Lara wusste, sie träumte. Der See über dem sie schwebte stand in Feuer. Die Mondfeen verbrannten. Ihre hellen Stimmen schrien zu den Sternen, dann verstummten sie und ihre Asche fiel in das brennende Wasser. Lara fühlte wie das Feuer auf sie überging. Erst nur ein sanftes Kitzeln, dann eine unglaubliche Hitze, die an ihr brannte und zerrte. Sie wollte schreien, aber konnte nicht. Die Flammen hielten sie gefangen, erlaubten ihr nicht zu fliehen. Überall knisterte es und es war hell. So hell, sie konnte die Sternen nicht mehr sehen. Dann wurde es, als hätte jemand einen Schalter umgelegt, still und dunkel. Schwärze.
Lara fühlte einen sanften Druck um ihre linke Hand, im nächsten Moment ein Kratzen im Hals. Desinfektionsmittel, Lara erkannte den Geruch. Sie spürte ihre Lieder, die schwer über ihren Augen ruhten und hörte ein warmes Flüstern, welches sie an ein Lagerfeuer erinnerte. »Lara, bist du wach?«
Sie konnte ihn riechen. Zitronenshampoo, Lavendel und sein eigener Geruch nach frischer Waldluft. Irgendwie würzig und sanft, leicht ... Wie konnte ein Geruch leicht sein?
Lara zwang sich die Lieder zu heben und sah in seine blauen Augen. »Da bist du ja«, sagte Cas und lächelte.
»Man muss wohl erst selbst ins Krankenhaus kommen, ehe man dich zu Gesicht bekommt«, krächzte sie. Cas presste die Lippen zusammen und drückte ihre Hand. »Tut mir leid«, sagte er leise. Laras Blick schweifte über die weiße Decke. Ein dumpfer Schmerz breitete sich in ihrem Kopf aus. »Was ist passiert?«
»Erinnerst du dich nicht?«
Lara seufzte. Bei dem Versuch sich zu erinnern, tat ihr der Kopf höllisch weh. »Ich war mit Kyle auf einer Party und dann ... aus irgendeinem Grund wollte ich gehen ... « Lara schloss die Augen.
Das Licht bereitete ihr nicht nur Kopfschmerzen, sondern auch starke Übelkeit. »Als nächstes bin ich am See aufgewacht und da warst du und dann ... lag ich auf einer Liege und überall Ärzte, dann bin ich hier aufgewacht. Cas, warum bin ich hier?« Sie drehte ihren Kopf zur Seite und öffnete die Augen, um ihn anzusehen.
»Ich hab dich am Ufer gefunden, nachdem ... « Er biss sich auf die Unterlippe. »Du warst ganz kalt ... «
Lara fuhr sich mit dem Handrücken über die Stirn. Im Moment war ihr alles andere als kalt.
»Ich fühle mich als würde ich verbrennen.«
»Ja.« Cas küsste ihre Stirn, was dazu führte, dass ihr noch viel heißer wurde. »Jetzt hast du Fieber. Du musst die ganze Nacht dort gelegen haben«, flüsterte er dich an ihrem Ohr. Sein Haar kitzelte ihre Wange.
»Cas«, hauchte sie.
»Ich habe mir Sorgen gemacht«, flüsterte er und sein Atem streifte dabei über ihre Lippen. Er legte seinen Kopf seitlich auf ihre Brust. »Für einen Moment dachte ich, du würdest sterben.«
Lara vergrub beide Hände in sein dichtes Haar. »Ich sterbe schon nicht. Keine Angst.«
Sie hörte Cas zitternd ein- und ausatmen. Ihr Herz hämmerte gegen ihre Brust und drohte ihre Rippen zu zertrümmern. »Es tut mir leid«, flüsterte Cas erneut.
»Was tut dir leid?« Lara zwirbelte eine seiner Haarsträhne um ihren Finger.
»Dass ich nicht da war, mich nicht gemeldet habe.«
Lara schluckte, ihre Kehle fühlte sich verdammt trocken an. »Ich hab mir auch Sorgen gemacht um dich gemacht.« Ihre Brust zog sich schmerzhaft zusammen. »Cas«, stöhnte sie. »Ich will hier weg.« Lara wurde gerade richtig bewusst; sie lag im verfluchten Krankenhaus. Der letzte Ort, an dem sie sein wollte.
Cas hob seinen Kopf und schaute sie ernst an. »Du hast eine Alkoholvergiftung und fast vierzig Fieber, du gehst nirgendwo hin.«
»Meinen Rausch ausschlafen kann ich auch ... bei Susi.«
»Lara«, Cas seufzte und sah sie mit gerunzelter Stirn an. »Du hast nicht einfach nur einen Kater, man musste dir den Magen auspumpen. Und verdammt, die haben irgendein gestrecktes Zeug in deinen Blut gefunden.«
»Was?« Lara wollte sich aufsetzen, aber ihr wurde sofort schwindelig und sie ließ sich stöhnend zurücksinken.
»Du brauchst gar nicht so tun.« Er verschränkte die Arme vor der Brust. »Was hast du dir eingeworfen?«
»Nichts!« Lara zog die Decke bis zu ihrem Kinn hoch. »Jemand hat mir was angeboten, aber ich habs ins Feuer geworfen. Ich nehm keine Drogen.«
»Du hast mich angerufen und auf meiner Mailbox was von Mondfeen erzählt!«
»Ach die ... Sie sind im Feuer verbrannt.«
»Wie bitte?« Cas zog die Brauen hoch.
»Nichts. Vergiss es. Ich nehme keine Drogen.« Sie räusperte sich mehrmals, ehe sie weitersprechen konnte. »Wenn dann hat mir das Zeug jemand ins Getränk gemixt.«
Cas schnaubte und fuhr sich über die Haare. »Mit was für Leuten triffst du dich in deiner Freizeit?«
»Das geht dich nichts an!« Lara drehte sich auf die andere Seite. Mein Gott, wie kam er dazu Moralapostel zu spielen? Er kannte die Leute doch überhaupt nicht. Nun gut, streng genommen, hatte Lara die Hälfte auf dieser komischen Party auch nicht wirklich gekannt, aber trotzdem!
Sie spürte wie sich die Matratze ein wenig senkte und plötzlich legte er sich einfach neben sie.
»Geh weg, mir ist heiß«, sagte sie und versuchte das flatternde Gefühl in ihrem Magen zu ignorieren. Cas ging nicht. »Ich meins ernst, Cas«, knurrte sie. »Lass mich in Ruhe!«
Er legte einen Arm um sie und zog sie an sich. Lara wollte protestieren, aber dann spürte sie, wie sein Brustkorb, sein Oberarm und seine Schultern vibrierten. Er holte tief Luft und stieß sie krampfhaft wieder aus.
»Cas?« Lara wollte sich zu ihm umdrehen, aber er hielt sie fest und sagte fast tonlos. »Dreh dich nicht um.« Sie spürte wie er sein Gesicht in ihren Haaren vergrub. Ein Zittern nach dem anderen jagte durch seinen Körper. Er weinte. Sie konnte es an seinem bebenden Atemzügen hören und dem leisen, fast lautlosen Wimmern, das ganz tief aus seiner Brust zu kommen schien.
»Bitte gib niemals auf«, schluchzte er, drückte sie noch viel fester an sich. »Niemals. Du darfst nicht, hörst du?«
Laras Herzschlag beschleunigte sich noch mehr und sie riss weit die Augen auf.
»Hast du mich gehört?«
»Ja ... «
»Versprich es.« Er bohrte seine Finger in ihren Arm. »Bitte geh nicht, geh nicht einfach fort.«
»Cas ... Cas ... « Sie drehte sich zu ihm um, legte ihre Hände auf sein von Tränen feuchtes Gesicht. »Ich gehe nirgendwo hin, hey, sieh mich an.«
»Nein ... « Er riss sich heftig von ihr los, fiel aus dem Bett, richtete sich hastig wieder auf und stürmte zur Tür.
Dann hielt er einen Moment inne und schaute auf den Boden.
»Wenn du das noch einmal tust, Lara, ich schwöre, ich ... « Er atmete tief ein und aus und ballte die Hände zu Fäusten. »Tu mir das nicht an.«
Cas hob den Kopf und schaute sie an. In seinen Augen stand so viel Kummer geschrieben, Lara wäre am liebsten aufgesprungen und hätte ihn fest an sich gedrückt.
Doch er wandte sich um und ging.
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Scherbenbild
General FictionLara verliert ihren Vater, der nach einem Unfall hirntot ist. Cas(♂) Mutter bekommt sein Herz und eine neue Chance, doch sie scheint schon lange dem Tod zu gehören. Laras und Cas Liebesgeschichte beginnt an einem Ort der Hoffnung und der Verzweif...