Kapitel 46

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Ich mochte die Stille. Mehr, als wenn es immer laut war, jeder um mich herum war und redete. Die Stille tat einem gut, man konnte nachdenken und sich ausruhen.

Doch jetzt gerade, im Auto mit Semih, gefiel sie mir ganz und garnicht. Nein, ich wollte sogar herumschreien, ihn fragen, was das soll, aus dem Auto aussteigen und einfach zurück zu Emir gehen und ihn umarmen. Die Zeit zurückdrehen und mit ihm tanzen.

Stattdessen aber schaute ich hier aus dem Fenster, sah in den Himmel und schaute dem Feuerwerk zu, der von jeder Seite der Stadt pausenlos weiterging. Musste er ausgerechnet jetzt kommen? An Silvester, nach 00:00 Uhr und in so einer Situation?

So viele Konversationen malte ich mir in meinen Gedanken aus, doch keines traute ich mich auszusprechen, geschweige denn, die Stille zu brechen. Ich war unglaublich wütend auf ihn - konnte Semih irgendwo aber auch nachvollziehen. Aber eben auch nur irgendwo, und das war gerade nicht hier und jetzt.

"Baba hats gesagt. Er hat gesagt, er hat ein ungutes Gefühl, dass irgendwas passieren wird. Er wollte dich aber nicht traurig machen, hat dich trotzdem auf diese beschissene Party gelassen. Er hat dir vertraut, Aleyna, verstehst du, vertraut! Und was machst du? Lügst ihn an und amüsierst dich auf der Party mit diesem Jungen und hättest danach so getan, als ob nichts wäre, hab ich nicht Recht?", schrie Semih und schlug öfters aufs Lenkrad.

"Ich habe Baba nicht angelogen. Das Emir dort war, wusste ich nicht und ich habe nichts getan, wofür ich mich schämen sollte", gab ich ruhig zurück und innerlich schrie ich rum. Semih schüttelte nur ungläubig seinen Kopf und sagte nichts mehr.

"Was hat Baba dir vor ein paar Wochen gesagt?", fragte Semih ruhig, versteckte jedoch ziemlich schwer seine Wut. Ich hasste es so sehr, wenn er den großen-Bruder-Instinkt rausließ und alles dafür tat, um mir zu zeigen, dass ich einen älteren - zwar nur 13 Minuten, aber das spielte gerade keine Rolle - Bruder hatte.

"Er hat gesagt", seufzte ich und fuhr fort: "Dass ich mich von Emir fernhalten soll."

"Hast du toll hinbekommen, wie ich sehe", sagte er ironisch. "Dich hat das nicht zu interessieren, was ich mache", sprach ich endlich meine Gedanken aus.

"Bitte? Was hast du gerade gesagt?", fragte er ungläubig und schaute mich wütend an. "Du hast mich schon richtig verstanden, Semih. Egal was ich sage, entweder glaubst du mir nicht, oder du erzählst Baba etwas total Falsches, was garnicht stimmt, oh der Hammer; du beschuldigst und beleidigst Emir, obwohl er nichts gemacht hat. Wieso interessiert es dich denn, was ich mache? In deinen Gedanken steht ja sowieso schon was anderes. Wieso solltest du auch deiner Schwester glauben, richtig?", fragte ich sauer.

"Was hast du mit diesem Emir? Ist er dein Freund?", fragte er wütend. Ironisch lachte ich auf. Das war also seine Antwort für alldas, was ich gesagt hatte. "Du blicktst überhaupt nichts. Du weißt nichts, denkst aber, alles im Griff zu haben", murmelte ich und schaute aus dem Fenster.

"Ich sag jetzt garnichts mehr, Aleyna. Du weißt genau, du bist schuldig, also tu nicht so. Bete erstmal, dass Baba nichts Schlimmes macht!"

Mir sowas von scheiß egal, dachte ich mir und seufzte. Was dachte Emir wohl jetzt? Würde er jemals wieder mit mir reden wollen?

Die Autofahrt, die mir endlos vor kam, endete endlich und Semih parkte das Auto in die Garage und verließ das Auto mit einem lauten Knall, worauf ich zusammenzuckte. Ich hatte fürchterliche Angst vor der Reaktion von meinem Vater.

Zwar wusste ich immer noch nicht, wie Semih es rausfinden konnte, dass Emir dort war, aber ich war mir ziemlich sicher, dass mein Vater ebenfalls darüber Bescheid wusste und hoffte nur, dass meine Großeltern schon weg waren. Diese waren nämlich am Abend bei uns.

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