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In den Schrebergärten waren nicht viele Leute. Und die, die hier waren interessierten sich nicht für mich. Und das war gut. Ruhig und so gelassen wie möglich schlenderte ich den Weg entlang. Einfach keine Aufmerksamkeit erregen.

Der Zaun war ein normaler Lattenzaun. Ungefähr 1,60m hoch. Ich stellte mich auf die Zehenspitzen und spähte hinüber. Niemand da. Ich ging ein paar Schritte zurück, rannte los, sprang und zog mich an dem Zaun hoch. Wenn der jetzt umkippte wäre ich am Ende! Vorsichtig und mit leicht zitternden Armen kletterte ich über den Zaun. Möglichst ohne mir dabei den Schritt und das Bein aufzureißen an dem splittrigen Mistding! Mit einem dumpfen Geräusch kam ich auf dem Boden auf und sah mich um. Niemand hier. Ich huschte schnell über den Rasen. Da sie nur ein kleines Fenster nach hinten hinaus hatte, warum auch immer sie nicht in den Garten sehen wollte, konnte ich rennen. An der anderen Seite des Gartens stemmte ich mich wieder hoch, sah mich um und schwang mich wieder darüber. Und endlich war ich in Ninas Garten. Keiner hatte mich gesehen, soviel ich wusste. Ich ging zur Terrassentür und es war wirklich nicht abgeschlossen! Kurz bevor ich eintrat zupfte ich mir noch die groben Splitter aus den Handflächen.

Leise betrat ich das Wohnzimmer und zog mir sofort die Stiefel aus um keinen Dreck zu hinterlassen. Die Stiefel stellte ich allerdings innen ins Haus damit sie draußen keiner sah. Leise trat ich ein und ging durchs Haus. Ich hörte niemanden. Weder die Kleine, noch den Großen, noch das Gezeter Gregors. Plötzlich hörte ich das Klirren von Tellern. Leise ging ich zur Küche und sah hinein. Hastig nahm Nina einen Teller aus dem Geschirrspüler und wischte ihn trocken. Dann räumte sie ihn ein was ein leises Klirren verursachte. Vorsichtig schlich ich mich an, krempelte mir die die Ärmel zurück, schnappte mir ein herrenloses Tuch und schnappte mir einen Teller, bevor ich ihn abtrocknete. Nina wand sich vom Schrank, in den sie den Teller gestellt hatte, ab und zu mir. Sie zuckte zusammen, keuchte auf und wich zur Wand zurück. Ich grinste leise vor mich hin. „Verflucht Elena! Erschreck mich doch nicht so!", keuchte sie. Ich grinste breit und räumte den Teller ein. Ich sah Nina an und breitete meine Arme aus. „Willst du mich nicht erst mal begrüßen bevor du mich tadelst?", grinste ich. Sie verdrehte die Augen und sprang mir in die Arme. „Verdammt Elena! Kannst du nicht anklopfen oder dich irgendwie bemerkbar machen! Ich krieg noch den Herzinfarkt!", bemerkte sie. „Wage es ja nicht! Aber... ähm...", ich drückte sie leicht von mir und sah ihr in die Augen. Nun starrte auch sie ängstlich zu mir. Sie wusste, über was wir zu sprechen hatten. „Also... du... du hast also gegen mich ausgesagt. Das hab ich verdaut...", erklärte ich. „Und? Elena bitte, ohne dich kann ich nicht!", flehte sie. Ich nickte. „Ja. Und ich habe viel mit meinem Therapeuten und vor allem dessen Verlobten gesprochen. Sie stellte mir die Frage, wie ich an deiner Stelle gehandelt hätte... und... und in dem Moment... Ich konnte es ihr nicht sagen! Wie du hätte ich gehandelt! Wenn ich denn an deiner Stelle gestanden hätte. Ich weiß ehrlich gesagt auch nicht, wer von uns es besser hatte. Klar, du warst frei. Doch warst und bist an Gregor gebunden durch die Kinder! Und ich... ich musste im Endeffekt nur eine Auszeit nehmen. Aber um es auf den Punkt zu bringen, Nina... es ist okay. Ich verzeihe dir, dass du mir das Alibi nahmst. Ich verstehe es. Es ist okay für mich.", erklärte ich. Nina sah mich an. Ihre Augen röteten sich und sie fiel mir wieder um den Hals. „Danke! Elena ich liebe dich so sehr! Ich..." „Ssh... ich weiß, ich weiß. Ich liebe dich auch. Alles wird wieder gut! Ich schwöre es. Komm. Setz dich. Ich mach dir einen Tee.", meinte ich und hob sie problemlos hoch. Verdammt... Das war mir schon vorher aufgefallen. Nina war ja schon immer schlank gewesen aber jetzt war sie dürr! Aß sie überhaupt? Sanft setzte ich sie auf die Küchentheke und schaltete den Wasserkocher an. Ich nahm zwei Tassen heraus. „Pfefferminz?" „Gerne.", meinte sie und ich legte ihr den Teebeutel in die Tasse. Ich nahm mir einen schwarzen Tee. Während das Wasser wärmer wurde trat ich zu Nina. Ich stellte mich zwischen ihre Beine und sie legte ihre Arme um meine Schultern. „Schatz, wir werden wieder glücklich sein! Das schwöre ich dir. Weißt du, was mir passiert ist?", grinste ich. „Mmh... nein...", meinte sie. „Kleiner Tipp: Es ist ein riesen Glück für mich! Aber zuerst sollte ich dir erzählen, was ich heute früh gemacht habe.", begann ich. „Was denn?" „Auf Geheiß meines Anwalts habe ich ein Bewerbungsgespräch... oder eher war ich bei einer Firma. Ein Gespräch war das nicht." „Oh nein... der Personalchef hat gelesen, dass du im Knast warst und dich weg geschickt.", spekulierte sie. „Nein... ich habe mich nämlich bei der Firma Hagler beworben.", meinte ich. Sie starrte mich an. „Du hast WAS?" „Ja... angeblich soll das wichtig sein aber ich wurde nur angebrüllt und hab den Sohn meines ehemaligen Chefs zum Weinen gebracht..." „Oh." „Ja... Er hat mich dann recht schnell raus geschmissen. Aber angeblich war das so wichtig... für Infos und so... aber verflucht... ich fühl mich jetzt ganz schön beschissen... der Kerl hat wegen mir geheult.", brummte ich. „Elena...", Nina zog mich näher an sich so dass ich mein Gesicht an ihrer Schulter vergraben konnte. Ich sog ihren Duft ein. „Das wird schon wieder.", flüsterte Nina und hauchte mir einen Kuss auf den Kopf. Ich nickte und löste mich leicht aus ihrem Griff als ich hörte wie das Wasser kochte. Ich füllte das Wasser in die Tassen und flüchtete dann sofort wieder in die Arme meiner Geliebten. „Ich hoffe... Du weißt nichts von dem Mord von damals? Oder? Hat Gregor etwas erwähnt?", wollte ich wissen. „Nein! Ich weiß auch nicht... irgendwie bezweifel ich auch, dass Gregor deinen Chef ermordet hat. Er ist ja gut mit dessen Sohn befreundet!" „Ich weiß. Erwähnte er. Aber hauptsächlich hat er mich gefragt, wie ich es wagen kann ihm unter die Augen zu treten." „Elena... das tut mir so leid.", sie strich mir sanft durchs Haar. Ich schloss die Augen, lehnte mich an den warmen Körper Ninas und genoss die Ruhe, die sich in meinem Körper ausbreitete. Ihre zarten Finger die immer durch mein Haar strichen. Ihr ruhiger Atem und wie sich dabei ihre Schultern ganz leicht hoben und senkten. Ihr Geruch und ihre Wärme. Das alles beruhigte mich mehr als alles andere auf dieser Welt. Es war als gäbe es nichts anderes als uns auf dieser Welt. Nur Nina und mich. Nichts um das man sich sorgen musste. „Komm, Elena. So gern ich dich so nah bei mir hab... gehen wir auf die Couch. Ich lass die Rollos runter dann sieht uns niemand.", hauchte sie. Ich nickte und löste mich von ihr bevor Nina vorging. Ich nahm die Teebeutel aus den Tassen, ließ sie in der Spüle abtropfen und warf sie weg. Dann nahm ich die Tassen und folgte ihr ins Wohnzimmer.

Sechs Jahre die ich nie zurückbekommeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt