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„Warte! Hier noch...", mit konzentriertem Blick zupfte Nina meine Haare zurecht. „Ganz ruhig! Es ist eine Anhörung und ich werde mit Sicherheit freigesprochen.", lächelte ich. „Und wenn nicht? Wenn du...", sie sah sich um, dass die Kinder nicht in der Nähe waren. „Wieder ins Gefängnis musst?", hauchte sie. „Lächerlich! Im Notfall habe ich doch dich als Zeugin.", lächelte ich. „Schon... aber die haben mich nicht vorgeladen! Die wollen mich nicht sehen! Was wenn Gregors Anwalt..." „Der wird gar nicht anwesend sein! Er braucht ja auch keinen Anwalt in diesem Fall sondern ich. Es geht heute nicht um meinen gegen Gregors Anwalt, sondern um meinen Anwalt gegen den Staatsanwalt. Deine Zeugenaussagen hat der und so weiter und sofort. Schlimmstenfalls wird es vertagt. Ansonsten ist alles gut.", versicherte ich ihr und zog mir meine Jacke über. „Dann bis später.", sanft hauchte ich ihr einen Kuss auf die Wange und ging.

Ich hatte noch einmal alles mit dem Anwalt besprochen und standen nun im Gerichtssaal. Oder eher saßen wir während der Anwalt die Anklage verlaß. Kurz: Ich hatte gegen eine einstweilige Verfügung verstoßen und das kurz nachdem ich aus dem Gefängnis entlassen wurde in welchem ich wegen Totschlags saß... Und sofort wurde ich in den Zeugenstand gerufen. „Frau Reichau. Geben Sie zu am besagten Tag im Haus von Herrn Gregor Bauer gewesen zu sein?" „Ja. Und auch schon einige Tage zuvor war ich dort gewesen.", erklärte ich wahrheitsgetreu. „Wieso waren Sie dort? Wollten Sie Herrn Bauer schaden?" „Nun... ja und nein. Mit Sicherheit schadete ihm meine Handlung doch das war nicht der Grund. Ich war nicht wegen ihm dort sondern wegen Nina Berger." „Ah... Frau Berger? Sie meinen Frau Bauer, nicht wahr?" „Ja. Doch wird sie nicht mehr lange so heißen.", erklärte ich. „Wieso wollten Sie so kurz nach ihrem Freikommen zu Nina Bauer?" „Wir führten eine Affäre vor meinem Gefängnisaufenthalt. Sie hat Gregor für mich verlassen. Nachdem ich raus kam wollte ich wissen, ob sie noch so für mich empfand. Sie tat es... oder viel mehr sie tut es. Also ging ich zu ihr. Und an besagten Tag kam sie mit mir. Und die Kinder nahm sie mit. Das ist wohl legal, oder nicht? Schließlich hat Nina ebenso das Aufenthaltsbestimmungsrecht.", bemerkte ich. „Das ist wahr. Trotzdem haben Sie gegen die einstweilige Verfügung verstoßen! Diese wurde erwirkt am 01.05.2012. Ebenso wurden Ihnen die Verfügung übergeben und Sie wurden informiert. Und das am 07.05.2012. Das war der Montag darauf. Informiert wurden Sie von Ihrem damaligen Verwalter.", erklärte er. „Das kann nicht sein. Mein Verwalter räumte mir recht schnell die Konten leer, auf die er Zugriff hatte, ließ mein Haus verfallen und setzte sich ins Ausland ab. Den Brief habe ich nie erhalten und Sie werden mit Sicherheit auch keine schriftliche Bestätigung von mir für den Erhalt haben. Denn diesen gibt es nicht.", erklärte ich. „Da haben Sie recht. Allerdings könnten Sie..." „Ich bitte Sie, Herr Staatsanwalt!", kam es von meinem Anwalt Daniel. „Jeder, der eine solche Nachricht überbringt MUSS, so ist es vorgeschrieben, eine schriftliche Bestätigung für den Erhalt einfordern! Ist dieser nicht vorgelegt besteht ein eindeutiger Beweis, dass meine Mandantin gar nichts von der Verfügung wissen konnte! Ebenso klärte sie niemand nach ihrer Freilassung auf und auch ihre Verlobte, Nina Bauer, wusste nichts von der Verfügung. Meine Mandantin handelte des Weiteren aus Notwehr heraus! Denn Gregor Bauer, der Ehemann von Nina Bauer, ist mit seinen brutalen Vorgehensweisen bereits aufgefallen. In der Schule seiner Kinder hat er erst vor Kurzem seinen Sohn geprügelt und seine Tochter auch hier und da erwischt. Als Frau Reichau dazwischen ging, die im Auftrag von Frau Bauer die Kinder holen sollte, bekam sie ebenso Schläge ab, die man sogar heute noch sieht. Dafür gibt es Zeugen und der Zwischenfall ist angezeigt worden. Ebenso brutal ging Herr Bauer mit seiner Ehefrau um. Vor allem als diese ihn für eine Frau verlassen wollte. Erneut nun nach sechs Jahren. Er hatte bereits Verdacht geschöpft, dass sie sich wieder trafen. Natürlich musste sie von dort weg! Meine Mandantin hat ihr lediglich geholfen von ihrem Mann fortzukommen! Sie betrat weder widerrechtlich das Haus, noch zwang sie einen einzigen Bewohner zum Aufbruch! Alles geschah auf Wunsch von Frau Nina Bauer!", erklärte er.

Bereits nach zwei Stunden gab es der Staatsanwalt auf. „Ich plädiere auf Freispruch.", lächelte Daniel. „Herr Staatsanwalt?", wollte der Richter wissen. „Nach wie vor hat sie sich auf einem Gelände aufgehalten, auf dem sie sich nicht hätte befinden dürfen! Eine Geldstrafe von 500 Euro sollten genug sein!", forderte der Staatsanwalt. Der Richter zog sich einige Minuten zurück, sprach ein paar Worte, fasste alles zusammen knallte mit: „Freispruch." Mit seinem Hammer auf den Tisch und ich war damit entlassen.

Grinsend trat ich mit Daniel Reber aus dem Saal. „Das war einfacher als erwartet!", grinste ich. „Bitte! Es war ein eindeutiger Fall und die ganze Verhandlung war reine Formsache. Mittendrin hatte ich schon Angst, der Staatsanwalt hat einen schlechten Tag und steckt dich für eine Nacht in U-Haft. Aber das war ihm dann wohl doch zu viel Papierkram. Also... die Anzeige wegen Körperverletzung ist übrigens raus. Morgen wird Herr Bauer zur Polizei geladen um dort seine Aussage abzugeben und verhört zu werden. Nina hat ja schon ausgesagt. Also... ist da vorerst nichts zu tun. Wichtig ist der Termin am Montag. Da gesteht Herr Nowak seine Taten alle vor Gericht. Dann ist alles auf Papier und ich kann wieder beantragen deinen Fall neu aufzurollen. Einige Zeugen habe ich bereits gefunden.", lächelte er. Ich grinste breit. „Großartig. Aber ich muss heim. Sonst macht sich Nina Sorgen.", lächelte ich und er hob die Hand zum Gruß.

Sechs Jahre die ich nie zurückbekommeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt