Bis zum Mittag verließen wir das Bett nicht mehr. Und nach einer gemeinsamen Dusche und einem gemeinsamen Essen fuhr Nina zu den Kindern. Ich räumte etwas auf. Sogar zur Bank fuhr ich um meinen Kontoauszug zu holen. Dabei würde ich frühestens in zwei Tagen die Überweisung erhalten. Ich kaufte noch etwas ein und räumte die leeren Flaschen weg und schlug die Zeit tot, bis es später Abend war. Gerade als ich mit dem Gedanken spielte mich hinzulegen klingelte mein Handy. „Reichau?" „Guten Abend, Frau Reichau. Hier ist Maik Hagel. Folgendes: Ich hätte Ihren Arbeitsvertrag fertig. Ich weiß, es ist spät. ABER zusätzlich habe ich vergessen die Hintertür abzuschließen. Oder eher mein Wachmann hat das. Und der ist nicht mehr erreichbar. Ein Arbeiter, der noch was da vergessen hat, hat mich angerufen und mir das gesagt. Er hat aber den Schlüssel nicht. Also... Ihnen vertraue ich. Mein Vater hat Ihnen vertraut so tue ich das auch. Der Schlüssel läge im Schub meines Schreibtisch. Der oben rechts. Auf dem Schreibtisch läge auch schon Ihr Arbeitsvertrag. Lesen Sie ruhig nochmal drüber ob alles passt.", bat er. „Ähm... und Sie?" „Natürlich... ähm... ja ich befinde mich auf einer Messer. Also im Moment in einem Hotel BEI der Messe aber... deshalb bin ich gerade in Hamburg...", bemerkte er. „Ach so... die Hintertür? Die beim Rauchereck?" „Genau. Ich merks schon, Sie kennen sich aus." „Natürlich!", lachte ich. „Und ich mache das sofort. Ich hab eh Zeit.", bemerkte ich. „Vielen, vielen Dank! Ich merke es schon, mein Vater hatte allen Grund Ihnen so viel Gehalt zu geben.", hörte ich ihn. „Ach, das ist zu viel der Ehre. Aber noch einen schönen Abend Ihnen." „Danke! Und Ihnen auch noch... auch wenn Ihr Feierabend wohl warten muss.", verabschiedete sich mein neuer Chef und ich legte auf. So hatte ich zumindest noch etwas zu tun.
Die Lampen am Gelände waren neu und hell erleuchtet. Der Kies raschelte unter meinen Schritten. Es war bereits dunkel und die Nacht war kühl. Auch hatte leichter Nieselregen eingesetzt und ich schlug meinen Jackenkragen hoch. Ich kannte den Weg. Ging an der großen Werkstatt, meinem baldigen Arbeitsplatz, vorbei nach hinten zum Lager. Dort waren die Lampen ausgeschaltet. Zumindest die eine über der Tür. Brauchte aber um die Zeit keiner mehr. Das Mondlicht reichte mir und ich drückte die Tür auf. Tatsächlich. Nicht zugesperrt... der Wachmann musste sich hier mal etwas mehr anstrengen! Vor mir die bekannte Wendeltreppe und ich ging rauf. Ich ließ mir Zeit. Meine Schritte hallten sonst viel zu Laut. Die Bewegungsmelder schaltete das Licht im Treppenhaus ein. Das Licht im Gang ebenso. Im obersten Stock den Weg entlang. Vorbei an den Bürogebäuden. Ich erinnerte mich noch gut an die Zeit, an denen ich hier und da mal bei den Bürodamen stand, ein paar süße Worte sprach und vielleicht der ein oder anderen was vom Bäcker mitbrachte, und mir zuliebe legten sie dann meine Pläne und Anträge oben auf den Stapel für den Chef rauf. Nach oben, weil ich es war. Nicht unten. So unbeschwerte Zeiten. Aber zurück wollte ich nicht mehr. Bei Nina und den Kindern war mein Platz. Und es fühlte sich großartig an einen zu haben.
Pfeifend ging ich zum Schreibtisch meines Chefs. Das Licht im geräumigen Büro hatte ich angeschaltet. Leicht mulmig war mir schon zumute. Hier, wo ich ging, war er gestorben. Mein alter Chef war ein guter Mann gewesen und ich machte ein Kreuzzeichen, aus Respekt ihm gegenüber. Denn ein kleines silbernes Kreuz war ihm immer um den Hals gehangen. Auch wenn sie nur selten unter dem Hemd und der Krawatte zu sehen war. „Ruhe in Frieden.", hauchte ich und trat zum Schreibtisch. Dort lag auch tatsächlich mein Arbeitsvertrag. Ich überflog ihn. Ein Traumvertrag! Und darin hatte er sogar festgelegt, dass er mir Fortbildungen bezahlen würde. Vielleicht würde ich meinen Anwalt mal drüber lesen lassen. Aber das war eh eine ungeschriebene Pflicht. Ich öffnete die oberste Schublade und neben einem Locher fand ich auch den Schlüssel. Ich steckte ihn ein und machte mich auf den Weg zurück nach unten.
„Stehen bleiben, du Fotze...", hörte ich und stockte kaum, dass ich aus der Tür war. Fuck... „Gregor... es ist schon eine Weile her.", bemerkte ich und drehte mich langsam um. Ich schluckte schwer als ich die Pistole in seiner Hand sah. Gregor sah abgehetzt aus. Schweiß stand ihm auf der Stirn. „Du dreckige Hure... kommst hier her, nimmst dir meine Frau, meine Kinder, mein LEBEN! Alles... sogar meine Arbeit! Aber DU darfst das ja machen! Ja... Ihr Frauen dürft ja alles! Vor allen ihr Homos! Ich darf nicht mehr Schwuchtel sagen, ich darf dich keine Fotzenleckerin nennen. Aber ist doch so! Wenn ich einer Schwuchtel sage, dass er ein Schwanzlutscher ist, dann ist das doch so! Aber wehe dir du bist ein weißer Mann..." „Gregor, du redest Mist..." „SCHNAUZE! Halt deine Schnauze, Reichau! ICH halte hier die verfickte Waffe also halt dein Maul!", brüllte er und ich blieb stumm. „Du kommst jetzt mit. Du gehst jetzt mit mir runter in die Werkstatt... und wenn du nicht hörst, verpass ich dir eine Kugel!", knurrte er. „Gregor... das macht deine Lage doch nur noch..." „SCHNAUZE!", befahl er und entsicherte die Waffe. Ich nickte. „Runter in die Werkstatt. Du weißt in welche.", grinste er. Ich nickte und begann mich auf den Weg zur Werkstatt zu machen, in der ich und Gregor gearbeitet hatte. Damals, als ich Nina kennengelernt hatte.
„Da vorne hin, Reichau! HOPP! Beeil dich... oder ich puste dir den Schädel weg!", brüllte er. „Ja...", brummte ich und versuchte mir meine Angst und mein Zittern nicht anmerken zu lassen. Wie heißer Teer brannte sich das Bewusstsein in meine Glieder, dass ich sterben würde. Nicht wie heißer Teer... eher wie Gefrierbrand brannte es. Doch zog sich die Angst wie Teer. „Geh da vorne hin... Ich habe lange drüber nachdacht, was ich mit dir mache. Erst dachte ich mir ja, nem Kerl, der meine Frau vögelt, dem würd ich den Schwanz wegschießen. Aber was macht man mit der Frau, die meine Frau knallt? Ich wollte dich eigentlich zwingen deine Finger unter den Blechschneider zu halten. Und dann zudrücken. Dann hab ich mir überlegt, was ich dann mit dir mache. Mit irgendeiner Zange wollte ich dir die Zunge rausreißen. Aber dann entkommst du mir noch. Wär aber sicher nett geworden. Die Finger und die Zunge ab. Aber es ist ja eh scheiße egal, oder Reichau? Benutzten wirst du eh nie wieder was außer die Zunge für dein letzte Gebet. Geh da nach vorne hin. Zur Drehmaschine. Zu der alten für die Azubis.", forderte er und ich ging mit wackeligen Knie dorthin, wo ich mein Handwerk gelernt hatte. Eine Plexiglasscheibe war davor. Die musste man runter klappen. Sonst ging es nicht. Sicherheitsmaßnahme damit man von den Spänen nicht getroffen wurde. So ein Stahlspan konnte einen schon ganz über zurichten... „Anschalten.", forderte er. Ich atmete tief durch, klappte die Scheibe runter und legte den roten Kippschalter um. Sofort begann das mir bekannte Surren als sich die Maschine zu drehen begann. Ich verstand nicht ganz, was er damit wollte. Und ich war froh, dass ich in der Metallbranche arbeitete und nicht in der Holzindustrie... bei Holz gäbe es Kreissägen. Aber ich verstand nicht was er wollte. Bei dieser Drehmaschine wurde das Werkstück gedreht und zum Meißel gefahren. Der Meißel stand fest. Wie er mich damit töten wollte war mir unbekannt. „Halt es an.", befahl er und ich gehorchte. „So...", hörte ich Gregor und das Klirren von Eisen. „Zur Seite!", befahl er und richtete weiter die Waffe auf mich, während er eine große, breite Eisenschraube einspannte. Er selbst hatte sie wohl angespitzt. Scheiße... das würde sich nicht in meinen Kopf bohren. Es würde sich dafür zu schnell drehen und zu langsam zur Seite bewegen. Die schraube würde meinen Schädel zerfetzen. „So...", Gregor klappte das Glas runter und schoss darauf. Ich zuckte zusammen. Nun war auch mein letzter Zweifel weg ebenso wie meine Hoffnung. Die Waffe war echt. Das Plexiglas flog davon doch der Mechanismus blieb ausgelöst. Gregor schaltete es an. „Da! Geh davor und beug dich runter. Dass dein Schädel auf Höhe des Meißels ist.", befahl er. Ich schluckte. „Gregor... komm, lass das. Bitte. Wir sind doch alle erwachsen. Wir können doch drüber reden.", bat ich. Mein Herz schlug panisch. Ich hatte große Angst! Ich wollte nicht sterben! „SCHNAUZE!", brüllte er und packte mich grob, eher er mich in Position drückte. Ich biss die Zähne zusammen. Er hielt mich in dieser Position fest und ich spürte die Waffe an meinem Hinterkopf. „So...", hörte ich Gregor und sah aus dem Augenwinkel seine Hand, die sich auf das Rad legte, mit welchem man das Werkstück nach links brachte. In Richtung meines Schädels. „Letzte Worte?", grinste er. „Du Bastard hast Nina und die Kinder nicht verdient.", hauchte ich und schloss die Augen, während ich ihn das quietschende Rad drehen hörte und den Luftzug spürte, den die kaum mehr entfernte Schraube verursachte. „Nina... ich liebe dich.", hauchte ich und presste die Augen vor Angst fest zusammen.
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Sechs Jahre die ich nie zurückbekomme
RomanceMein Name ist Elena Reichau. Ich saß jetzt sechs Jahre im Gefängnis. Mir wurde vorgeworfen Wirtschaftsspionage betrieben zu haben und als mich mein damaliger Chef erwischte, soll ich ihn erschossen haben. Lächerlich. Ich bin aufbrausend und kann wüt...