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Ich nickte schon beinahe weg als ich sie sah. Beinahe erkannte ich sie nicht. Ich hatte sie bisher ja nur in der Gefängniskleidung gesehen. Ich stieg aus. Mittlerweile hatte starker Regen eingesetzt. Hannah trug nur eine Jeansjacke und schlug den Kragen hoch. Ich stieg aus und folgte ihr. Sie bemerkte mich nicht. Hier in der Großstadt waren ja überall Leute. Ich ging einen Schritt schneller als sie, bis ich nur noch einen Meter hinter ihr war. Sie sah gerade halb über ihre Schulter, da sie mich wohl fast bemerkt hatte. „Hannah. Wie ich sehe bist du wieder frei.", bemerkte ich. Sie fuhr herum und starrte mich an. „Elena... oh... oh du bist... bist ja hier! Wie hat es dich mach München verschlagen?", stotterte sie und taumelte rückwärts von mir zurück. Hannah hatte, anders als Nina, mich schon einmal wirklich wütend erlebt. Auch, wenn meine Wut sich nicht gegen sie gerichtet hatte. Ich hatte nicht alle Kämpfe gegen Denise verloren. Einst war ich eine andere. Eine, die sich gern mal betrank und sich prügelte. Und das nicht nur gegen die kleinen schmächtigen Jungs, die aufmucken wollten. Auch gegen die großen, die gerne vergangenen Diktatoren nachweinten. „Ach, diese und jene Angelegenheit. Hannah, wie lange bist du denn schon draußen? Was hast du so getrieben?", wollte ich wissen. Ich kannte Hannah. Sechs Jahre hatten wir dicht an dicht gelebt! Und nichts fürchtete sie mehr, als freundliche Worte in denen die blanke Wut klang. Und genau so sprach ich. Meine Worte sagten noch nichts. Doch mein Ton zeigte meine Absicht. „Ähm... also... gar noch nicht lange... zwei Wochen oder so... bin... bin auf Bewährung... hab... hab hier Arbeit und eine Wohnung und..." „Eine Wohnung? Wo denn?", lächelte ich. „Ähm... in der Berliner Straße..." „Ach? Bekommt man so viel Gehalt hier? Hörte München ist teuer. Woher so viel Geld?" „Mein... mein Chef ist großzügig und..." „Großzügigkeit? Ein seltener Charakterzug." „Naja er... also..." „Darf ich dich denn auf einen Drink zum Feierabend einladen? Der alten Zeiten wegen.", lächelte ich. „Ähm... nein du ich... Elena, ich muss gleich heim und..." „Jetzt schon? Wartet jemand? Auf mich wartet nämlich keiner.", knurrte ich und starrte sie wutentbrannt an. Hannah schluckte. „Keiner wartet auf mich. Und weißt du auch wieso?", meine Wut konnte ich nicht mehr kontrollieren. Hannah sah es mir an. Taumelte rücklings von mir davon. „Nicht? Ich dachte... also... naja ich... also ich denke... ich... du ich glaub ich hab daheim das Licht angelassen... ich muss dann mal...", gerade als sie rennen wollte machte ich einen Satz nach vorne und packte sie am Kragen. „Nirgends gehst du hin!", knurrte ich und zerrte sie in eine Seitengasse. Grob stieß ich sie hinein. „Ich schrei um Hilfe!" „Trau dich. Ich kenne dich doch, Hannah. Wenn die Polizei kommt, wie viel Crystal werden sie in deinen Taschen finden? Ein Nebenjob ist dir nicht genug." „Ich habe mich geändert!" „Ja. Mit dieser Absicht kenne ich dich. Aber ich kenne auch deinen Wunsch nach Luxus. Gerade jetzt nach dem Gefängnis. Nicht wahr? Wie viel ist aktuell der Marktpreis?" „Für dich, Elena... Freundschaftspreis! Ach was... da...", sie griff in ihre Tasche und reichte mir panisch ein Tütchen mit weißen Kristallen darin. „Nicht nötig. Ich will was anderes von dir.", erklärte ich und sie bemerkte gar nicht, wie sie unbewusst zurückging während ich auf sie zu ging. Mit einem Ruck stieß ich sie in eine Ecke, hinter Mülltonnen weg von der Straße. „Antworte mir sofort! Wieso gehst du zu Nina und behauptest, wir hätten was miteinander?", knurrte ich. „Elena... komm schon... du... also... sei mir nicht böse, okay?", lächelte sie. Ich starrte sie an und sie zuckte allein bei meinem Blick zusammen. „Nicht böse? Wie könnte ich nicht böse sein? Ich habe sechs lange Jahre