POV Nina
Ich beobachtete Elena, wie sie den Kindern ihre Pausenbrote fertig machte und wartete, bis sie weg fuhr. Ich hatte die halbe Nacht nicht schlafen können. Es war schön Elena bei mir zu haben. Aber ich wusste nicht, ob ich das alles noch ertrug. Ich wünschte mir Elenas Nähe aber gleichzeitig wollte ich sie von mir stoßen. Ich wollte meine süße, zuvorkommende, liebevolle Elena, die für mich durch die Hölle gehen würde. Nicht die Elena, die sich töten lassen würde nur um Gregor eins auszuwischen. Sie hatte gestern geweint. So verzweifelt war sie gewesen. Aber ich war an einem Punkt angelangt, an dem ich jede Träne hinterfragen musste. Aber es schien nicht gespielt gewesen zu sein. Aber... das gestern hatte mich auch wieder an Gregor erinnert... Als er zum ersten Mal wirklich stark ausgerastet war... Er war betrunken gewesen. Er hatte mich zum ersten Mal wirklich heftig verprügelt. Und... und vergewaltigte mich zum ersten Mal. Ich hatte geweint. Er hatte mich danach noch getreten, als ich am Boden gelegen war. Ich war ohnmächtig geworden. Geweckt hatte mich Gregor selbst. Mit trauriger Miene war er neben mir gesessen. Er hatte mich ins Bett getragen. Er hatte sich entschuldigt. Tausendfach um Verzeihung gebeten. Dass es ein Fehler war. Dass er nie wieder trinken würde. Nie mehr auch nur ein böses Wort gegen mich richten würde. Er war damals jünger. Sein Gesicht noch lieber. Und ich... ich hatte mich daran geklammert, dass er die Wahrheit sagte. Und er hatte gelogen. Immer wieder war es vorgekommen. Immer und immer und immer wieder. Und Elena... ich liebte sie. Aber was, wenn sie log? Wenn ich meine Kinder erneut in diese Hölle schicken würde? Und Elena könnte ihnen noch mehr weh tun als es Gregor tun konnte. Sie kannten Gregor von Kindesbeinen an und wussten, wie er war. Doch Elena... von Elena hatten sie große Erwartungen. Sie setzten Hoffnung in sie. Ich zog mein Handy und blickte auf das Display. Ob die Nummer noch stimmte? Und wenn ja... was erhoffte ich mir dann davon? Was sollte ich ihr sagen? Dass ich Gregor verlassen würde, weil er mir das angetan hatte? Würden sie eher an ihren alten Werten festhalte oder ihre Tochter schützen? Mama würde vielleicht zu mir stehen aber Papa... und Papa würde ein Machtwort sprechen. Aber ich musste jetzt reden. Und sonst hatte ich ja keinen. Also wählte ich die Nummer und wartete.
Es dauerte eine Weile bis jemand ran ging. „Berger?", hörte ich und schluchzte. „Hallo?" „M... Mama... ich bin es... Nina...", wimmerte ich. „Nina! Kind, ich habe ja seit Jahren nichts mehr gehört! Oh Gott, wie geht es dir?", wollte sie wissen. „Ist... ist Papa zuhause?" „Nein. Er ist unterwegs." „Bitte sag ihm nicht, dass ich angerufen habe. Mama, es ist so viel passiert. Ich weiß nicht was ich machen soll. Ich... ich...", ich weinte und meine Mutter ließ mich. „Nina, was ist denn los? Hast du dich mit Gregor gestritten? Ist etwas mit den Kindern?" „Mama es ist alles so schwer! Ich... es ist so schlimm..." „Ssh... hör mal, dein Vater ist mit seinen Freunden angeln nach Norwegen. Komm doch vorbei. Dann reden wir.", bat sie. „Ehrlich?" „Ja. Nina, du bist meine Tochter! Mein einziges Kind! Ich habe dich seit fast 12 Jahren nicht mehr gesehen!", erklärte sie. „Okay..." „Gut... dann... fährst du gleich zu mir?" „Ich nehm ein Taxi... ich bin in einer Stunde da.", hauchte ich und legte auf. Ich wischte mir die Tränen weg. Papa war sehr konservativ. Hatte immer die Werte vor die Familie gestellt. Wie man nach außen wirkte. Aber Mama... auch sie war konservativ und ihr war wichtig, was andere von ihr dachten. Aber ich war ihr wichtiger.
