31

1.6K 113 5
                                    


Die Kinder grüßten kurz in die Küche, bevor sie hoch rannten um ihre Hausaufgaben zu machen. Und die, die sie die letzten Tage vernachlässigt hatten. Mit schnellen Schritten begab ich mich dann zu meiner Liebsten. „Nina?" „Mmh?", sie sah mich an und ich erschrak, als ich ihren erschöpften Blick sah. „Alles in Ordnung?", wollte ich wissen. „Geht so... wo warst du denn den ganzen Morgen?", wollte sie wissen. „Ich war bei einem Mann, der dem Anwalt nichts sagen wollte aber nach einem anständigen Frühstück hat er mit mir geredet und er hat mir was Interessantes erzählt. Ich schicke meinem Anwalt später eine Mail. Aber was ist bei dir los? Du siehst so fertig aus.", bemerkte ich. „Ja... nein... es..." „Nina...", ich setzte mich zu ihr und nahm ihre Hände in meine. „Wenn was ist, dann sag es mir doch!", bat ich. Sie seufzte und zog ihr Handy, tippte etwas darauf herum und schob es zu mir. Ein Chat mit Gregor. Sie hatte nicht ein Mal geantwortet.

„Das war heute nicht dein Ernst, oder?"

„Nina, du bewegst deinen hässlichen Arsch sofort wieder zu mir!"

„Elena also. Die Hure die unsere Familie schon einmal auseinander gerissen hat?"

„Bist du so blöd oder tust du nur so? Sie ist eine Mörderin! Eine eiskalte Killerin!"

„Dreckige Schlampe!"

„Wie ich je einen bei dir hoch gekriegt hab ist mir ein Rätsel!"

„Wenn ich dich wieder sehe prügle ich dir Vernunft ein! Dreckige Schlampe! Ich schwöre dir, ich bring dich um, deine Hure gleich mit und die Kinder sollen den Rest ihres Lebens büßen!"

Die Nachrichten waren verteilt von dem Tag an dem sie ging bis gestern. Die Nachrichten heute waren anders.

„Letzte Chance, Nina. Komm SOFORT zu mir zurück. Ansonsten kommen die Kinder zu mir. Ich habe Arbeit. Bei mir lebt kein Mörder. Komm her und sei ganz lieb zu mir. Dann breche ich dir vielleicht nicht alle Knochen. Also, Schatz, komm her und beweg dich."

„Puh... also...", ich rieb mir die Schläfe. „Mach von jeder Nachricht einen Screenshot und schick es mir. Sicherheitshalber. Ich rede mit meinem Anwalt und...", ich rieb mir verlegen den Nacken. „Du drängst zu einer Scheidung.", bemerkte Nina. „Es... es... ich liebe dich und ich weiß, dass du mich auch liebst aber... ich hasse es, dass du immer noch mit diesem Schwein verheiratet bist!", erklärte ich. Sie nickte. „Komm. Gehen wir aufs Sofa.", hauchte sie und zog mich mit sich.

Sie zog den Laptop zu sich auf das Sofatischchen und öffnete ihn. Sie googelte Scheidung und die erste Sache, die keine Anzeige war, hieß vielversprechender Weise bereits Scheidung.de. Sie überflog die Zeilen und ich kam kaum mit dem Lesen hinterher bis sie einen Scheidungstest anklickte. Wohl eher Spaßeshalber denn dass sie sich scheiden lassen würde war wohl klar. Trotzdem. Außerdem erhoffte ich mir am Ende vielleicht interessante Links für Anwälte und Formulare. „Enden Ihre Gespräche in letzter Zeit oft in Streit?", las ich die erste Frage vor. „Immer.", antwortete Nina und ich klickte Ja an. „Tauschen Sie nur noch selten Komplimente und Zärtlichkeiten aus?" „Dieser Mann kennt keine Zärtlichkeiten. Zählt Schlampe als Kompliment?", antwortete Nina und ich klickte auf Ja. Die nächste Frage ob sie noch regelmäßig Sex hätten wagte ich nicht vor zu lesen. „Klick auf nein. Den, den wir haben, würde ich mir gerne sparen. Und nie mehr lege ich mich zu ihm.", erklärte sie und ich klickte beruhigt auf nein. „Fällt es Ihnen nach einem Streit leicht, sich wieder zu versöhnen?" „Um Gottes Willen, NEIN!", antwortete sie. „Bereuen Sie Ihren Partner gehei..." „JA!", unterbrach sie mich bevor ich die Frage ganz lesen konnte. „Sind Sie neidisch auf andere glückliche Paare oder glückliche Singles?" „Ich beneide jeden der Gregor nicht ertragen muss." „Verspüren Sie häufiger als sonst den Wunsch, allein zu sein?", las ich. „Ich will nicht allein sein. Klick aber ja an. Ich will ihn nicht mehr sehen. Nur noch bei dir und den Kindern sein.", antwortete sie mir. „Gibt es noch Dinge, die Sie gerne zusammen unternehmen?" „Er ist gerne brutal zu mir. Aber dass ich es hasse kannst du dir wohl denken.", hauchte sie. Ich nickte und klickte brav auf nein. „Freuen Sie sich darauf, nach Hause zu kommen?" „Zu dir. Niemals mehr zu ihm.", also klickte ich auf nein. „Fühlen Sie sich in letzter Zeit perspektiv- und hoffnungslos?" „Etwas. Mit dir habe ich eine Zukunft. Mit ihm nicht.", also wieder ein ja. „Denken Sie oft an frühere Beziehungen?" „Ich denke an dich.", Nina hauchte mir einen Kuss an die Wange und ich klickte auf ja. „Denken Sie häufig an Zeiten, in denen Sie mit Ihrem Partner noch glücklicher waren?" „Wir waren nie wirklich glücklich. Also nein.", antwortete sie. „Machen Sie sich noch Gedanken über die Wünsche und das Gefühlsleben Ihres Partners?" „Nein. Er ist eine gefühllose Bestie die die eigenen Kinder schlägt." „Haben Sie in den letzten 6 Monaten schon einmal über eine Trennung nachgedacht?" „Die letzten sechs Monate? Die letzten sechs Jahre. Damals hätte ich mich schneller scheiden lassen sollen. Hätte direkt zu dir gesollt statt zu zögern.", erklärte sie. „Gab es in den letzten 6 Monaten romantische Momente in Ihrer Partnerschaft?" „Es gab nie derartige Momente mit ihm." „Vermissen Sie Ihren Partner, wenn Sie ihn längere Zeit nicht sehen?", wollte ich wissen und sah sie an. Doch sie grinste breit. „Oh nein. Wenn er da ist wünsche ich ihn mir fort. Eher dich her.", lächelte Nina und ich klickte auf nein. „Haben Sie einander in den letzten 6 Monaten schwere Vorwürfe oder Beleidigungen an den Kopf geworfen?", wollte ich wissen. „Er mir. Hure, Schlampe, Fotze und und und.", zählte sie ein paar Sachen auf. „Sind Sie oft traurig und niedergeschlagen?", wollte ich wissen. Nina lehnte sich an mich. „Immer. Bei ihm. Nicht bei dir.", hauchte sie und ich drückte ja. „Sind Sie der Meinung, dass Ihre Ehe Ihnen Kraft gibt?" „Diese verdammte Ehe ist wie eine schwere Kette die mir alle Kraft nimmt!", erklärte sie. „Wissen oder vermuten Sie, dass Ihr Partner Sie betrügt?", wollte ich wissen. „Ja. Mit einer Menge Nutten. Aber... ich sollte da wohl am wenigsten was darüber sagen, oder?", sie lächelte mich sanft an und ich gab ihr einen Kuss. „Du darfst das auch.", lächelte ich und grinste, als die letzte Frage aufkam: „Sind Sie selber fremd gegangen, weil Sie sich in Ihrer Ehe einsam gefühlt haben?" Nina lächelte. „Weil ich mich einsam fühlte. Weil ich am Ende war. Und weil ein großartiger Mensch kam und mich in ihre Arme zog.", lächelte sie und ich bekam noch einen Kuss auf die Wange. Also ein ja. Ich grinste als das Ergebnis kam. „Uh... eine zerrüttete Ehe.", lächelte ich. „Ihre Ehe hat sich in eine Hölle verwandelt, unter der Sie tagtäglich leiden. Tief in Ihrem Inneren haben Sie schon längst mit Ihrem Partner abgeschlossen und wollen eigentlich nur noch weg. Wahrscheinlich wird Ihre Ehe eher von der Angst vor den Folgen einer Scheidung als von Liebe und Geborgenheit am Leben gehalten. An einer Scheidung führt kein Weg vorbei, wenn Sie nicht den Rest Ihres Lebens in der leeren Hülle einer gescheiterten Ehe verbringen wollen. Belügen Sie sich nicht länger selbst und finden Sie den Mut für den ersten Schritt in ein glücklicheres Leben, mit einem Partner, der Sie verdient hat... hab ich dich verdient?", lächelte ich. „Nein. Du hast eine Frau verdient, die nicht so kaputt ist wie ich. Aber ich liebe dich.", hauchte sie und gab mir einen Kuss. „Also...", versuchte ich ihr auf die Sprünge zu helfen, während ich die erhofften Links kopierte und in ein Word-Dokument speicherte. „Also... lese ich das alles durch und du solltest zu deinem Anwalt.", riet sie. Ich nickte und tat wie mir geheißen, nachdem ich ihr einen Kuss gegeben hatte.

Das Gespräch mit dem Anwalt beschränkte ich auf E-Mail und Anrufe. Trotzdem beschäftigte es mich bis spät in die Nacht. Ebenso hatte ich noch mit dem Baubeauftragten sprechen müssen. Zum Essen hatte ich es nicht geschafft. Erst zum Abendessen saß ich bei Nina und den Kindern bevor die Kinder wieder in ihre Zimmer gingen. Nina brauchte Hilfe bei Deutsch und ihr Bruder half ihr. Und am Abend suchten wir die verschiedenen Angebote durch. Es gab ein Gymnasium ganz in der Nähe. Dort hatten wir vor die Kinder hin zu bringen. In wenigen Wochen wäre das Halbjahr um. Den Kindern zu Liebe warteten wir bis dahin. Auch, wenn es ein Risiko war die Kinder dort zu lassen, wo Gregor sie finden konnte. „Morgen telefoniere ich mit der Rektorin. Das kriegen wir hin.", lächelte ich und gab ihr einen Kuss. „Danke. Aber ich kann das schon machen. Ich bin schließlich...", sie stockte doch lächelte ich sanft. „Sag es ruhig. DU bist die Mutter. Nicht ich. Eigentlich habe ich gar kein Recht über die Kinder zu bestimmen. Das darfst du und... Gregor. Aber wir kriegen das auch hin. Gregor soll sie nie wieder zu Gesicht bekommen.", lächelte ich und gab ihr noch einen Kuss.

Sechs Jahre die ich nie zurückbekommeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt