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Es war Nacht. Lara wusste nicht, wie spät es war. Sophie lag neben ihr und atmete ruhig und gleichmäßig. Erleichterung durchströmte Lara und sie strich ihr vorsichtig durch die Haare, ehe ihr der Grund einfiel, warum sie erwacht war. Ihr neues Smartphone vibrierte.
Sie tastete im Halbdunkel danach und fand es unterm Sofa vergraben.

Eine neue Nachricht.

Cas:


Lara zog die Brauen zusammen. Die SMS enthielt keinen Inhalt.
Sie schrieb ein Fragezeichen zurück.

Eine Minute später rief er an und Lara zog sich in die Küche zurück. Sie setzte sich auf einen der alten Barhocker, die Susi so gerne hatte und nahm ab.

»Lara«, murmelte er. Er hörte sich heiser und irgendwie weit weg an.

»Alles in Ordnung?«

»Nein, ich ... ich hätte nicht anrufen sollen. Tut mir leid.«

»Cas, was ist los? Es ist okay, wenn du mich nachts anrufst. Ich ... höre deine Stimme gerne.«
Er atmete ein und wieder aus, ein und wieder aus. »Ich habe etwas geträumt ... «, sagte er schließlich. Seine Stimme hörte sich seltsam verzerrt an, als würde es ein schwaches Echo geben.

»Wo bist du?«, fragte sie.

»Bei mir, im Bad.«

Lara war erleichtert, dass er nicht wieder durch die Stadt streifte. »Was hast du geträumt?«

»Es war schlimm ... « Er räusperte sich.

»Du musst nicht darüber reden, wenn du nicht wi... «

»Ich glaube ich muss mich übergeben«, stöhnte er.

»Hey, Cas ... ganz ruhig. Atme tief ein und aus.«

Er lachte leise am anderen Ende des Hörers.

»Soll ich vorbeikommen?«, fragte Lara.

Cas stöhnte erneut und flüsterte: »Nein. Ich lass dich nicht nachts durch die Stadt gehen. Nicht nachdem du dich mit diesem Primo angelegt hast.«

Irgendwie hatte er da Recht. Und es fuhren keine Busse um die Uhrzeit. Aber es ging ihm nicht gut, das spürte sie in jeder Pore ihres Körpers. »Meinst du, du kannst Auto fahren?«, fragte sie.

»Mhm, ich denke schon ... «

»Sicher?«

Einen Moment herrschte stille. »Cas?«

»Ja, ja ... «
»Ich warte draußen, vor dem Haus. Schaffst du es bis dahin?«

»Lara, du musst nicht ... « Sie hörte ihn mehrmals schlucken.

»Schon gut. Komm einfach vorbei. Und versuch nicht ins Auto zu kotzen, okay?«

»Okay«, murmelte er müde. »Danke.« Dann legte er auf. Lara zog sich an. Eine dunkle Jeans, einen schwarzen Pulli und den Mantel. Dann schlich sie so leise es ging aus der Wohnung und das Treppenhaus hinab. Draußen empfing sie ein sternloser Himmel. Dunkelgraues Schwarz zog sich in die scheinbare Unendlichkeit. Lara setzte sich auf die Steinstufen vor der Treppe und wartete auf Cas.

Er traf knappe zehn Minuten später ein. Lara sprang sofort auf, als der alte Ford vor ihr auftauchte. Sie hätte ihn in der Dunkelheit fast nicht erkannt. Lara kletterte zu Cas auf den Beifahrersitz. Er sah schrecklich blass aus wie eine Moorleiche mit einem seltsamen Grünstich um die Nase herum. Schweißtropfen glänzten auf seiner Stirn und er umklammerte das Lenkrad, als würde sein Leben davon abhängen.

»Cas ...?«, flüsterte sie.
Er sagte nichts, sondern fuhr direkt los. Seine Augen blicken trüb gerade aus.
»Cas?«, versuchte es Lara erneut. Aber er schüttelte nur den Kopf. Sie fuhren in Richtung seiner Wohnung, aber nicht durch die Innenstadt, sondern außen herum, über eine Landstraße.

»Von dem Licht der Stadt wird mir schlecht«, murmelte er eine kurze Erklärung.

»Was ist los, Cas?«

Er schwieg.

Laras Brust zog sich zusammen und sie strich vorsichtig über seinen Unterarm. Er bremste scharf ab und hielt am Rand einer Wiese. Ehe Lara etwas sagen konnte, taumelte er aus dem Wagen und hielt sich die Hände auf den Magen gepresst. Sie stieg aus, lief um den Wagen herum und stellte sich neben ihn. »Ich kann nicht weiter ... «, sagte er, legte einen Arm über seine Augen und den Kopf in den Nacken. »Nicht einen Meter.«

»Ich liebe dich«, sagte Lara aus einem inneren Impuls heraus. Cas nahm seinen Arm von den Augen und schaute sie an. »Das hättest du jetzt nicht sagen dürfen«, sagte er und küsste sie. Er küsste sie so intensiv und fordernd, wie er es noch nie zuvor getan hatte. Sie taumelten über die Wiese, während sie sich gegenseitig verschlangen. Er drängte sie immer weiter zurück, fuhr mit den Händen durch ihre Haare und stöhnte an ihren Lippen. In Lara kribbelte es überall. Sie bildete sich ein, ein Knistern in der Luft zu hören. Lara fuhr mit den Händen unter seinen Mantel, seinen Pullover, das T-shirt und drückte ihre Finger verlangend in die nackte, warme Haut. Cas gab ein tiefes, animalisches Geräusch von sich, das ganz tief aus seiner Brust kommen musste und plötzlich lagen sie im Gras. Er beugte sich über sie, küsste sie seitlich am Hals hinauf, fuhr mit seiner rauen Zunge über ihre Wange und küsste sie dann wieder. Seine Hüfte legte sich an ihre. Lara seufzte leise und schlang ihre Beine um seine. Sie konnte spüren, wie sein Glied anschwoll. »Scheiße ... «, murmelte er. Aber Lara hielt ihn fest, rieb ihre Hüfte gegen seine. »Sag mir, dass du die Pille nimmst«, stöhnte er.

»Nein, aber ... « Sie musste ihre Hüfte noch viel mehr an seine pressen, um an das Kondom zu kommen, welches in ihrer inneren Manteltasche steckte. Susi hatte es dort mit einem Grinsen platziert – für den Fall der Fälle. Sie bekam es zu fassen und hielt es ihm grinsend vor die Nase. »Ich hab keine Ahnung, wie man damit umgeht«, sagte sie.

»Ich auch nicht wirklich«, gab Cas zu. Sie lachten beide und das Lachen ging in seinen Küssen unter, die immer verlangender wurden. Lara tastete nach dem Knopf seiner Hose und öffnete ihn. Ihre Haut prickelte unter jeder seiner Berührungen. Er schob die Finger jeweils seitlich an ihrer Hüfte unter die Jeans und zog sie herunter. Nunmehr halbnackt umschlangen sie sich. Lara spürte keine Kälte, nur intensive Wärme und die bittersüße Erregung die sie in Wellen übermannte, hastig atmen und leise stöhnen ließ. Cas schaffte es, das blöde Latexteil anzubringen. Seine Hände vergruben sich in ihren Haaren, Lara krallte ihre Fingernägel in seinen Rücken, ihre Lippen verschmolzen und dann schliefen sie miteinander. In einer kalten, sternenlosen Novembernacht.

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