Kapitel 52

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Am nächsten Morgen waren meine Mutter und ich alleine zuhause. Semih war in Heilbronn, mein Vater auf der Arbeit und Eren bei seiner Physiotherapeutin.

Ich wusste ehrlich gesagt nicht was meine Mutter bezwecken wollte, aber sie meinte, dass wir zu zweit mal wieder Zeit verbringen sollten.

Also gingen wir morgens in einem Café frühstücken. Es ist ja nicht so, dass sie eine schlechte Absicht haben muss, schließlich war sie meine Mutter. Jedoch war es nach allden Auseinandersetzungen und des komischen Verhältnisses etwas komisch.

Ich versuchte trotzdem die Zeit zu genießen, da wir schon lange - sehr lange - nichts mehr zusammen unternommen hatten.

Gerade frühstückten wir und ich wusste nicht genau, was ich sagen sollte. Es kam mir vor als ob sie was sagen will, aber sich zurückzieht.

"Anne? (Mama?)" Sie schaute mich an. "Gibt es etwas, was du mir sagen willst?", fragte ich sie. Mir kam es vor, als ob ich zu einer Fremden sprach.

"Nein, wieso denn? Ich bin froh, dass du überhaupt noch mit mir redest", sagte sie leise. Dazu sagte ich nichts. Natürlich würde ich wieder mit ihr reden. Sie war trotz allem meine Mutter.

"Ich habe gestern mit deiner Tante geredet." Mein Herz klopfte schneller. War etwa Hilal wieder aufgetaucht?

"Und?"

Sie seufzte. "Hilal ist vorgestern nach Hause gekommen. Sie meinte, dass es ihr sehr schlecht ginge und dass sie wegen Schuldgefühlen nicht mal schlafen kann. Der Arzt hat sie mehrmal ermahnt, da der Stress und ihre Trauer Auswirkungen auf die Schwangerschaft haben kann. Ach keine Ahnung, ich kann es nicht ertragen, meine Schwester so leiden zu sehen."

Irgendwie hatte ich einen Verdacht, worauf sie hinaus wollte. "Es geschieht ihr Recht! Das was sie erlebt ist doch kein Vergleich zu dem, was ich-"

"Sie ist aber schwanger", schnitt sie mir das Wort ab. Ich merkte, wie ich langsam wütend wurde.

"Du verteidigst sie?", fragte ich fassungslos. "Nein, das tu ich nicht! Und ich könnte ihr auch niemals verzeihen, was sie dir getan hat. Aber ich denke nicht, dass du sie anzeigen solltest. Wenn dann nur Okan und Lisa", sprach meine Mutter.

Geschockt schaute ich sie an und musste lachen. "Ist das gerade dein Ernst? Nur weil sie schwanger ist, soll sie keine Strafe bekommen?", zischte ich.

Meine Mutter schaute mich schon fast flehend an. Was war gerade falsch mit ihr? "Nicht nur weil sie schwanger ist. Sie ist doch deine Cousine."

Mein Herz klopfte schnell und ich wusste, dass ich meine Wut nicht länger zurückhalten konnte. Selbst wenn wir gerade im Café saßen, es wäre mir egal.

"Ich glaub dir gerade nicht, dass du das wirklich sagst."

Sie nahm meine Hand und bittete mich, sie anzuschauen. "Deiner Tante geht es so schlecht, Aleyna. Erst wusste sie tagelang nicht, wo Hilal war. Und jetzt wo sie auftaucht, weiß sie nicht mal mehr wie sie ihr helfen kann. Sie ist natürlich zu tiefst enttäuscht von ihr und würde sie nicht mal ins Haus nehmen, wenn sie nich schwanger wäre. Aber Hilal ist ihre Tochter, ich verstehe sie. Deine Tante ist verzweifelt und weiß nicht mehr weiter, verstehst du?"

"Nein, nein ich verstehe es nicht, anne!", rief ich laut. "Was soll das jetzt? Heißt das, wenn ich schwanger wäre und jeden Scheiß abziehen würde, würde mir jeder verzeihen?"

Sie schüttelte ihren Kopf. "Kızım (meine Tochter), nein natürlich nicht. Niemand hat ihr verziehen. Das könnte ich niemals", sagte sie. Erneut lachte ich.

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