Ich war froh kurze Haare zu haben, sonst wären die schon reingezogen worden. „HALT!", hörte ich. „Fuck!", ein Schuss und Gregor ließ mich los. Mit einem Ruck drehte er noch am Rad und ich zog schnell meinen Kopf raus, ehe sich die Schraube in meinen Schädel bohren konnte. Gott sei Dank hatte diese Maschine eine Menge Spiel und somit musste man erst mal einen Zentimeter am Rad drehen, ehe sich das Werkstück bewegte. „Waffe sicher!", hörte ich und sah auf. Zwei Polizisten standen mit gezückter Waffe bei Gregor. Der eine griff sich grade die Pistole. Er zog das Magazin raus und löste die Kugel aus dem Lauf. Gregor humpelte so weit er konnte. Sein Bein blutete. „Fickt euch!", brüllte er. Ich sah sie kaum. Ich hörte nur meinen viel zu schnellen Herzschlag. Spürte mein Blut durch meine Adern pumpen und drehte mich zur Drehmaschine um. Wie in Trance, als hätte ich gerade meine Arbeit beendet, schaltete ich die Maschine aus und klappte die leere Plexiglashalterung rauf. Dann begann ich die Schraube auszuspannen. Aus dem Augenwinkel sah ich, wie die Polizisten Gregor in die Ecke drängten und ihn zu Boden rangen. Ihm Handschellen anlegten und auf den Boden drückten, während einer in sein Funkgerät sprach. Ich sah mich um. Ich hörte nur das klopfen meines Herzens. Einer der Polizisten kam auf mich zu. Er sagte etwas zu mir. Ich hörte ihn nicht. Er sah mich fragend an und ich hob abwehrend die Hand, ehe ich einen weiteren Schritt in Richtung Ausgang machte. Punkte tanzten vor meinen Augen und nahmen immer mehr meine Sicht ein. Ich klammerte mich an einen Tisch im Vorbeigehen und stolperte. Ich spürte, wie der Polizist mich wohl festhielt, denn ich knallte nicht direkt auf den Boden. Dann wurde mir schwarz vor Augen.
„Alles gut. Nur eine kurze Bewusstlosigkeit.", hörte ich und richtete mich auf. Jemand half mir und ich sah den Polizisten an. „Alles gut?", lächelte er. Ich nickte. „Was war los?" „Sie waren kurz ohnmächtig. Das ist nichts Ungewöhnliches. Es war nicht lang. Vielleicht eine Minute.", bemerkte er. Ich nickte und er half mir mich auf einen Stuhl zu setzen. Ebenso reichte er mir eine Flasche Wasser, welche ich dankend annahm. Mittlerweile war die Werkstatt hell erleuchtet. „Wo ist Gregor?" „Im Streifenwagen. Mein Kollege wird ihn wegbringen, sobald Verstärkung hier ist. Ein Krankenwagen ist bereits auf dem Weg.", bemerkte er. „Ach, ich brauche kei..." „Das ist Routine. Und ich denke schon.", lächelte er. Ich nickte. „Scheiße...", hauchte ich. „Ja... das war dann wohl der flüchtige Gregor Bauer. Und Sie sind Elena Reichau?" „Ja... Woher..." „Ihr Ausweis ist in Ihrer Jacke. In seiner fanden wir den seinen. Herr Bauer ist seit mehreren Stunden flüchtig gewesen. Eigentlich hätte er in Untersuchungshaft gesollt bis zu seinem Prozess... er floh." „Ja... Ihm steht auch ein Schuldspruch bevor...", brummte ich. „Soll ich jemanden informieren?" „Ja... meine Verlobte Nina Berger... aber ich mach das schon.", bat ich. „Ich fürchte Ihnen bleibt die Zeit nicht.", lächelte er als wir den Krankenwagen hörten. Ich nickte. „Gut...", ich seufzte und reichte dem Beamten mein Handy, damit er ihre Nummer hatte.
Man bracht Gregor zur Polizeistation und von da aus so viel ich hörte in Untersuchungshaft. Dort würde er bis zu seinem Prozess bleiben. Seine Schuld war bereits klar. Der Prozess war reine Formsache. Und Gregor hatte das gewusst. Mich hatte man ins Krankenhaus gebracht und ich wurde untersucht. Mir ging es soweit gut. Ausruhen sollte ich mich und nicht mehr selbst fahren. Der Schock saß noch tief in meine Gliedern. Zum Glück hatte eine Anwohnerin die Polizei gerufen, da sie Licht in der doch bereits geschlossenen Halle gesehen hatte. Die Polizisten hatten nur nachgesehen und die offene Tür bemerkt. Mein Chef war nicht an sein Handy gegangen, was mein Glück war. Denn der hätte ihnen wohl gesagt, dass ich drin war um zuzusperren und die Polizisten wären gegangen. Sie waren in die Werkstatt gegangen und hatten Gregor mit der Waffe gesehen. Und mich mit dem Kopf in der Drehmaschine. „Elena!", hörte ich und sah auf, als Nina über den Flur rannte. Ich stand auf und breitete meine Arme aus. Sofort fiel sie mir um den Hals und drückte mich eng ans ich. „Elena, geht es dir gut? Oh Gott... der Polizist hat mir alles erzählt! Oh Gott der Mistkerl hätte dich fast... Meine Elena... er wollte dich umbringen...", schluchzte sie. „Sssh...", hauchte ich und strich über ihren Rücken. „Alles gut.", hauchte ich. „Gott sei Dank... Elena... wenn du gestorben wärst... Oh Gott...", weinte sie und sie zitterte am ganzen Leib. „Aber ich lebe. Ich bin hier. Für dich und die Kinder.", hauchte ich. „Elena...", sie zog mich zu sich und presste ihre Lippe auf meine. So viel Angst und Schock lag in ihrem Kuss. Salzig schmeckte er, von den Tränen meiner Verlobten. Ich hielt sie fest. „Elena... schlaf doch heute bei uns. Meine Mutter hat sicher nichts dagegen unter den Umständen. Und ich will dich heute Nacht nicht allein lassen.", bat sie. Ich nickte. „Gerne... aber du musst fahren... ich darf nicht wegen dem Schock.", lächelte ich. „Natürlich.", versicherte Nina und hielt meine Hand, so fest als müsste sie mich vor einem Klippensturz bewahren.
Die nächsten Tage verbrachte ich mit Nina und den Kindern. Die Nahtoderfahrung trieb mir das Wissen ins Gedächtnis, dass jeder Moment mit ihnen kostbarer war als jeder Schatz der Erde. Dass meine Familie alles für mich war. Dass diese Frau und diese Kinder nun meine Familie waren. Meine baldige Schwiegermutter schien es mir anzusehen. Hier und da war sie mir noch skeptisch gegenüber. Doch half ich ihr oft im Garten, da ich schwer tragen konnte. Und ich half ihr ihren Gusseisernen Zaun zu reparieren. Ebenso sah sie uns oft zu, wenn ich und Nina von einem Spaziergang zurück kam. Ich hatte gehört wie sie zu Nina gesagt hatte, dass sie die Vertrautheit und Liebe in meinem Blick sah und dass sie sich sehr für Nina freute jemanden zu heiraten, der sie so sehr liebte. Schwierig wurde es erst als Ninas Vater heim kam. Doch auch seine Wut verblasste schnell als er Gregors Taten hörte und wer seine Tochter aus Gregors Fängen geholt hatte. Er testete mich. Er war der festen Überzeugung, dass ein Haushalte ohne einen Mann im Haus nicht funktionieren konnte. Ich bestand all seine Tests. Sei es Holz spalten oder das Reparieren eines Autos. Selbst an Stellen, an denen er kurz davor war sein Auto in die Werkstatt zu fahren brachte ich es zum Laufen. Und irgendwann, ungefähr ein halbes Jahr später, hatte mein baldiger Schwiegervater mich lieb gewonnen. Ebenso wie meine baldige Schwiegermutter. Und mein Haus wurde auch fertig. Zu Gregors Verhandlung kam ich nicht. Der Prozess dauerte lange mit ihm. Die Öffentlichkeit und die Presse stürzte sich darauf wie Geier auf ein totes Tier. Aber Gregor scherte mich nicht mehr. Ich musste nur meine Aussage wegen versuchten Mordes an mir abgeben. Und das war auch das einzige Mal, dass ich in der Verhandlung war. Für meine Aussage. An dem Tag war allerdings nur Gregors Anwalt anwesend, nicht er selbst. Es scherte mich nicht. Ich brach nur am Tisch in schallendes Gelächter aus, als ich es in der Zeitung las. Gregor Bauer... verurteilt wegen Anstiftung zum Mord und versuchten Mordes. Er bekam eine lebenslange Freiheitsstrafe. Was so viel bedeutete wie eine Zeit im Knast ohne bestimmtes Ende. Da er es geplant hatte und das alles noch Nina und den Kindern angetan hatte stellte man eine besondere Schwere der Schuld fest. Und DAS bedeutete, dass er sicher nicht unter 15 Jahren raus kam.
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Sechs Jahre die ich nie zurückbekomme
Roman d'amourMein Name ist Elena Reichau. Ich saß jetzt sechs Jahre im Gefängnis. Mir wurde vorgeworfen Wirtschaftsspionage betrieben zu haben und als mich mein damaliger Chef erwischte, soll ich ihn erschossen haben. Lächerlich. Ich bin aufbrausend und kann wüt...