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Morgen war es soweit. Der Gerichtstermin. Ich hatte mir den Bau meines Hauses angesehen. Es nahm Gestalt an! Bis Anfang oder Mitte Herbst wäre es fertig, hatte ich mir sagen lassen. Das Wetter spielte mit und so lief alles etwas schneller. Ich hatte mir mein weißes Hemd rausgelegt... und mehrfach im Internet nachgesehen, wie man bügelte. Heutzutage gab es für alles ja Videos! Die Waschmaschine hatte ich mit Hilfe meiner Vermieterin in den Griff bekommen, die wohl mein Fluchen gehört hatte... Meine Klamotten für morgen waren fertig. Doch die Klamotten würde ich heute zu einem anderen Termin anziehen. Diese Kleidung hatte ich zuletzt bei unserer Verlobung getragen. Nach langem hin und her hatte mir Elias die Adresse seiner Großmutter gegeben. Und ich hatte einen fetten Strauß von rosanen Rosen geholt. Nina liebte die. Und hoffentlich auch noch mich.

Ich war nervös. Sehr nervös als ich durch den üppigen Garten trat. Ich klingelte und sofort hörte ich Bellen von innen. Ich hatte nichts gegen Hunde. Ich war ein Hundemensch. Die Tür ging auf und ich lächelte, als Lina öffnete. Zwei weiße aufgeregte Hunde zu ihren Füßen. „Elena!", strahlte sie und umarmte mich. Ich legte ebenso meinen Arm um die Kleine. „Hey, Kleine... wo ist denn deine Mutter?" „Die ist draußen bei Oma im Garten. Geh einfach rum ums Haus.", bat sie. Ich schluckte. „Kann ich das so einfach? Kommt das nicht komisch?" „NEIN! Und jetzt sieh zu dass du mit ihr redest!", hörte ich Elias von innen. Ich lächelte. „Zu Befehl, Großer.", lächelte ich und biss die Zähne zusammen, als ich mit klammen Schritten ums Haus ging.

„Ich dachte daran nächstes Jahr Tulpen da anzupflanzen. Oder Azaleen und da hinten etwas..." „Nina?", meldete ich mich und unterbrach so die ältere Frau, wohl Ninas Mutter. Nina, die daneben stand fuhr herum und ich lächelte sie schüchtern an. Ich versteckte mich halb hinter den Blumen. „Elena...", hauchte sie. Ich schluckte. „Nina ich... ich... ich wollte mich entschuldigen. Wirklich... für alles... dass ich dich so gepackt habe war wirklich nicht okay. Überhaupt nicht! Das war nicht ich, das weißt du! Und ich habe deinen Rat befolgt. Habe alles die Polizei regeln lassen. Ich hab sogar den Rasen im Garten gemäht. Abends bin ich nicht raus. Bin kein Risiko eingegangen! Und ich...", Nina trat zu mir und schob meine Hand mit den Blumen beiseite um mir in die Augen blicken zu kennen. Ich fürchtete mich vor ihrem Urteil. „Komm, gehen wir erst mal rein.", bat sie und ging voran. Ich schluckte. „Elena Reichau?", brummte die alte Dame. „J... Ja... Sie müssen Ninas Mutter sein." „Ja. Wir beide reden noch.", es klang wie eine Drohung und ich nickte, als ich Nina folgte.

