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Sechs Jahre. Sechs verdammte Jahre. Aber nun endlich... in zwei Tagen waren die sechs Jahre um. „Kommen Sie, Frau Reichau. Herr Meier wartet bereits auf Sie.", brummte Wolfgang, der Wachmann, der hier seit einem halben Jahr arbeitete. „Ja.", brummte ich und ließ mir Handschellen anlegen. Ich wusste Bescheid. Er führte mich den Gang entlang zu dem mir zugeteilten Psychologen... nein! Er war Therapeut. Er war nett. Da konnte ich die paar Jahre mehr, die er studiert hatte, anerkennen. Er war Therapeut. Kein Psychologe. Er hatte mir erklärt, dass das ein paar Jahre mehr Studium waren. Und wenn er sein Medizinstudium hätte, das er gerade nebenbei machte, wäre er ein Psychiater. Doch obwohl er nett und wirklich höflich war, so glaubte er mir kaum, dass ich unschuldig war, was ich seit sechs Jahren beteuerte. Heute würde er wieder meine ganze Geschichte verlangen. Ich hatte lange drüber nachgedacht. Sein Vorgänger, der mich hier am Anfang begleitet hatte, hatte sich das Lachen bei dieser „an den Haaren herbeigezogenen" Geschichte verkneifen müssen. Wolfgang klopfte. „Herein!", rief Herr Meier und öffnete die Tür. Wolfgang nahm mir die Handschellen ab und ich rieb mir die Handgelenke. All die Jahre... und trotzdem gingen die roten Ringe um meine Handgelenke immer wieder schnell weg, wenn man mir die Fesseln abnahm. „Elena. Setz dich.", lächelte er und deutete auf den Sessel mir gegenüber, wo ich immer saß. Und ich setzte mich. Er zückte seinen Block und seinen Kugelschreiber, auf dem sogar sein Name stand. „Das ist jetzt unsere 261. Sitzung. Und damit unsere letzte. Die ersten 52 Sitzungen hat ja Doktor Neumann übernommen.", lächelte er. „Ja.", bestätigte ich. „Freust du dich schon? Ich meine... übermorgen bist du frei!", grinste er. Ich lächelte nun ebenso. „Natürlich bin ich aufgeregt... aber... ich weiß nicht, ob die Welt da draußen noch Platz für mich hat...", gestand ich. Er zog eine Augenbraue hoch. „Wirklich, Elena? Deine letzte Sitzung und du hast einen Durchbruch?", wollte er wissen. Ich zuckte mit den Schultern. „Ja... Ihr Vorgänger hat mich ausgelacht, als ich es ihm erzählt habe.", murmelte ich. Er legte mir eine Hand aufs Knie. „Elena... wann habe ich dir je das Gefühl gegeben, dass ich dich auslachen würde?", er sah mich betroffen an. Ich seufzte. „Sie haben recht. Also... Sie haben ja meine Akte gelesen.", er nickte bestätigend. „Ich bin unschuldig. Aber das sage ich ja schon seit Jahren. Niemanden interessiert meine Version der Geschichte.", brummte ich. „Doch. Mich. Erzählen Sie, Elena.", forderte er. Ich seufzte und griff nach dem Glas Wasser auf dem Tisch. Ich trank einen Schluck, stellte das Glas ab und atmete tief durch. „Damals... vor sechs Jahre... da hat die Polizei keinen Verbrecher geschnappt... nein... man hat mich um mein Leben betrogen! Ich... ich hätte alles haben können! Ich hatte alles! Ich hatte ein Haus, ich hatte eine Familie! Ich..." „Entschuldige bitte aber... welche Familie?" „Meine Familie! Meine Frau und meine Kinder!", erklärte ich. „Ach meinst du... einen Moment... Nina Bauer? Die Ehefrau von Gregor Bauer? Der ebenso auch der Vater ihrer beiden Kinder ist?", wollte er wissen. Ich schluckte. „Er... er.... Gregor Bauer...", ich kam nicht darum herum seinen Namen zu knurren. „Er war es... er... er...", ich atmete tief durch um mich zu beruhigen. „Er hat mich um mein Leben betrogen!", brüllte ich und versuchte meine Atmung unter Kontrolle zu bekommen. Kaum hatte ich geschafft musste ich noch einen Schluck trinken. „Aber fangen wir doch lieber ganz von vorne an.", brummte ich und sah versonnen aus dem kleinen Fenster, welches das einzige hier war, dass nicht vergittert war.


06.07.2011

Müde nippte ich an meiner Cola. Es war so furchtbar langweilig hier. Doch bestand der Chef darauf, dass alle seine Mitarbeiter am Fest teilnahmen. Und ihre Familie mitbrachten. So rannten hier auch ständig irgendwelche Kinder herum. Alle meine Kollegen saßen irgendwo mit ihren Frauen und Männern und ihren Kindern. Nur ich saß ganz allein. Ich war Einzelkind. Dazu noch ledig und Single. Ich war allein. Ich war ein Arbeitstier. Kein Familienmensch. So war ich einfach... „Boah...", ich sah auf als eine junge Frau sich mir gegenüber setzte und sich die Schläfe rieb. „Stress?", lächelte ich und sah von meinem Glas auf. Sie zuckte hoch. „Oh... Entschuldigung... ich habe gar nicht bemerkt, dass hier jemand sitzt...", gestand sie und wollte aufstehen. „Bleiben Sie doch!", lächelte ich, da ich gerade bemerkte wie sehr ich mich nach Gesellschaft sehnte. „Okay...", meinte sie und blieb sitzen. „Darf ich nach Ihrem Namen fragen?", wollte ich wissen. „Ich heiße Nina. Und Sie?", lächelte die Dame mir gegenüber. „Elena. Und duzen Sie mich doch! SO alt bin ich noch nicht." „Dann duz du mich auch. Also, Elena. Wer hier gehört zu dir?", wollte sie wissen. „Niemand. Ich bin Single und kinderlos. Und trotzdem hat mich mein Chef herbeordert. Und wieso sind Sie... bist du hier?", lächelte ich. „Bin her geschleift worden. Aber ich kann einfach nicht mehr.", seufzte sie. Ich nickte. „Dann... reden wir über was ganz anderes... reden wir über... über was willst du reden?", lächelte ich während ich in ihren tiefblauen Augen versank. „Was machst du denn so beruflich?", wollte sie wissen. „Ich arbeite in der Werkstatt..."

Und so vergingen die Stunden. Mittlerweile lag meine Hand auf ihrer und sie zog diese nicht zurück. Ihre Augen waren so wunderschön. Ihr zartes Gesicht lächelte mich an und das Kleid, das sie trug schmeichelte ihrer schlanken Figur kurzum, sie war eine wahre Schönheit. „Darf ich dich... vielleicht... in eine Bar einladen? Nicht weit von hier ist eine schöne. Mit Blick auf den See und jetzt kurz vor Sonnenuntergang... außerdem ist es dort besser als hier.", lächelte ich. Sie leckte sich nervös über die Lippen. „Elena... ich würde wirklich sehr gerne aber..." „Da ist sie ja!", hörte ich die polternde Stimme und sah auf. „Gregor... was tust du denn hier?", knurrte ich meinen Kollegen an. Er war dafür bekannt in der Werkstatt dem Klischee eines Werkstattarbeiters perfekt zu entsprechend. Ständig machte er Witze über Frauen. Am meisten hatte es mich gewürgt als ich die CNC-Fräse eingeschaltet hatte und der milchig, weiße Kühlstoff eingespritzt wurde. Man musste sich das so vorstellen, dass der Kühlstoff natürlich stark herumspritzte und man konnte dann nur durch ein Fenster hineinsehen. Bis die Fräse fertig war und man wieder öffnen konnte. Gregor war hinter mich getreten und hatte gelacht, dass genau so die Weiber aussehen, wenn er anfängt sie geil zu machen. Dieses widerliche Grinsen, dieser Kommentar... da war mir direkt schlecht geworden. Sogar meinen anderen Kollegen war es sichtlich unangenehm gewesen! Vor allem weil zu dem Zeitpunkt gerade eine Klasse unseren Betrieb angeschaut hatte und diesen Kommentar mitbekommen hatten... Mich lachte er regelmäßig aus, wenn etwas nicht sofort funktionierte, obwohl er es nicht besser konnte! Wobei nein... ich war besser als er! „Von dir? Von dir brauch ich nichts, Elena. Von einer dreckigen Lesbe wie dir will ich grundsätzlich nichts wissen. Reicht mir schon, wenn ich deine Fresse in der Arbeit ertragen muss.", knurrte er. „Nina, komm. Die Kinder warten.", brummte er und spuckte zur Seite. Direkt neben meinen Fuß. „Gregor...", sie stockte und sah den Kerl an und... Moment... Nina? Kinder? „Ist... ist das deine Frau?", stotterte ich. Er grinste. „Ja. Ganz nett, nicht? Heiß war sie schon immer.", grinste er und klatschte Nina, die gerade aufgestanden war, direkt auf den Arsch. Nina zuckte zusammen. „Wir sehen uns Montag, Kleine.", grinste er, legte seinen verfetteten Arm um seine Frau und führte sie weg. Sie sah mir sehnsüchtig nach, deutete aber mit ihren Pupillen auf den Tisch. Ich sah hin. Darauf lag eine Serviette. Schnell packte ich sie und las mehrere Zahlen darauf ab. Ihre Nummer! Aber... sie war doch mit Gregor verheiratet... wieso sollte sie mir ihre Nummer geben?

Sechs Jahre die ich nie zurückbekommeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt