-15- Von Fieberträumen

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Cas schwitze und fror gleichzeitig, während sich alles drehte. Wenn er aufstand, dann nur um etwas zu trinken, oder aufs Klo zu gehen. Er fühlte sich wie ein ausgewrungener Waschlappen aus Wackelpudding mit Kopfschmerzen. Er versuchte fern zu sehen, konnte sich aber auf absolut nichts konzentrieren. Das gleichmäßige Gemurmel des Nachrichtensprechers half ihm aber beim Einschlafen. Wenn er schlief, dann träumte er, aber es waren keine guten Träume. 


Er stand in einem OP-Saal. Der Geruch von Desinfektionsmittel und Latexhandschuhen stach ihm in die Nase. Seine Mutter lag auf dem Tisch. Sie trug eine Atemmaske und Ärzte in dunkelgrüner Kleidung standen um sie herum. Einer schnitt ihr den Brustkorb auf, ein anderer hielt ihr neues Herz in den Händen. Die Ärzte nahmen ihr altes, kaputtes heraus und setzten das neue an. Cas hörte das langgezogene Piepsen des Herzmonitors und starrte auf die grüne, glatte Linie.

»Paddles!«, rief einer der Ärzte. Er trug eine knallrote OP-Haube. Rot wie Liebe. Rot wie Blut! Plötzlich spritze es aus dem leblosen Körper seiner Mutter und verteilte sich auf dem dunklen Boden. Rufe wurden laut. Das EKG zeigte immer noch eine gerade Linie an.

»Saugen!«, riefen die Ärzte. Cas fragte sich, warum seine Mutter plötzlich so blutete. Wie konnte sie so bluten, wenn ihr Herz nicht schlug? Piep, Piep, Piep. Wie auf Kommando fing es an zu schlagen. Auf einmal verschwand das Blut, auch die Ärzte, übrig blieb nur seine Mutter auf dem OP-Tisch, die gezackte Linie des Herzmonitors, die jetzt hinter ihr in der Luft schwebte und er selbst. Cas wollte auf sie zu gehen. Ihr Brustkorb war immer noch offen und er hatte das Gefühl, er müsse sie zunähen, wieder ganz machen, doch er konnte sich nicht bewegen. Unsichtbare Fesseln hielten ihn gefangen. Panik schnürte ihm die Luft ab und er wehrte sich mit aller Gewalt, gegen eine unsichtbare Macht. Plötzlich schlug seine Mutter die Augen auf und setzte sich auf. Das Blau ihrer Iris leuchtete in einem ungewöhnlichem Neonton.

»Cas«, sagte sie. Ihre Stimme, nicht mehr als ein Flüstern. Dann griff sie in ihren Brustkorb.

Piep, Piep, Piep – ertönte das EKG-Gerät im schnellen Rhythmus. Die gezackten Wellen flachten sich ab. »Mum!«, wollte Cas schreien, aber das Wort blieb in seinem Hals stecken. Nach Luft ringend sah er dabei zu, wie seine Mutter an dem Herz zehrte. »Ich will es nicht«, kreischte sie. »Ich will es nicht! Ich will sterben!« Ihre Stimme hörte sich auf ein Mal fremd an. Als hätte sie kleine Steine verschluckt, die nun in ihrer Kehle gurgelten. Tausende, schwarze Insekten krabbelten aus ihrer Brust, während sie sich das Herz herausriss und lachend in den Händen hielt. »Endlich, endlich

»MUM!«, versuchte es Cas erneut. Doch er konnte nur husten und keuchen. Nach Luft ringend, erwachte er auf seinem Sofa. Mit den Händen auf die Brust gedrückt setzte Cas sich auf und versuchte normal zu Atmen. Seine Lunge schmerzte und er sah nur schwarze Punkte vor seinen Augen tanzen. Es dauerte eine ganze Weile, bis er wieder ruhig atmen konnte. Er versuchte an sein Handy zu kommen, das irgendwo neben dem Sofa lag, aber die Erschöpfung zwang ihn zurück in die Kissen, hinab in einen tiefen, traumlosen Schlaf.


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