auf eine weitere Chance bei dieser Frau gewartet! Und dann erhalte ich sie... und sie... Nina, geht auf mich ein! Will mich zurück! WIR HABEN UNS VERLOBT! Aber dann kommst du... ruinierst mein Leben! Hannah, wieso tust du mir das an? Wie viele Schläge habe ich für dich eingesteckt? Wie oft habe ich dich vor Denise beschützt?", brüllte ich. „Elena, nimm es nicht persönlich. Persönlich bist du mir sehr sympathisch. Das war wirklich rein geschäftlich!" „Geh zu Nina und sage ihr, dass ich NIE etwas mit dir hatte! Und dir NIE dergleichen versprochen habe!" „Nein!" „Wieso nicht? Es ist doch die Wahrheit!", knurrte ich. „Ja. Wir hatten zwar nie was miteinander und haben nichts miteinander und SO betrunken kann ich gar nicht sein dass wir mal was miteinander haben könnten aber... ich kann das nicht zurücknehmen." „Wieso nicht? Sag Nina die Wahrheit! Dass wir niemals etwas miteinander hatten! Dass ich ihr immer treu war!" „Nein! Ich habe doch das Geld schon ausgegeben!", erklärte sie. Ich stockte. „Du... du hast mich für Geld verraten?" „Nein... also ja also... Verrat... mein Gott... ich sollte deiner Freundin eben sagen, dass wir ein Paar sind und das ganze... ach der ganze Mist war gescriptet. Ich hab ihn nur einmal getroffen... er gab mir das Script, das sollte ich lernen und ihr das erzählen. Und einen Batzen Geld. Aber nicht nur so ein bisschen. Ernsthaft, Elena. Einen richtig, richtig fetten Batzen Kohle." „Was? Wer?" „Boah... der Name... ach verflucht ich bin so schlecht darin mir Namen zu merken..." „Hannah, verarsch mich und ich vergesse mich!", knurrte ich. „Hey, hey! Ganz ruhig, Elena... also... ähm... naja... ich... den Namen weiß ich echt nicht er... er... Er war groß! 1,80m groß schätz ich... Knapp über 40 würd ich sagen... er war dick. Hatte breite Schultern und sah kräftig aus. Er hatte schwarze kurze Haare und braune Augen...", beschrieb sie wie erwartet Gregor. „Gregor Bauer.", knurrte ich. „Hä? Nein. DEM hät ich nicht mal für Geld geholfen. Patrick! Patrick sagte er! Patrick Zießelmeier!", stotterte sie. „Und wenn er sich so genannt hat... polternde Stimme?" „Oh ja..." „Das war Gregor!" „Oh... tut... das tut mir echt leid." „ES TUT DIR...", ich stockte und atmete tief durch um mich runter zu bekommen. „Gut... also... Du hast also vom baldigen Exmann meiner Verlobten Geld bekommen dafür, dass du Nina das alles erzählst." „J... Ja... scheiße, Elena ich wusste nicht, dass das DER Gregor war... ich hät ihm nicht geholfen!" „Ach? Aber einem Fremden? Das Ergebnis, liebe Hannah, ist gleich! Nina hat mich verlassen.", zischte ich. „Oh... das tut mir leid... aber hey, meine Tante sagte immer, wenn Gott eine Tür schließt öffnet er ein Fenster und..." „Hannah...", knurrte ich und atmete tief durch. Ich trat beiseite. „Sieh zu, dass du weiter kommst.", knurrte ich. „Elena, das tut mir echt leid." „Wie viel? Für wie viel Geld hast du die Verraten, die im Gefängnis sechs Jahre lang als EINZIGE zu dir stand?", knurrte ich. „5000 Euro..." „FÜR 5000...", ich zügelte mich. Atmete tief durch. „Hannah... ich bin gerade so unglaublich wütend auf dich... sieh zu, dass du weiter kommst. Ruf von mir aus auch gleich mal Nina an und sage ihr die VERDAMMTE Wahrheit...", knurrte ich. „Elena..." „GEH!", brüllte ich und sie huschte an mir vorbei. Ich blieb noch eine Weile stehen. Strich mir das Haar aus dem Gesicht und beruhigte mich langsam. Ich zog mein Handy und stoppte die Aufnahme. Knapp 10 Minuten. Ich schickte es gleich Nina und ging zu meinem Auto. Heim und mich waschen. Ich mochte die Großstadt nicht. Und gerade täte mir eine kalte Dusche gut um runter zu kommen.


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Hi!
Kurze Info: 
Morgen gibt es eine Lesenacht :D
Ich denke ab 18 Uhr.

Sechs Jahre die ich nie zurückbekommeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt