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Cas stand vor dem Krankenhaus und fragte sich, wie er am besten mit ihr reden sollte.

Er wusste noch immer nicht, wie es Sophie oder Susi ging, da Lara nicht auf seine Anrufe reagierte. Inzwischen dämmerte es und die Sonne tauchte den Platz vor dem Krankenhaus in rotgoldenes Licht. Cas setzte sich auf eine Bank, nahe des Einganges und schrieb ihr, er würde auf sie warten. Er hätte natürlich auch einfach reinstürmen können, aber er wollte sie nicht überfordern mit seiner Anwesenheit. Cas legte den Kopf in den Nacken und fixierte einen einzelnen Stern, dessen Licht sich bereits durch die Abenddämmerung kämpfte. In Wahrheit schämte er sich. Und der kleine Stern schaute ihm dabei zu, ohne zu verurteilen. So weit weg, dachte er, und gleichzeitig so nah. Er wünschte sich, Lara könnte in diesem Moment den selben Stern sehen. Klar, sie war direkt neben an, trotzdem fühlte sich Cas, als wäre sie weit weg. Lara musste schrecklich wütend auf ihn sein. Er seufzte und breitete die Arme über der Lehne aus. Sein linkes Auge tränte fast ununterbrochen. Es war gereizt vom ganzen Rauch. Cas schloss die Augen und wartete. Anfangs zählte er noch die Sekunden, aber als die Minuten verstrichen gab er sich ganz der verlockenden Dunkelheit hin, in der Zeit einfach nicht zu existieren schien. Die Kälte des Dezembers verschwand aus ihm und übrig blieb ein zahmes Feuer, welches auf sie wartete, bereit ihr alle Wärme zu geben, die sie brauchte.

»Wie lange bist du schon hier?«
Cas fuhr zusammen und riss die Lieder auf. Das Licht einer gegenüberliegenden Straßenlaterne blendete ihn und er blinzelte heftig.

»Hast du hier geschlafen?«

Er kniff die Augen zusammen und schaute in die Richtung aus der ihre Stimme kam.

»Ich ... bin mir nicht sicher.« Er streckte seine schweren Glieder und fröstelte ein wenig. »Ist alles okay?« Er versuchte ihr in die Augen zu sehen, doch sie blickte zu Boden. »Mit Sophie und Susi?«

Sie schüttelte kaum merklich den Kopf. »Nein. Sophie geht es gut, sie muss nur heute dableiben, aber Susi ... « Cas griff nach ihrem Arm, aber sie wich zurück. »Kyle fährt mich nach Hause«, sagte sie.
Ein bittersüßer Schmerz breitete sich in seiner Brust aus, er versuchte dagegen anzuatmen, aber es funktionierte nicht. Cas schluckte. Seine Kehle fühlte sich ausgetrocknet an. »Was ist mit Susi?«

»Sie musste operiert werden. Ihr geht es nicht gut ... Vermutlich wird sie nie wieder laufen können.«
Cas wollte sie in seine Arme schließen, aber ihr Blick lag auf den Boden gerichtet und ihr ganzer Körper lehnte sich mehr von ihm weg, als zu ihm hin, als wären sie zwei gleich polige Magnete. »Tut mir leid«, murmelte er.

»Du hast mir Angst gemacht«, sagte sie. Ihre Stimme zitterte dabei. »Als du in das Gebäude gerannt bist ... Warum hast du das gemacht?«

Nun war es Cas, der sie nicht ansehen konnte. »Bedeutung«, flüsterte er.
»Idiot!«, rief sie. »Ich kanns nicht gebrauchen, wenn jemand den Helden spielen muss, obwohl das garnicht nötig ist, nur um sich selbst und der Welt etwas zu beweisen!«
»Ich wollte mir nichts beweisen«, sagte er und starrte angestrengt auf seine Vans.
»Wem dann? Mir?« Ihre Stimme hörte sich nun zärtlicher an. Cas schüttelte den Kopf. Sein Haar fiel ihm vor die Augen und er sah die Welt nur noch zwischen schwarzen Strichen hindurch.

Lara seufzte. »Ich geh wieder rein. Komm mir nicht nach ... und ruf mich bitte nicht an, oder schreibe mir. Ich brauche ... ein bisschen Zeit für mich, okay?«

Ihre Worte schmerzten so sehr, dass er keinen Ton herausbekam und nur nicken konnte.

»Ich ... melde mich.«
Cas sah nicht auf, hörte nur dabei zu, wie sich ihre Schritte entfernten, eine Tür geöffnet wurde und wieder zufiel. Er blieb noch eine Weile sitzen, bevor er aufstand und nach Hause fuhr.

Dienstag, 8.Dezember. Lara hatte sich immer noch nicht gemeldet. Sie kam auch nicht in die Schule. Cas zwang sich, ihr nicht zu schreiben. Er wollte ihr Zeit geben.

Am Nachmittag klingelte der Postbote bei ihm und er nahm ein breites Päckchen entgegen.
Von Yugi und seiner Mum. Er fand drei Tüten selbst gebackener Plätzchen darin, und Wicher wild hunt für die PS 4. Es ärgerte ihn einfach nur, dass sie so viel Geld für ihn ausgab.

Die Geburtstagskarte ignorierte er, ließ den ganzen Karton auf dem Küchentisch stehen und legte sich ins Bett. Ihm war nicht danach älter zu werden. Am liebsten hätte er diesen Tag aus seinem Kalender gestrichen. Er ignorierte auch die ganzen Anrufe, er ließ sein Handy auch nur an, falls Lara ihn anrief. Doch sie rief nicht an ... und so verbrachte er seinen 19.Geburtstag alleine.

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