Es war immer noch wie damals. Im Dorf nahe einer Kleinstadt. Das Haus schön und klein. Der Garten üppig und bereits in den Fenstern sah ich die Puppen, die meine Mutter so liebte. Neben dem Haus stand die Werkstatt meines Vaters. Direkt neben der Tür die 2,50m hohe Figur, die er aus einem dicken Baumstamm geschnitzt hatte. Jesus, Marie und zwischen ihnen dtand Jesus als Kind von vielleicht 12 Jahren. Einige waren dazu gekommen. Ein dicker Mann mit Glatze und riesiger Nase. Eine Eule... und hinter dem Haus waren sicher noch viel mehr. Ich erinnerte mich noch gut an die Zeit, als ich neben meinem Papa in der Werkstatt saß. Seine alte Jeans voll Holzmehl und der Geruch von Harz in der Luft. Zitternd klingelte ich. An der Klingel hing das Schild „Mathias & Katharina Berger". Sofort hallte Bellen von innen und ich zuckte zusammen. Seit wann hatten meine Eltern Hunde? Keine zwei Minuten später öffnete sich die Tür und zwei schneeweiße Baumwollhunde rannten heraus um meine Beine zu beschnuppern. Ich stand da und sah die Frau an, die dort vor mir stand. Tränen standen in ihren blauen Augen. An ihrem Ansatz erkannte ich graues Haar doch hatte sie es sich wohl hellblond gefärbt, wie sie schon früher waren. „Mama...", wimmerte ich. „Oh Gott, Nina...", hauchte sie und zog mich in ihre Arme. Sofort schluchzte ich und klammerte mich an meine Mutter, der ebenso die Tränen kamen.
Es dauerte eine Weile bis wir uns beruhigt hatten. Wir saßen zusammen im Wohnzimmer. Das große Ecksofa war zwei roten Ledersofas gewichen. Es passte irgendwie in das Wohnzimmer. Alles in diesem Haus erinnerte an ein Puppenhaus. Aber es gefiel mir hier. Es war mein Zuhause. Mama hatte mir einen Kräutertee hingestellt und langsam nippte ich daran. „Nina, was ist denn los? Ich freue mich so dich zu sehen. Aber seit der Geburt meines Enkelsohnes habe ich dich nicht mehr gesehen. Und seit sechs Jahren haben wir nicht mehr telefoniert!", erklärte sie. „Mama... Ich lasse mich von Gregor scheiden.", hauchte ich. „Kind, nein! Das hatten wir doch schon. Ja, es ist schlimm. Man hat nun einmal so Moment in denen..." „Er schlägt mich. Er vergewaltigt mich. Er nimmt mir alles.", hauchte ich. Es war das erste mal, dass ich es so sagte. Sie gingen davon aus, dass es nur hier und da eine kleine Ohrfeige war. „Was?", hauchte sie. Ich nickte. „Wenn ich widerspreche, prügelt er mich nieder. Wenn er betrunken ist, prügelt er mich nieder und vergeht sich an mir. Und er ist ständig betrunken... Mama, ich und Elena... sind wieder ein Paar.", hauchte ich. „Elena? Was? Diese Lesbe? Die... die Knastlesbe?" „Nenn sie nicht so! Sie war unschuldig...", ich hob die Hand. „Wir sind verlobt.", hauchte ich und zeigte ihr den Ring. Mama schluckte. „Hör auf. Das ist das Alter, das dich verwirrt. Du hast Angst was im Leben verpasst zu haben aber..." „NEIN! Mama! Ich... hör mir zu. Bitte. Ich weiß... wenn Papa da ist hörst du mir nie zu. Aber bitte... kannst du mir zuhören? Es war die letzten Jahre so schlimm... bitte!", flehte ich. Meine Mutter atmete tief durch und nickte, als ich begann zu erzählen. Von Anfang an.
DU LIEST GERADE
Sechs Jahre die ich nie zurückbekomme
RomanceMein Name ist Elena Reichau. Ich saß jetzt sechs Jahre im Gefängnis. Mir wurde vorgeworfen Wirtschaftsspionage betrieben zu haben und als mich mein damaliger Chef erwischte, soll ich ihn erschossen haben. Lächerlich. Ich bin aufbrausend und kann wüt...