Ich aß mit Nina und den Kindern. Die Kinder erzählten, was in der Schule so los war. Nina sagte kein Wort, zumindest nicht zu mir. Den Tag verbrachten wir getrennt. Ich half den Kindern mit den Hausaufgaben. Nina blieb unten und räumte etwas auf. Immer wieder fürchtete ich mich, sie würde den Ring abnehmen. Zum Abendessen meinte ich, ich müsse noch schnell tanken. So musste Nina nicht mit mir am Tisch sitzen. Erst als es 23 Uhr war und die Kinder im Bett waren überlegte ich, wie ich es nun anstellen sollte mit Nina zu sprechen. Immer wieder hatte ich es heute versucht sie in der Küche abzupassen. Und ehe ich es mich versah ging Nina rauf und kam nicht mehr runter. Sie hatte sich schlafen gelegt. Oder war zumindest ins Schlafzimmer rauf. Ich seufzte und rieb mir unten am Sofa die Augen. Es durfte so nicht weiter gehen! Jede Nacht, die ich hier war und sie dort entfremdeten wir uns weiter. Und wir durften uns nicht entfremden! Aber verdammt... Ich traute mich einfach nicht rauf zu gehen. Ich fürchtete noch mehr zu zerstören als eh schon geschehen war. So legte ich mich einfach hin und hoffte auch ohne Nina in den Schlaf zu finden. „Elena?", hörte ich und schreckte auf. Lina stand in der Tür. „Lina, warum bist du denn nicht im Bett und schläfst?", lächelte ich und richtete mich auf. „Habe Durst... warum schläfst du hier? Du und Mama... ihr streitet euch, oder?" „Aber nein!" „Warum schläfst du dann hier unten?", wollte sie wissen. Sie sah ehrlich besorgt aus. Ich wollte sie nicht beunruhigen. „Ich schlaf nicht hier. Bin nur eingeschlafen. Aber du hast recht. Ich sollte rauf gehen. Bin gestern Abend schon hier unten eingeschlafen.", rettete ich mich und stand auf. „Komm. Ich geb dir was zu trinken und dann ab ins Bett.", forderte ich.
Lina begleitete mich rauf. Sie schien sich versichern zu wollen, dass ich auch wirklich zu ihrer Mutter ins Schlafzimmer ging. So war ich gezwungen mich leise hineinzuschleichen. Nina lag noch wach und sah mich mit großen Augen an als ich eintrat. Der Fernseher lief. „Tut mir leid, Schatz. Bin unten eingeschlafen.", lächelte ich und da entdeckte sie Lina neben mir. „Ich wollte schon nachsehen, wo du bleibst. Lina, ab ins Bett!", forderte sie. Die Kleine nickte und rannte in ihr Zimmer. Ich schnaufte tief durch und schloss die Tür. „Ich weiß, du willst mich nicht sehen aber... ich wollte ihr nicht sagen, dass wir uns streiten.", gestand ich. Nina nickte, saß allerdings aufrecht im Bett und sah mich an, als wüsste sie auch nicht so recht, was sie sagen sollte. Ich atmete tief durch. „Nina ich..." „Spar's dir." „Nein! Bitte... das gestern... Nein. Nicht nur das gestern. Das alles war ein großer Fehler. Ich habe dich von Gregor weg geholt, weil ich schnell handeln wollte. Ja, ich habe dir zugemutet, dass du bei einem Fremden schläfst. Du musstest mir vertrauen. Der Kerl hätte ja sonst wer sein können. Ein Kinderschänder oder so. Du hast mir vertraut. Du vertraust mir blind und ich habe es schamlos missbraucht. Nina, ich... ich wollte mit dir reden. Schon den ganzen Tag. Aber ich... ich habe mich so gefürchtet... dass du mich weg schickst." „Zurecht. Wieso sollte ich nach der Sache gestern noch einmal mit dir reden wollen? Elena, ganz ehrlich? Am liebsten hätte ich dich gestern rausgeworfen. Aber das ist deine Wohnung. Und ich kann nicht gehen. Weil wohin denn? Elena, ich kann nicht weg. Weil der einzige Ort an den ich fliehen kann ist zu Gregor. Und der ist wirklich noch schlimmer als du. Und das weißt du auch. Darum tust du, was du tust. Und..." „Du hast recht! Nina, du hast absolut recht und... ich bereue es! Nina ich...", ich trat zum Bett. „Bleib weg!", befahl sie und sofort ging ich zurück bis ich die Wand im Rücken spürte. „Hörst du mir zu? Bitte... Nina... ich fühle mich, als stände mir das Wasser bis zum Hals und ich ertrinke gleich. Bitte... lass mich wenigstens erklären. Versuchen... lass mich reden. Bitte.", flehte ich. Sie sah mich nachdenklich an und schaltete den Fernseher auf leise. „Rede.", brummte sie. Ihre Augen waren gerötet. Sie hatte geweint. Ich atmete tief durch. Nina saß im Bett. Ich stand und sah so von oben auf sie herab. Trotzdem war ihr Blick auf mir so... unverwandt. So, als wäre ich eine Fremde, die sie gar nicht bei sich haben wollte. Ich schluchzte und sank auf die Knie. Hatte ich sie schon verloren? Die Angst löste keine Panik mehr in mir aus. Die Gewissheit, ich hatte sie verloren brannte sich in mein Herz. Nina schwieg. Wartete, bis ich mich mit meinen Händen vor mir am Boden abstützte. Tränen tropften auf den Boden doch wagte ich es nicht aufzusehen. „Nina... ich habe scheiße gebaut. So viel scheiße! Aber nicht nur seit ich frei bin. Schon immer. Seit 34 verdammten Jahren mach ich das. Ich bin Dreck! Ich hab immer mit Gefühlen gespielt. Gesoffen, gevögelt und gesoffen um zu vergessen, dass die Frauen, deren Namen ich mir nie gemerkt habe, den meinen nicht einmal kennen! Ich wurde nie auf diese Weise geliebt. Nie. Ich war immer der Fehler. Ich war der Spaß. Mit mir hat man gefeiert und gevögelt und es danach bereut. Aber ich bin kein Beziehungsmaterial. Aber ich habe es mir so gewünscht! Und als du kamst... es schien so leicht! Mit dir wollte ich das wirklich! Auch die Kinder... das war... es wurde mir nie zu viel, du hast ja alles gemacht. Du hast die Strenge gespielt und ich die Spaßmacherin, weil ich das konnte... ich hab dir alles Schwere überlassen und mir das Leichte rausgepickt. Ich bin in den Knast gegangen und habe nur gebrüllt, dass Gregor Schuld ist! Dabei hätte ich gestehen sollen, auch wenn ich es nicht war! Ich hätte meinen ganzen scheiß Stolz runterschlucken müssen und immer brav mitmachen sollen. Dann wäre ich früher rausgekommen. Zu dir und den Kindern. Aber ich habe das nicht getan. Weil ich keine Verantwortung für euch übernommen habe. Ich bin raus und habe Chaos gestiftet. Wie ich es eben immer tue. Ich wollte alles gut machen! Wirklich... Aber du hast so recht! Nina, ich wollte dir nie weh tun. Auch den Kindern nicht. Aber mit meinen dummen Taten habe ich das natürlich getan. Ich habe Mist gebaut. Sehr viel. Alles was du mir gestern vorgeworfen hast stimmt. Und... das habe ich erst jetzt bemerkt. Es tut mir aufrichtig leid. Ich weiß, du wirst es mir wohl kaum vergeben. Und gestern das... Mal wieder habe ich dich für selbstverständlich genommen. Ich dachte einfach... du liebst mich also verzeihst du mir. Dass das dumm war weiß ich jetzt. Und... ich... als du sagtest, ich wäre vielleicht wirklich ein Mörder... da... da bin ich ausgerastet. Ich habe Panik bekommen. Wenn du mir nicht glaubst, Nina, dann glaube ich mir am Ende selbst nicht mehr! Ich habe Angst, Nina. Wirklich. Ich muss freigesprochen werden! Ich habe keinen Plan B. Ich will mein altes Leben zurück. Und das ist dumm, ich weiß. Besser für dich und die Kinder wäre es gewesen, hätte ich mir mit euch ein neues aufgebaut. Und dass ich Gregor provoziere und so viel riskiere... Ich kann dir nicht oft genug sagen wie leid es mir tut. Aber... ich kann dir was schwören...", ich sah sie an und wischte mir die Tränen aus den Augen. Sofort liefen neue. Nina sah mich an. Ich sah keine Emotion in ihrem Blick. „Ich... ich schwöre dir, dass ich kein Risiko mehr eingehe. Ich halte mich von Gregor fern. Ich werde mich auf meine Familie konzentrieren. Keine Geheimnisse mehr zwischen uns. Keine Lügen. Ich sage dir alles, was ich tue. Verschweige dir gar nichts mehr. Ich erzähle dir keine Lügen mehr. Ich werde für dich wie ein offenes Buch sein. Ich werde deinen Rat befolgen. Ich werde mich wirklich von Gregor fern halten und alles der Polizei und meinem Anwalt überlassen.", hauchte ich und schluckte. „Nina... ich weiß nicht, was ich sonst sagen kann... bitte... ich bin ein furchtbarer Mensch. Das weiß ich. Und dass ich dich gestern so fest gepackt habe... das hätte ich nicht tun dürfen. Ich wollte dir nicht weh tun. Aber das habe ich. Ich kann mich dafür nur tausendfach entschuldigen auch, wenn es die Sache nicht gut macht. Aber ich will ein besserer Mensch werden! Bitte... für dich und für die Kinder. Ich liebe dich, Nina... wirklich... ich habe keine Chance mehr verdient. Das ist wahr... trotzdem bitte ich dich darum. Auch wenn ich es nicht verdient habe...", wimmerte ich. Stille. Ich wusste nicht, was ich noch sagen sollte und Nina sagte auch kein Wort. Ich kniete nur auf dem Boden und weinte stumm vor mich hin. Zitterte ihrer Entscheidung entgegen. Und Nina ließ mich warten. Bis sie seufzte. „Ich werde gar nicht entscheiden. Etwas Abstand wird uns gut tun. Ich schicke dich heute Nacht nicht wieder runter. Den Kindern wegen. Du darfst hier schlafen. Fass mich aber nicht an. Du schläfst mit dem Rücken zu mir und ich mit dem Rücken zu dir. Entscheiden werde ich gar nichts. Nicht ehe die Sache mit dieser Frau geklärt ist.", bemerkte sie. Ich nickte. „D... Danke.", hauchte ich und trat langsam näher. Nina spannte sich an und rückte so weit wie möglich nach außen. Ich schluckte. „Nina ich... es tut mir alles so leid. Und ich soll dir doch alles erzählen..." „Ja." „Ich habe heute einen Privatdetektiv engagiert. Sie soll Hannah finden. Ich werde mit ihr reden. Ich will wissen, wieso sie das behauptet. Ich werde sie treffen. Allein, da sie sonst nichts sagt. Ich denke, mir persönlich wird sie schon was sagen. Wenn du möchtest kann ich das Gespräch heimlich aufnehmen oder filmen.", erklärte ich. „Du wirst es aufnehmen. Dann kann ich mir sicher sein.", hauchte sie. Ich nickte. „Das werde ich.", versprach ich und legte mich neben sie. Wie sie es gewünscht hatte drehte ich ihr den Rücken zu und rückte so weit wie möglich von ihr weg. „Gute Nacht, Nina.", hauchte ich als sie den Fernseher ausschaltete. „Nacht, Elena.", kam es von ihr und ich schloss die Augen. Ich durfte Nina nicht verlieren.
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Sechs Jahre die ich nie zurückbekomme
RomanceMein Name ist Elena Reichau. Ich saß jetzt sechs Jahre im Gefängnis. Mir wurde vorgeworfen Wirtschaftsspionage betrieben zu haben und als mich mein damaliger Chef erwischte, soll ich ihn erschossen haben. Lächerlich. Ich bin aufbrausend und kann wüt...