Zitternd nippte ich am Kaffee, den uns Ninas Mutter hingestellt hatte. Ich sprach sie mit Frau Berger an. Da sie mir nicht zwingend wohlgesonnen schien... „Wie geht es dir, Elena?", wollte Nina wissen. Die Blumen hatte sie bereits in eine Vase gestellt. „Gut... naja... geht so. Also... so gut es mir eben ohne dich gehen kann... ich hatte viel Zeit zum Nachdenken... ich habe mit Hannah gesprochen... das Video hast du ja gesehen. Nina, ich sagte dir doch, ich habe dich NIE betrogen! Ich hätte gar nicht gekonnt! Ich liebe dich doch und..." „Ich weiß.", hauchte Nina und lächelte mich an. Ehrlich. „Herr... Herr Hagel hat mich gestern zu sich gerufen." „Hagel? Der Sohn von deinem Exchef? Dem Mordopfer?" „Genau... er hat gehört dass ich unschuldig bin. Die Beweise sind heute klar. Deutlich klarer als damals und deutlich klarer stehen sie für einen anderen als mich. Er hörte auch, dass Gregor mit ziemlicher Sicherheit der Hauptverdächtige ist. Er hat Gregor beurlaubt bis zur Verhandlung. Aber aktuell werden eben die Verhandlungen für den Mord erst wieder aufgenommen, wenn ich freigesprochen bin. Was ich morgen mit ziemlicher Sicherheit werde. Und Herr Hagel ist sich sicher, dass Gregor der Mörder ist. Zumindest eben der Schuldige. Die Beweise stehen ja auch alle gegen Gregor. Gregor wird seinen Job verlieren und...", ich lächelte Nina an. „Rate mal, wem er seine Stelle angeboten hat." „Elena! Du... du bekommst deinen alten Job wieder?" „Nein. Einen besseren! Und mehr Geld!", lächelte ich. Nina fiel mir um den Hals und ich hielt sie fest. Sog ihren Duft ein. Meine Nina... „Und bei Gericht? Wann ist es noch gleich? Morgen, oder?" „Ja...", bemerkte ich. Nina saß nun enger bei mir. Ihr Bein berührte meines und ihre Hände lagen in meinen. Es war so vertraut und nun nachdem ich einige Zeit von ihr getrennt war verstand ich erst, wie kostbar jede Sekunde mit ihr war. Und vor allem, wie sehr ich sie wirklich in meinem Leben brauchte. Ich brauchte sie nicht nur um glücklich in meinem Leben zu sein. Ich brauchte sie, damit mein Leben einen Sinn hatte. Ich brauchte sie zum leben wie die Luft zum Atmen. „Nina... wirst du morgen dabei sein?", hauchte ich. Nina legte ihre Hand an meine Wange. „Aber natürlich werde ich dort sein. Gar kein Zweifel. Wenn du mich dort haben willst." „Natürlich will ich das! Nina... ich...", sanft strich ich über den Ring an ihrem schlanken Finger. Zitternd atmete ich durch. Nina bemerkte es und drückte meine Hand fester. „Ich war schlimm. Ich weiß. Ich kann dir nicht versprechen, dass es nicht wieder schwere Situationen geben wird. Aber wenn dieses Gericht mich freigesprochen hat und das wird es natürlich... Dann wird niemals wieder etwas SO schlimm sein.", hauchte ich. Nina nickte. „Das weiß ich. Und ich liebe dich, Elena. Du darfst nicht denken, dass ich es nicht tue! Ich liebe dich. Ich habe nie damit aufgehört. Der Abstand tat mir gut. Und ich denke ich werde so bald nicht wieder bei dir einziehen. Das liegt aber weniger an dir als daran, dass ich wieder eine Beziehung zu meiner Mutter aufbauen will. Und ja. Auch zu meinem Vater. Aber das... ist eine Sache wenn er in zwei Wochen aus seinem Urlaub zurückkommt. Auch die Kinder sollen ihre Oma kennenlernen.", erklärte sie. Ich nickte. „Und... darf ich dich hin und wieder sehen? Dich und die Kinder?", hauchte ich. Nina nickte. „Natürlich darfst du das.", lächelte sie und strich mir über die Wange. „Wir müssen doch eine Hochzeit planen.", lächelte sie. Ich lachte auf und lehnte meine Stirn an ihre. „Nina, ich liebe dich so sehr.", lächelte ich. „Ich liebe dich auch, Elena.", hauchte sie und sah mir in die Augen. Ich stockte und sah in die ihren. So wunderschön glänzte das Blau darin, ehe sie ihre zarten Lippen auf meine legte. Genüsslich erwiderte ich ihren Kuss. Meine Nina. Wie sehr ich doch diese Frau in meinem Leben brauchte.

Nina und ich redeten und redeten. Und ich war so glücklich. Denn Nina blieb bei mir. Sie brachte gerade die Kinder ins Bett. Ich brachte das Geschirr in die Küche. „Elena Reichau.", hörte ich und stockte. Ich drehte mich um und lächelte Ninas Mutter an. „Guten Abend, Frau Berger. Wir sind uns noch nicht offiziell vorgestellt worden. Nun... besser spät als nie.", brachte ich all meinen Charme auf und reichte ihr meine Hand. Überrascht nahm sie diese an. „Sie haben eine wundervolle Tochter. Und ganz wundervolle Enkelkinder.", lächelte ich. „J... Ja..." „Ich freue mich wirklich sehr, dass Sie sich nun wieder mit Ihrer Tochter vertragen. Nennen Sie mich altmodisch, aber es ist mir wichtig, dass die Eltern bei der Hochzeit dabei sind. Meine können leider nicht mehr da sein." „Wie das?" „Sie sind tot. Schon seit vielen Jahren... nicht einmal Nina kannte sie mehr...", erklärte ich. „Oh... das tut mir leid." „Ach... es ist lange genug her. Wann darf ich denn Herrn Berger kennen lernen?" „Mathias ist im Moment in Norwegen angeln..." „Ohne Sie?" „Ja, Norwegen, Kälte, Nässe. Gar nicht meines.", lächelte sie. „Nicht? Ich war vor zwölf Jahren mal in Island. Mein erster Urlaub vom eigenen Gehalt. Alle meine Bekannten flogen nach Mallorca an den Strand und ich machte Wanderungen durch Island.", lächelte ich. „Island? Ist es dort nicht furchtbar kalt?" „Naja... mit Pullovern überlebt man es. Aber das Land selbst, wild und unberührt. Wunderschön. Ich kann es nur absolut empfehlen.", erklärte ich. „Nein, danke. Da bleibe ich lieber zuhause bei der Heizung.", bemerkte sie. „Mmmh... vielleicht bringe ich mal die alten Fotos mit.", grinste ich. „Ja. Das wäre doch schön. Kennen die Kinder die schon?" „Mmh... Nein, tatsächlich noch nicht.", bemerkte ich. „Dann freue ich mich auf einen baldigen Abend. Elias und Lina werden sich freuen und ich mich auch.", lächelte sie. Ich grinste breit. Sie schien mich zu mögen.

Sechs Jahre die ich nie zurückbekommeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt