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Cas fuhr ins Krankenhaus, ohne wirklich auf den Verkehr zu achten. Herzstillstand, hämmerte es durch seinen Kopf. Erst das Fieber, das nicht mehr runter gehen wollte und jetzt ...

Wie oft konnte man einen Menschen wieder zurückholen, bis die Seele das Spiel zwischen Leben und Sterben nicht mehr mitmachen wollte? Wie oft konnte er hoffen, enttäuscht werden, um dann wieder zu hoffen? Es war nicht fair! Er stürmte die Treppen zum dritten Stock empor und blieb vor ihrem Zimmer stehen. Cas atmete ein paar Mal tief ein und aus, nahm sich einen Mundschutz und betrat das Zimmer. Man hatte seine Mutter intubiert. Ein dicker Schlauch führte in ihren Mund und eine Maschine half ihr beim Atmen. 

Er setzte sich auf den Stuhl neben ihr und nahm ihre Hand. »Mum«, flüsterte er. 

»Weißt du, dass sie dich sehen wollte? Ich habs nicht zugelassen, weil es dir so geht ... Bitte halte durch.« Er strich ihr über die eingefallenen Wangen. »Ich brauch dich doch ... Du musst Lara kennen lernen und, und ... Es ist das Herz ihres Vaters, Mum, bitte.«

»Die Nieren Ihrer Mutter versagen langsam«, sagte Dr. Maurer hinter ihm. 

Cas drückte Neles Hand. »Was bedeutet das?«

Dr. Maurer seufzte und stellte sich neben ihn. »Das bedeutet, sie bräuchte eine Dialyse. Aber das Herz ist zu geschwächt, von der heftigen Abwehrreaktion. Wenn es nicht stärker wird, dann können wir nicht mehr viel für sie tun.«

Cas wollte sich am liebsten die Ohren zuhalten. Nicht mehr viel für sie tun? Das hatte er ihm schon am Vortag erzählt. »Sie stirbt«, murmelte er.

»So sieht es aus.«

Neles Lieder flackerten. »Mum?« Cas beugte sich über sie. »Kannst du mich hören?«

»Da sind Sie ja wieder«, sagte Dr. Maurer lächelnd und zog ihr den Inkubationsschlauch aus dem Hals. Sie hustete heiser und schaute zu ihrem Sohn. »Cas ... «

»Ich lasse euch kurz alleine«, sagte Dr. Maurer und verließ das Zimmer.

»Ich bin bei dir.« Cas strich ihr durch die Haare. »Wie fühlst du dich?«

»Müde. Meine Brust tut weh.«

»Du musstest wiederbelebt werden.«

»Es tut mir leid.« Sie hustete und verzog das Gesicht. Unter ihren Augen lagen unendlich tiefe Schatten und es sah aus, als wäre sie überhaupt nicht mehr richtig da. 

»Halte durch, okay? Du musst dem Herz eine Chance geben.«

Neles Blick wanderte Richtung Decke. »Ok«, sagte sie abwesend. »Ich liebe dich.«

»Ich dich auch.« Cas unterdrückte die Tränen, die in seinen Augen brannten. Seine Mutter drehte den Kopf zur Seite und sah ihn an. Er konnte ihren Blick nicht deuten, alles was er darin fand, war endlose Leere. Sie schloss die Augen. Irgendein Gerät piepste.

»Mum?«, fragte Cas und drückte ihre Schulter. »Mum?«

Dr. Maurer erschien mit einem weiteren, weiblichen Arzt. Sie untersuchten seine Mutter und ordneten ein paar Tests an. Cas stand nur daneben und sah alles, wie vor einer dicken, milchigen Scheibe. Er konnte nicht mehr. 

»Sie ist ins Koma gefallen«, sagte Dr. Maurer zu ihm. Seine Stimme kam nur gedämpft bei Cas an als hätte er Watte in den Ohren, aber es genügte. 


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