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Es war bereits Abend als ich die Tür aufschloss und hinein trat. „Bin wieder zuhause!", rief ich und sofort trat Nina zu mir. „Elena!", sie warf sich in meine Arme. „Hast du eine Ahnung, was ich mir für Sorgen gemacht habe?", wollte sie wissen. Ich lächelte. „Weil ich einen krebskranken Mann besucht habe? Ganz ruhig. Es ist nichts passiert. Er war sehr freundlich und hat uns einiges erzählt.", lächelte ich. Nina löste sich. „Na dann... dann sag! Was hat er alles erzählt?", wollte sie wissen. Ich lächelte. „Jetzt lass mich doch erst einmal heimkommen. Geh doch schon mal in die Küche. Da reden wir.", bat ich. Sie nickte und ging voraus. Ich zog mir schnell die Jacke und Schuhe aus, ehe ich ihr folgte.

„Und er will wirklich aussagen?", keuchte sie, als ich fertig mit meiner Erzählung war. „Das will er.", grinste ich. „Elena!", Nina fiel mir um den Hals und ich hielt sie fest. „Das ist wundervoll...", hauchte sie. Sanft strich ich ihr durchs Haar. „Ja. Bald haben wir es geschafft. Mein Anwalt wird jetzt wohl schon die Anzeige abgeschickt haben. Wir werden Gregor wegen Mordes schuldig sprechen... oder eben zur Anstiftung zum Mord. Mein Anwalt meinte, das gibt 15 Jahre, wenn keine besondere Schwere der Schuld vorliegt und kein besonders verwerflicher Grund. Also zum Beispiel... wenn der Chef eben dir oder ihm gedroht hätte. Hat er aber nicht. Es IST eine besondere Schwere der Schuld, da es ein besonders verwerflicher Grund ist. Der Chef war ein unschuldiger Mann, den er hingerichtet hat um uns auseinander zu bringen. Damit wird er mit Sicherheit 18 oder 19 Jahre kriegen. Vielleicht macht der Richter auch die 20 voll. Das würde mir passen... mich hat er sechs Jahre versauern lassen... ich will ihn dreimal so lang sitzen sehen!", grinste ich. Sie nickte. „Es wäre mir lieb, wenn er mir nie, nie, nie wieder begegnet... und auch den Kindern nicht." „Wie geht es ihnen?" „Elias hat noch ein paar blaue Flecken. Ansonsten... du sollst bei Lina im Zimmer nachsehen, wenn du wieder da bist. Das hat sie mir zumindest so gesagt.", erklärte Nina. Ich nickte. „Dann mache ich das gleich. Ich war den ganzen Tag unterwegs und bin hundemüde. Ich geh dann gleich ins Bett. Okay?" „Ja, ja. Ich geh auch gleich. Ich räume nur noch schnell die Spülmaschine aus. Geh du rauf zu Lina.", bat sie und hauchte mir einen Kuss auf die Wange, bevor ich ging.

„Lina? Schläfst du schon?", lächelte ich als ich eintrat. Sofort ging das Licht an und Lina sah mich aus dem Bett heraus an. „Elena, wie war es?", wollte sie wissen. „Interessant." „Wen hast du getroffen?" „Einen interessanten Mann. Der hat mir ganz viel wichtige Sachen erzählt. Aber dir wäre das wohl zu langweilig. Ich sollte zu dir kommen?", ich trat zu ihr und setzte mich zu ihr auf die Bettkante. Sofort kuschelte sie sich an mich und ich legte meine Hand auf die Schulter des Mädchens. „Ja! Liest du mir was vor?", wollte sie wissen. „Bist du nicht etwas zu alt dafür?" „BIIIIIIITTE! Du hast mir seit Jahren nichts mehr vorgelesen! Bitte, Elena!", bat sie. „Naja gut...", gab ich klein bei obwohl ich verdammt müde war. Wie könnte ich nein zu ihr sagen? Sie hatte nun einmal die Augen ihrer Mutter... Und eine unglaubliche Ausdauer was das Betteln anging... „Und was soll ich dir vorlesen?", wollte ich wissen. „Elias hat mir neulich aus einem Buch vorgelesen, das liest er mit der Schule! Da liegt es!", bat sie. Ich stand auf und ging zu dem Tisch auf den sie deutete. Mit einem lächeln sah ich auf das Cover mit der alten Stadt und der Zeichnung eines Jungen mit Flügeln darauf. „Bist du denn nicht etwas zu jung für dieses Buch?", lächelte ich. „NEIN! Bitte, Elena!", bat sie. Ich seufzte. „Naja gut. Wo bist du denn?", wollte ich wissen. „Das dritte Jahr! Ein Ring von Haar!", erklärte sie. „So weit schon?", wollte ich wissen und schlug das drittletzte Kapitel auf. „Ja... Elias ist langsamer. Ich lese einfach immer, wenn er das Buch gerade nicht hat.", lächelte sie und ich stellte mir die Lampe richtig ein. Lina vergrub sich in ihrer Decke. Ich räusperte mich. „Ein Ring von Haar. Krabat hatte im Sommer ein paarmal von seinem Vorrecht Gebrauch gemacht und war über Sonntag ausgegangen: weniger zum Vergnügen als wegen des Meisters, damit er ihm keinen Anlass zu weiterem Argwohn bot. Dennoch wurde er den Verdacht nicht los, dass der Müller es nach wie vor darauf anlegte, ihn aufs Eis zu führen.", las ich.

Er hielt es für klüger, jetzt heimzugehen, zurück in den Koselbruch. Die Kantorka würde es schon verstehen, wenn er sie jetzt allein ließ. Er lüpfte zum Abschied die Mütze: da spürte er etwas Warmes auf seinem Kopf, etwas Weiches. „Lobosch!", entsann er sich. Krabat knüpfte die Zipfel des Brottuchs kreuzweise übereinander. Dann stopfte er an den verlassenen Tischen Streuselkuchen hinein und Kolatschen, bis es prall und voll war.", ich sah auf als das Kapitel zu Ende war. Lina lächelte. „Danke.", lächelte sie und ich strich ihr durchs Haar. „Gerne. Aber jetzt schlaf. Es ist schon spät.", lächelte ich und schaltete das Licht aus. „Elena?" „Ja?" „Was ist Kolatschen?", wollte sie wissen. „Ein Kuchen." „Können wir den mal machen?", wollte sie wissen. Ich lachte auf. „Gerne. Ich suche morgen gleich mal ein Rezept raus.", lächelte ich und ging.

Nina lag bereits im Bett als ich zu ihr trat. Ich zog mich schnell um und schlüpfte zu ihr unter die Decke. „Was wirst du nun tun, Elena?", wollte sie wissen. „Warten, was der Anwalt sagt. Ich gehe davon aus, dass wir nächste Woche bereits einige Termine haben. Aber heute und Morgen wird wohl Ruhe sein. Ach und morgen backen ich und Lina Kolatschen. Einen Kuchen.", erklärte ich. „Brennt mir nur bitte nicht die Küche ab!", bat sie und kuschelte sich eng an mich. „Mach ich schon nicht.", grinste ich und hauchte ihr einen Kuss auf die Stirn ehe ich die Augen schloss. Die lange Fahrt hatte mich erschöpft.

Sechs Jahre die ich nie zurückbekommeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt