Augen halb offen sind. Oh man, ich war im Auto eingeschlafen und mein Nacken tut mir weh. "Auf Walross reagierst du, aber auf deinen Namen nicht", verteidigt sich Semih grinsend. "Lass uns reingehen", meine ich nur und zusammen gehen wir rein. Meine Eltern und Eren sind schon im Haus. Ich wünscht Semih und meinem Vater eine gute Nacht und begebe mich in Erens Zimmer.

Meine Mutter zieht ihm gerade sein T-Shirt an, um ihn danach ins Bett zu bringen. "Gel kızım (Komm, meine Tochter)", sagt sie und langsam gehe ich auf die beiden zu. Ich helfe meiner Mutter und wir legen Eren behutsam auf sein Bett und decken ihn dann zu. Ich streichle durch seine schwarzen Haare und gebe ihm dann einen Kuss auf die Stirn. "Gute Nacht, mein Schatz", sage ich leise und verlasse sein Zimmer.

Nach dem ich frisch geduscht habe, lege ich mich ins Bett und starre an die Decke. Ich denke nach. Über alles. In wenigen Wochen werde ich tatsächlich anfangen, Medizin zu studieren. Bei diesem Gedanken muss ich lächeln. Ich bin stolz auf mich. Es war kein leichter Weg, den ich gehen musste. Was ich bis jetzt alles erleben musste und dass ich trotz der Vergangenheit jetzt doch noch glücklich bin, wundert mich.

*

"Soll ich noch was anderes mitbringen?", frage ich Elif am Telefon. Heute wollen wir das Picknick machen. Es ist ein wundervoller Tag, die Vögel zwitschern und die Sonne scheint. "Hmm. Eigentlich nicht. Tuğçe und Hilal bringen ja auch noch was mit von daher....ahhh stopp!", ruft Elif letzteres in den Hörer. "Okay, was ist dir eingefallen?", frage ich sie lachend. "Hast du an das Sandwich-Eis gedacht?", fragt sie hoffnungsvoll. Ich muss lachen. Seit unserer Kindheit liebt Elif das Sandwich-Eis und aß es immer. Egal ob im Winter oder im Sommer. "Klaro, packe es aber als letztes ein", gebe ich lachend als Antwort zurück.

"Gut, dann haben wir alles. Komm dann so in 10 Minuten, okey?", fragt sie. "Okey, bis dann", sage ich und lege auf. Ich schaue mich noch ein letztes Mal vor dem Spiegel an und gehe dann in die Küche, um das Eis zu holen. "Anne bin weg", rufe ich zu meiner Mutter und bekam ein "Ok" zurück. Ich lege meine Tasche in meinen Fahrradkorb und fahre los. Die Straßen sind voll, überall fahren Autos und Fahrräder. Kinder rennen herum und alte Menschen sitzen auf Bänke und genießen das schöne Wetter.

Als ich ankomme, sehe ich von weitem Tuğçe und Hilal. Elif ist scheinbar noch nicht da. Die beiden legen gerade die Decke zurecht, als sie laut aufschreien, weil ich mich auf sie gestürzt hatte. "Euer Gesichtsausdruck war einmalig. Man, hätte ich es nur aufgenommen", sage ich grinsend und betrachte amüsiert, wie sie sich aufregen. "Öküz (Du Ochse)", bekomme ich als Antwort von meiner geliebten Cousine. Ich grinse nur und helfe Ihnen das Essen auf der Decke auszubreiten. Nach ca. 10 Minuten kommt dann auch Elif und wir legen uns alle auf die Wiese, schauen den Leuten zu und unterhalten uns. "Mädels", bricht Tuğçe die Stille ab. "Was zieht ihr zur Hochzeit an?", fragt sie uns. Ach ja, die Hochzeit.

Eine Bekannte von unseren Familien wird heiraten und meine Eltern wollen selbstverständlich dabei sein. Ich weiß zwar nicht warum, aber ich hasse Hochzeiten. Tanzen war ein No-Go für mich. Ich traue mich nie richtig auf die Tanzfläche weil ich dann das Gefühl habe, 'beobachtet' zu werden. "Ich hab schon mein Kleid", antworte ich und Tuğçe nickt wissend. Das Kleid, was wir zusammen geholt haben, werde ich anziehen.

"Und ihr?", fragt sie Elif und Hilal. "Ach keine Ahnung, muss schauen", antwortet Hilal und Elif erzählte uns wie ihr Kleid aussah. "Ich brauche glaube ich ein neues. Naja sind ja noch 3 Tage. Ich schau einfach mal", sagt Tuğçe.

Der Park füllt sich immer mehr mit Jugendlichen, Kindern, Familien. Manche spielen Fußball, andere liegen einfach da und wollen scheinbar braun werden. Wir essen Kleinigkeiten, bis wir beschließen, aufzuräumen. Was wir dann auch taten. "Also dann, my people", fängt Elif lachend an und redet dann weiter. "Wir sehen uns", ruft sie lachend, ehe sie mit ihrem Fahrrad losfuhr. Auch ich verabschiede mich von Hilal und Tuğçe und fahre langsam los.

Als ich in unser Haus eintrete, ist keiner da, also lege ich meine Sachen ab und fange schon mal an, dass Essen vorzubereiten. Gerade wo ich anfangen will, Zwiebeln zu schneiden, höre ich einen lauten Knall. "Ahh, verdammt", schreie ich. Ich hatte mir meinen Finger geschnitten. Was ist das für ein Knall? Ich dachte, es ist niemand zuhause.

Semih.

Ich nehme schnell ein Tuch und wickle es um meinen Finger und gehe dann in Semihs Zimmer. Das ist ja sowas von klar gewesen. Semih liegt auf seinem Bett und spielt -  was für ein Wunder - mit seiner Playstation. "Yürü oğlum yürü sene lan! (Lauf junge, lauf doch!)", ruft er zum Fernseher und ich verdrehe genervt die Augen. "Was war das gerade für ein Knall?", frage ich ihn und blicke Semih an. "Ahh Schwesterherz ist da. Dir auch einen wunderschönen Tag", antwortet er mir und grinst übertrieben.

"Ich hab was an den Fernseher geworfen, wahrscheinlich das", redet er weiter und erzählt es so, als ob es selbstverständlich wäre. "Dummkopf", murmele ich, und verlasse sein Zimmer. Ich gehe in die Küche, bereite das Essen vor und decke den Tisch. Als erstes kommt mein Vater erschöpft von der Arbeit nach Hause. "Merhaba kızım (Hallo, meine Tochter)", begrüßt er mich. "Merhaba baba, hoşgeldin (Hallo Papa)", antworte ich.

Als auch meine Mutter und Eren kamen und wir fangen an zu essen.

"Samstag ist die Hochzeit, nicht vergessen! Und nehmt euch ja nichts vor an dem Tag!", ermahnt meine Mutter mich und Semih. Semih nickt nur mit vollem Mund obwohl er genauso wenig Lust wie ich darauf hat und ich sagte "Ja anne, wir wissen es."

Für immer und ewig.Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt