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Cas saß mit Yugi in irgendeiner Bar. Sie waren einfach in die nächst beste reingegangen, die schon offen hatte. Eine recht düstere Ecke mit Holztäfelung und staubigen Barhockern, aber immerhin waren die sie die einzigen, die sich um diese Uhrzeit hier her verirrten.

»Und, was sind jetzt deine Pläne?«, fragte Yugi und trank einen Schluck von seinem Martini Jigger. 

»Na ja, die Beerdigung und sonst ... keine Ahnung. Ich plane nicht mehr, seit meine Mum krank wurde.«

Yugi streckte sich auf den Barhocker. »Du musst doch wissen, wie es weitergeht. Immerhin, man Cas, du bist ganz allein hier.«

»Danke, Yugi.« Er nahm einen großen Schluck von seinem Gin Tonic. Es war eindeutig zu früh zum Trinken. »Keine Ahnung, wies weitergeht. Aber ich bin nicht allein.«

»Die Kleine von eben?« Yugi zog die Brauen hoch. »Na ja, ist ganz süß. Aber du hast gerade deine Mutter verloren und du weißt unsere Haustür steht immer offen.«

»Ich zieh nicht zurück nach Berlin.«

»Was spricht dagegen?« Yugi legte die Beine übereinander. 

»Omar und ich ziehen bald zusammen, wir könnten ne dreier WG machen.«

Cas nippte an seinem Drink. »Yugi, sei mir nicht böse, aber ... «

»Schon klar.« Er lachte. »Wie sind dir zu kitschig.«

»Eindeutig. Aber das ist es nicht. Ich möchte hierbleiben.«

Sein Kumpel fuhr sich durch die Haare und sah ihn stirnrunzelnd an. »Wieso? Ich meine, in Berlin, da warten alle auf dich. Julia zum Beispiel – wir könnten Kamichiea wiederaufleben lassen.«

»Die Band? Kannst du gerne machen, Yugi, aber ohne mich, ich bleibe.«

»Nur wegen einem Mädchen?«

»Sie ist nicht irgendein Mädchen, klar? Für mich ist sie, was für dich Omar ist.«

Yugi seufzte. »Nimm sie doch mit.«

»Spinnst du? Sie hat Familie hier.« Er legte den rechten Ellenbogen auf die Bar und stützte seinen Kopf ab. 

»Und du in Berlin. Oder wie siehst du uns?«

»Ich habs dir gesagt, Yugi. An dem Tag, als meine Mum hier her verlegt wurde.« Cas hob den Kopf, trank noch mehr von seinen Gin Tonic und schaute seinen Kumpel dann direkt an. 

»Ob sie lebt oder stirbt«, habe ich zu dir gesagt. »Ich komm nicht wieder. Es ist so viel passiert. Julia und Omar, die Band, das ist deine Familie. Nicht meine. War es nie. Es gab immer nur meine Mum und mich.«

Yugi verschränkte die Arme vor der Brust. »Du hast auch nie jemanden an dich rangelassen, Cas.«

»Ich war damit beschäftigt, ihre Scherben aufzuräumen. Ihr habt mich überall hin mitgenommen, dafür bin ich dankbar. Aber das war nie mein Leben. Die Partys, die exklusiven Essen mit Julia, oder auch die Clubs, oder deine ›Gang‹ – das bin nicht ich. Ich bin jemand anderes.«

»Und wer bist du, mein Freund? Du schiebst uns gerade ganz schön in Schubladen, merkst du das?«

»Ich liebe es, sie einfach nur anzusehen. Ich will mit ihr an den See fahren, ein Lagerfeuer machen und unter freien Himmel schlafen. Ich möchte mit ihr durch den Regenwald laufen und riesige Spinnen erforschen. Ich kann nicht ... in dem Gehege leben, was meine Mum erbaut hat. Es ist vorbei mit der Sicherheit. Das Leben ist ungewiss und die Musik treibt mich nun mal fort von der Großstadt.« Er lachte und strich sich die Haare hinter die Ohren. 

»Es gibt besseres als Spinnen. « Yugi verzog das Gesicht. »Aber ich verstehe, was du meinst. 

Du warst schon immer so was wie ein Löwe unter einem Haufen zahmer Pumas. Na ja, ein ziemlich gesundheitsbewusster Löwe, aber ... du weißt schon.«

»Ich steck dich nicht in ne Schublade, Yugi.« Cas trank sein Glas leer. »Ich bin nun mal ich und du, du. Und ich bin froh, dass du gekommen bist. Ohne dich würde jemand auf der Beerdigung fehlen. Also sei da.« Er zog seinen Geldbeutel aus der Hosentasche und legte einen Fünfer auf den Tresen. »Aber ich bleibe hier, bei Lara. Auch wenn du wieder nach Berlin fährst.« Cas stand auf. »Willst du noch was trinken, oder soll ich dich ins Hotel fahren?«

»Hotel.« Yugi kippte sich den Martini Jigger in schnellen Zügen runter und folgte ihm dann aus der Bar. Es regnete in Strömen, dennoch hatte es Cas nicht eilig zu seinem Auto zu kommen. Er genoss die Abkühlung und die Tropfen auf seinem Gesicht. Yugi hingegen fluchte leise, zog sich die Kapuze seiner Designerjacke über den Kopf und eilte schon Mal voraus. Als Cas am Ford ankam, sickerte die Feuchtigkeit bereits durch sein T-shirt und seine Vans. Er versuchte jeden einzelnen Regentropfen auf seinem Gesicht und den Händen zu spüren. Erst als sich seine Haut schon ganz taub anfühlte, stieg er zu Yugi und fuhr ihn ins Hotel. Mit rein kam er nicht mehr. Er würde bei der Beerdigung noch genügend Gelegenheit haben, sich mit seinen Eltern zu unterhalten. Jetzt musste er erst Mal woanders hin.     

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