Am Dienstag blieben Sophie und Lara zuhause, beziehungsweise im Wunderkästchen.
Ihre Mutter schlief den ganzen Tag und es war entsetzlich still in der Wohnung.
Am Abend nahm Lara ihre Schwester mit zum Jiu Jitsu Training. Es tat gut wieder ins Dojo zu gehen und mit anderen zu trainieren. Allerdings zog es Lara vor, nicht über ihren Vater, oder überhaupt groß zu reden. Sie gab sich voll und ganz dem Ausdauer- und Krafttraining hin, sowie den zahlreichen Sparringwettkämpfen untereinander. Nach ihrem 18. Geburtstag würde sie die Meisterprüfung zum zweiten schwarzen Gürtel, den zweiten Dan Grad machen. Eigentlich dürfte sie noch nicht mal den 1.Dan Grad besitzen, aber bei ihr hatte man eine Ausnahme gemacht. Das Training ging von 19:00-22:00. Hanna schaute hin und wieder nach Sophie, die absolut kein Interesse an Kampfsport hegte, aber wahrscheinlich überall hin mitgekommen wäre. Laras Mutter war gerade einfach nur ein Wrack. Dabei trauerten sie alle. So konnte das nicht weitergehen. Jemand musste sich doch um den Haushalt kümmern und Susi konnte nicht ewig alleine im Wunderkästchen arbeiten. Kai, ihr Trainer, traf sie mit dem Fuß an der Schläfe und sie taumelte benommen zurück.
»Entschuldige«, sagte er. »Du bist nicht ganz bei der Sache, was?«
Lara schüttelte den Kopf. »Sorry.«
»Vielleicht solltest du für heute Schluss machen.« Er schaute hinüber zu Sophie, die mit dem Rücken auf der Bank lag. »Ja, vermutlich.«
Lara verabschiedete sich und verließ mit Sophie das Gebäude. Sie fühlte sich, als ob nie wieder etwas so sein konnte wie früher. Der Abend brach an, mit all seinen Farben. Das tiefe Rot der untergehenden Sonne vermischte sich mit dem Blau des Himmels und brachte einen violetten Schimmer hervor, in dem ein einzelner Stern funkelte.
»Ich will nicht nach Hause«, sagte Sophie.
»Aber es ist schon spät.« Lara legte eine Hand auf ihre Schulter.
»Denkst du Mama ist wach?«
»Bestimmt.« Ob das so viel besser war, konnte Lara nicht sagen.
Als sie Zuhause ankamen, lag ihre Mutter wieder auf dem Sofa. Es stank nach Alkohol und Essensresten. Lara und Sophie spülten ab und machten in der Küche ein wenig Ordnung.
»Ich geh Morgen wieder in die Schule«, beschloss Sophie. Lara setzte sich an den Küchentisch und schaute auf ihr Handy. Keine neuen Nachrichten. »Dann solltest du jetzt besser schlafen gehen.«
»Darf ich wieder in deinem Zimmer schlafen?«
Lara nickte und rieb sich über die Augen. Sie saß noch lange da, lange in die Nacht hinein. Irgendwann hörte sie ihre Mutter ins Schlafzimmer stolpern und legte den Kopf auf ihre Arme. Sie weinte leise vor Müdigkeit, aber sie wollte nicht schlafen gehen, denn am anderen Morgen würde die Welt wieder genauso aussehen wie am Vortag. Um viertel nach drei kam die SMS:
Cas
Hey Lara,
tut mir leid, ich hab mich nicht gemeldet. Lag die letzten beiden Tage mit 40 Fieber flach.
Aber jetzt geht's mir besser. Ist alles okay bei dir?
Oh man, du schläfst wahrscheinlich. Bin mal wieder schlaflos. Ich warte auf den Morgen, damit ich nach meiner Mutter sehen kann. Auch wenn ich nicht aufs Zimmer kann, wegen Infektionsgefahr.
Lara las die SMS mehrmals, obwohl nichts besonders drinstand. Aber irgendwie klammerte sie sich an seine Worte. Zwei Seelen, die sich schlaflos durch die Nacht kämpften. Sie antwortete:Lara:
Hey Cas,
du musst auf dich aufpassen. *seufz.*
Ich bin froh, dass es dir besser geht und nein, ich schlafe nicht. Warte auch auf den Morgen, obwohl ich ehrlich gesagt nicht weiß, worauf ich genau warte.
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Scherbenbild
General FictionLara verliert ihren Vater, der nach einem Unfall hirntot ist. Cas(♂) Mutter bekommt sein Herz und eine neue Chance, doch sie scheint schon lange dem Tod zu gehören. Laras und Cas Liebesgeschichte beginnt an einem Ort der Hoffnung und der Verzweif...