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Voll Sorge lag ich unten am Sofa. Ich hatte nie mit Hannah geschlafen! Nie! Ich setzte mich auf und wählte die Nummer meines Anwalts. Natürlich ging die Mailbox ran. Es war ja mitten in der Nacht. Verflucht! Ich stand auf und schnappte mir meine Jacke, ehe ich raus in den Garten ging. Auf dem Weg schnappte ich mir noch ein Bier und öffnete es. So saß ich draußen und trank etwas. Die Nacht war sternenklar. Verdammt... seit wann glaubte sie mir nicht mehr? Aber ich verstand sie schon. Gregor hatte sie Jahrelang belogen und betrogen. Sie dachte, es läge an ihr. Sie würde alle Lügner und Betrüger anziehen. Aber zu ihr war ich immer ehrlich. Es gab Zeiten, da hätte ich einer Frau das Blaue vom Himmel herunter gelogen um mit ihr in den Federn zu landen... Aber nicht Nina. Nina würde ich nie so belügen. Ich wollte sie heiraten! Aber sie... wohl nicht mehr so wirklich. Aber verdammt... wieso log Hannah? Wie könnte ich sie finden und sie zur Rede stellen? Mein Handy klingelte und ich ging ran. „Reichau, hallo?", brummte ich. „Elena, du hast angerufen? Wieso, es ist mitten in der Nacht!", bemerkte er. „Ja... Nina und ich hatten einen Streit... anscheinend ist meine früher Zellengenossin Hannah Turner frei gekommen und hat Nina erzählt, dass wir eine Beziehung im Gefängnis hatten." „Hattet ihr?" „NEIN! Nein... wirklich nicht.", versicherte ich. „Und wieso erzählt sie das dann? Ist sie wütend auf dich?" „Nein! Kein Stück... wir habe uns immer gut vertragen. Wir hatten 2015 einen einzigen Kuss aber... wir gingen sofort auseinander und versicherten beide, das es nur im Affekt war. Ich habe es Nina auch schon erzählt... wohl zu spät.", seufzte ich. „Was? Wieso glaubt Nina das?" „Weil sie keinen Grund kennt, den Hannah haben könnte zu lügen. Und ganz ehrlich? Ich kenne auch keinen. Ich habe sogar selbst noch einmal genau darüber nachgedacht, ob ich mir nicht nur eingebildet habe zurückgetreten zu sein. Ich habe ernsthaft darüber nachgedacht, ob ich nicht doch mit ihr geschlafen habe. Aber das habe ich nicht!" „Naja... diese Hannah wird es doch aufklären können." „Ich will sie ja zur Rede stellen. Aber ich weiß nicht wo sie im Augenblick ist!", erklärte ich. „Mmh... Du, Elena, ich kenne da einen Privatdetektiv. Ich gebe dir seine Nummer. Die schick ich dir gleich per SMS. Aber ruf ihn erst morgen an. Der wird schlafen... oder arbeiten. Ruf ihn morgen gegen 10 an.", bat er. „Gut... aber was mache ich denn jetzt? Ich hab Angst, dass ich morgen aufwache, allein im Haus bin und Ninas Ring daliegt!", erklärte ich. „Mmh... gute Frage... in Beziehungsfragen bin ich jetzt auch kein Experte... Rede doch noch einmal mit ihr! Meine Mutter hat immer gesagt, man soll nie wütend aufeinander ins Bett gehen. Das ist Gift für die Beziehung." „Soll ich sie jetzt wecken?", wollte ich wissen. „Vielleicht..." „Ich bin mir nicht sicher, ob das so klug ist..." „Ich weiß auch nichts besseres! Aber ich denke Nina liebt dich natürlich noch. Sie ist nur verletzt...", bemerkte er. „Na gut... ich versuche es noch einmal.", ich seufzte. „Gut. Dann wünsch ich dir viel Glück und hoffentlich noch eine gute Nacht.", verabschiedete er sich. „Danke. Dir auch noch eine gute Nacht.", murmelte ich und legte auf.

Vorsichtig klopfte ich an die Schlafzimmertür. Keine Antwort. Langsam öffnete ich die Tür und trat ein. Nina lag in der Decke eingewickelt da. Sie schlief nicht. Sie zitterte leicht und immer wieder schüttelte lautloses Schluchzen ihren Körper. „Nina? Bist du wach?", wollte ich der Höflichkeit halber wissen. „Geh weg!", wimmerte sie. „Nein. Nina, ich habe dich nicht betrogen. Ich hätte es dir erzählt. Hätte ich wirklich. Ich weiß nicht, wieso Hannah lügt. Aber sie tut es. Wir haben uns immer vertragen, Hannah und ich. Darum bin ich genauso überrascht wie du, dass sie so einen Mist über mich erzählt. Ich kenne dich. Du wärst mir nicht böse, wenn ich mit ihr geschlafen hätte. Ich hätte es dir nur sagen müssen. Die Lüge ist es, die dich so verletzt. Ich kann mir vorstellen, was du denkst. Rein logisch betrachten muss ich ja gelogen haben. Entweder habe ich mit ihr was gehabt und dir verschwiegen, oder wir haben uns gestritten und sie will mir mit dieser Geschichte schaden. So oder so scheint es absolut unmöglich, dass sie mir mit so einer Lüge schadet, wenn wir uns doch vertragen haben. Aber sie tut es. Nina, ich weiß nicht wieso, sie so lügt. Aber sie tut es. Bitte, Nina. Ich war immer aufrichtig zu dir!", schwor ich und trat langsam näher. Vorsichtig stieg ich ins Bett und ging auf Knien näher an meine Verlobte. Sanft strich ich ihre Schulter entlang. „Ich liebe dich doch. Seit wir uns kennen liebe ich dich. Ich würde unsere Beziehung niemals mit so etwas aufs Spiel setzen. Niemals.", schwor ich ihr und beugte mich runter, um ihr einen Kuss auf die Wange zu hauchen. Tränen waren daran getrocknet. Sanft strich ich darüber und küsste sie erneut. Vorsichtig beugte ich mich vor um meine Lippen auf ihren zu legen. Nach wie vor rührte sie sich nicht. Unwillentlich schien sie meine Berührungen zu genießen. „Nina, bitte... ich weiß, du könntest mich im Moment erschlagen aber... ich liebe dich doch.", hauchte ich und küsste ihren Hals um mich an einem empfindlichen Punkt festzusaugen. Ich wollte nur eine Reaktion von ihr! „Bitte... Meine geliebte Nina.", hauchte ich und strich unter der Decke über ihren Bauch hinab. „Geh weg!", hauchte Nina. „Bitte... sei mir nicht böse. Ich schwöre ich..." „Nimm deine Finger von mir...", knurrte sie. „Nina... lass mich doch... ich sage die Wahrheit. Bitte... ich liebe dich.", schwor ich und ließ meine Hand unter ihr Shirt wandern um dort über die warme Haut an ihrem Bauch zu fahren. Nina sprang auf und erschrocken starrte ich sie an. „Nimm deine Pfoten von mir! Fass mich nicht an!", knurrte sie. Ich stand ebenso auf. „Nina, ich habe das alles nicht getan! Ich bin unschuldig!" „Unschuldig, unschuldig, ich kann es nicht mehr hören! Du MUSST gelogen haben! Nicht einmal du kannst dir einen Grund ausdenken, wegen dem sie gelogen haben könnte!" „Ich weiß... aber..." „Kein Aber! Ich will es nicht mehr hören! Sieh zu, dass du wieder runter aufs Sofa kommst!" „Nina bitte ich..." „Nein! Ich will es nicht mehr hören! Ich ertrage das langsam nicht mehr. Du erwartest, dass ich das alles hinnehme. Dass ich Gregor einfach verlasse, mein Haus verlasse und zu dir gehe. Das habe ich alles getan. Ich habe bei Nacht und Nebel meinen Mann verlassen und meine Kinder mitgenommen. Sie ins Ungewisse geschickt. Habe bei einem völlig Fremden geschlafen und bin dir immer gefolgt! Habe dir vertraut, als du mir ein Haus aus dem Nichts versprochen hast. Ja, das hast du zwar alles geschafft, aber hast du eine Ahnung, wie ich mich dabei fühle? Dass ich auch Angst habe. Du, du kannst ja verschwinden wann du willst. Ich muss meine Kinder versorgen! Aber ich bin dir immer gefolgt! Ich habe auf dich gehört, als du sagtest, du möchtest deine Unschuld beweisen, obwohl du doch abgesessen hast. Ich habe das alles hingenommen. Habe den Rechtsstreit auf mich genommen, obwohl ich am Liebsten irgendwo ein neues Leben mit dir aufgebaut hätte so weit wie möglich weg von Gregor. Am besten hunderte Kilometer weg. Bestenfalls über die Alpen nach Österreich. Aber nein. Ich habe es hingenommen, dass wir nur eine knappe halbe Stunde entfernt von ihm sind. In einer Stadt, in der er uns jederzeit finden kann. Ich hörte noch auf dich, als er meinen Elias wieder abfing. Ich hörte auf dich, als du dich hast niederschlagen lassen. Du grinst da ja nur. Du grinst, wenn er dich schlägt, weil du ihn dann anzeigen kannst. Gut. Von mir aus. Aber hast du eine Ahnung, wie ich mich fürchte? Jeden scheiß Tag zittere ich, dass du nicht mehr heim kommst. Selbst da würdest du noch grinsen, oder? Weil dann Gregor auch in den Knast käme. Vielleicht gleich 15 Jahre lang. Aber du denkst nicht daran, dass du dann nicht mehr da bist und Gregor nicht mehr da ist und ich zwei Kinder versorgen muss ohne Arbeit und Ausbildung. Ich bin abhängig, Elena. Ich habe Fehler gemacht. Ja. Ich kann nicht alleine leben. Ich kann die Kinder allein nicht versorgen. Aber dir ist das egal. Du kannst dich einfach von Gregor abstechen lassen. Weil dir ist nur wichtig, dass er leidet wie du gelitten hast und noch mehr. Verdammt, du machst mir eine Antrag und ich weiß, du gibst dir Mühe. Aber du übernimmst keine Verantwortung! Und Elias übernimmt das. Weißt du was er mir gesagt hat, als Gregor ihn verprügelt hat? Ich habe ihm das Blut von der Nase getupft und seine Wunden desinfiziert. Und er sagte mir, ich solle doch erst Fotos machen um Gregor damit zu belangen. Hast du eine Ahnung wie scheiß egal mir die ganzen Gerichte sind, wenn du oder Elias blutig am Boden liegen? Am Ende noch Lina. Elena, ich ertrage das alles nicht mehr. Und dann noch diese Hannah. Ich kann langsam nicht mehr. Ich weiß, du warst im Gefängnis und hast es nicht schön da gehabt aber ich war bei Gregor und musste ihm gehorchen. Sonst hätte er mich und die Kinder vor die Tür gesetzt. Oder nur mich und hätte mir meine Kinder genommen. Und dann verschweigst du mir immer etwas. Verschweigst mir die Gefahren, in die du dich begibst! Lügen und Lügen und Lügen, ich kann es nicht mehr hören! Alles Lügen und alles so brutal... Lügen und Schläge! Wie soll ich da noch was glauben? Wie soll ich noch wissen was real ist und was nicht? Wie soll ich mir sicher sein, ob du damals nicht doch zurecht eingesperrt worden bist!", sofort stand ich vor ihr, packte ihre Handgelenke und drückte sie gegen die Wand. Mein Puls war bei 180. „Ich habe ihn nicht getötet! Hörst du? Ich war es nicht! Ich war es nicht! Ich saß da zu unrecht! Ich bin unschuldig!", ich drückte sie fest gegen die Wand. Sie wehrte sich aber ich war um einiges stärker als sie. „Elena, lass mich los!" „Ich habe ihm kein Haar gekrümmt! Sechs Jahre musste ich mir anhören, dass ich ein Mörder bin! Aber ich bin keiner! Nina, denk nie wieder auch nur daran, dass ich es gewesen sein könnte! Denk..." „Du tust mir weh! Lass mich los!" „War ich nicht bei dir, als es geschah? Mmh? Du hättest es sicher bemerkt, wenn ich gegangen wäre! Du..." „LASS MICH LOS!" „Ich bin kein Mörder! Ich...", ich keuchte auf als Nina mich mir gegen das Bein trat und ich sie los ließ. Ich starrte sie an und als mein Puls runter ging bemerkte ich erst, was ich da getan hatte. Tränen rannen über Ninas Wangen und sie hielt sich die schmerzenden, geröteten Handgelenke. „RAUS! Ich will dich heute nicht mehr sehen! Geh!", brüllte sie unter Tränen. Ich schluckte und nickte. „Nina es... es tut mir so leid ich... ich..." „Geh! Du kommst hier rein, tust mir weh und stinkst nach Bier! Du bist auch nicht besser als er!", wimmerte sie. Ich schluckte. „Es... Nina es tut mir wirklich leid ich... ich hätte nicht so ausrasten dürfen ich... ich hätte dich..." „RAUS!", brüllte sie. Ich nickte und trottete aus dem Schlafzimmer. Verdammt... Wenn Nina nun schon daran zweifelte, ob ich nicht doch ein Mörder war... dann war ich wirklich am Arsch. Verdammt... ich musste Hannah finden. Aber Nina hatte schon recht. Ich war einfach hergekommen und hatte einen Kampf begonnen. Und statt den Kampf nur zwischen mir und dem damaligen Schuldspruch zu belassen hatte ich Gregor aus reinem Hass mit hineingezogen. Und somit auch die Kinder und Nina. Ich hatte unverantwortlich gehandelt. Nina hatte recht. Ich hätte damals gleich zu Anfang mit ihr ganz weit weg gesollt. Ich hätte das einfach auf sich beruhen lassen sollen. Aber sowas konnte ich einfach nicht... da war ich zu dünnhäutig. Ich musste meine Unschuld beweisen. Und dafür hatte ich vieles in Kauf genommen. Auch, dass Elias und Lina verletzt wurden... das hätte ich nicht tun dürfen. Ich hatte viel wieder gut zu machen... sollte Nina mir das überhaupt gestatten.

Sechs Jahre die ich nie zurückbekommeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt