Lara wusste, wohin sie gehen würde. Es erforderte Mut und sie wussten nicht, ob sie dafür bereit war. Aber sie wollte ihn sehen und wo sollte er sonst sein, außer im Krankenhaus?
Sie schrieb ihm eine kurze SMS, er solle sie unten im Empfangssaal abholen. Er rief sie an und meinte, es wäre keine gute Idee und dass sie sich abends treffen konnten. Aber Lara ignorierte das. Mit dem Worten »ich will wissen, wer das Herz meines Vaters in sich trägt« legte sie auf. Sie könnte es jetzt nicht ertragen, abgewiesen zu werden.
Cas erwartete sie am Eingang. »Lass uns gehen«, sagte er, als sie bei ihm ankam. Lara verschränkte die Arme vor der Brust. »Ich würde sie gerne sehen. Nur kurz.«
Cas schüttelte den Kopf. »Sie muss sich ausruhen.«
»Mein Gott, ich werde sie schon nicht dazu überreden einen Marathon zu laufen.« Lara verstand das Theater nicht. »Ich denke, es ist nicht gut, wenn du sie siehst.«
»Ach und das entscheidest du? Hör mal, mein Vater hat ihr sein Herz gespendet, ich finde, ich habe ein Recht zu sehen, in welcher Brust es nun schlägt.«
Cas seufzte und schaute von oben auf sie herab. »Deswegen sind Organspenden normalerweise anonym.«
»Was?«
»Damit so was nicht passiert.«
»Was so was?« Lara ballte die Hände zu Fäusten. Wo war sein Problem? Sie wollte doch nur irgendwie abschließen. Das Wunder sehen, welches ihr Vater vollbracht hatte. Ihr Vater, Thomas Kuhn, er heilte noch nach seinem Tod. Er war ein großartiger Mensch. Lara musste es sehen. Musste sein Vermächtnis sehen. Wollte ihn, in ihr sehen. Nur für einen Moment. Wieso verstand Cas das nicht?
»Du willst sie sehen.«
»Warum ist das so ein Problem für dich?«
Cas fuhr sich durch die Haare und presste die Lippen zusammen.
»Cas?«
»Gottverdammt, Lara! Ich will es nicht, kapiert? Sie ist meine Mutter, sie geht dich nichts an!« Lara wich zurück. Ein heißer Stich brannte in ihrer Brust. Er schaute sie mit zusammengezogenen Augenbrauen an. Seine Nasenwände blähten sich auf vor Wut.
»Okay«, sagte sie leise. Dann lauter. »Okay!« Sie drehte sich um und wollte gehen, doch Cas hielt sie am Handgelenk fest. »Warte!«
»Was?!« Sie fuhr zu ihm herum, dabei fiel ihr der verdammte Zettel aus der Jackentasche. Warum hatte sie ihn überhaupt eingesteckt? Cas bemerkte es nicht. Er sah sie an und in seinen Augen stand Schmerz geschrieben. »Cas?«, flüsterte sie und dann wurde ihr ganz anders zumute. Seine Lippen bebten und er hörte nicht auf sie anzusehen, als suche er etwas in ihr. Eine Antwort.
»Was ist mit deiner Mum?« Lara schluckte. Cas ließ sie los und blickte auf den Boden.
»Es sieht nicht gut aus.«
»Was?«
»Lara, das solltest du nicht ... «
»Was ist mit ihr? Sag es, Cas. Sprich es aus, verdammt!«
Er riss den Kopf nach oben und Lara hielt erschrocken die Luft an.
»Sie stößt das Herz ab. Sie hat hohes Fieber und verträgt die Medikamente nicht. Die Ärzte wissen nicht, ob sie es schafft.«
Laras Augen weiteten sich. »Aber es ist das Herz meines ... Das ist sein letztes ... « Sie brachte es nicht über die Lippen.
»Siehst du. Deshalb wollte ich nicht, dass du kommst.«
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Scherbenbild
General FictionLara verliert ihren Vater, der nach einem Unfall hirntot ist. Cas(♂) Mutter bekommt sein Herz und eine neue Chance, doch sie scheint schon lange dem Tod zu gehören. Laras und Cas Liebesgeschichte beginnt an einem Ort der Hoffnung und der Verzweif...