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POV Nina

Kaum war die Tür hinter Elena ins Schloss gefallen vermisste ich sie schon. Ich hätte nicht gedacht, dass es so sein würde. Ich hatte nicht zu hoffen gewagt, dass sie mich wieder sehen wollte. Ich hatte sie so ignoriert. Hatte mich nicht bei ihr gemeldet. Hatte sie damals so verraten. Ich war so furchtbar gewesen... und nun war sie hier gewesen! Und wie ich sie vermisst hatte. Und endlich hatte ich wieder Hoffnung, dass alles wieder so werden würde wie vorher. Doch musste ich weiter machen! Irgendwie so tun als wäre Elena nie hier gewesen. Ansonsten würde Gregor mich umbringen. Aber jetzt musste ich die Kinder abholen!

„Mama! Elias ärgert mich!", kam die erste Beschwerde von Lina, die heute ausnahmsweise vorne sitzen durfte. „Elias, lass deine Schwester in Ruhe!", mahnte ich. „Ich mach doch nichts!" „Tust du wohl!", erwiderte Lina. „Tu ich nicht!", kam es sofort von ihrem Bruder. „Elias! Lina! Ruhe jetzt! Wie war es denn in der Schule?", wollte ich wissen und sofort holte Lina Luft. Lina machte jetzt gerade die vierte Klasse fertig. Ihr Bruder ging in die sechste Klasse. Und immer wieder, wenn Elias jemanden ärgerte hatte ich Angst, dass er eine Seite entwickeln könnte, die seinem Vater ähnelte. Doch bisher hatte er sich immer wieder gefangen! Ich wollte die Kinder nicht mit Gregor groß ziehen! Ich wollte sie mit Elena erziehen! Das wäre auch besser für die Kinder. „Frau Fates hat heute mit uns geteilt rechnen angefangen! Und ich bin da gut drin!", strahlte sie. „Super! Freut mich.", lächelte ich. „Und du, Elias?" „Ach, der Brauer...", begann er und ich seufzte innerlich, da ich den Namen seines verhassten Mathelehrers bereits gut kannte. „Der Brauer hat mich heute ausgefragt... der wusste genau, dass ich vorne an der Tafel zu nervös zum antworten bin! Dreckige Schwuchtel...", schimpfte er. „Hey! Schwuchtel... wo hast du denn solche Worte her? Höre ich das noch einmal aus deinem Mund nehm ich dir dein Handy für einen Monat weg!", drohte ich. „Aber Papa sagt das doch auch oft!", verteidigte er sich und damit stockte ich. Ja... Gregor schimpfte da sehr oft mit Worten wie Schwuchtel oder Kampflesbe. Aber letzeres verwendete er nicht mehr so oft. Er hatte nur über Lesben geschimpft, als ich damals zurück kam... oh Gott hatte er mich damals misshandelt... dagegen war er heute direkt freundlich. Ich fuhr in die verhasste Garage und stieg aus. Die Kinder sprangen aus dem Auto und sprangen freudig ins Haus. „Wann kommt Papa heim?", flüsterte mir Elias zu. „Um vier. Warum?", wollte ich wissen. „Ich hab eine schlechte Note geschrieben... kannst das bitte du unterschreiben und bitte sag es nicht Papa...", bat er. Ich seufzte. „Elias, ich kann deinem Papa das nicht verschweigen.", meinte ich. „Bitte... Mama...", er wartete bis ich dir Tür hinter ihm geschlossen hatte und zog dann sein Hemd hoch. Ich schluckte. Ich hatte Elena gesagt, dass es eine Ohrfeige war. Und da war sie schon sehr wütend geworden. Sie würde auf Gregor losgehen wenn sie alles wissen würde. „Tut es noch weh?", wollte ich wissen und sah mir die dunkle Strieme an, die Gregors Gürtel auf dem Bauch meines Sohnes hinterlassen hatte. „Ein bisschen... aber bitte, Mama... ich will nicht wieder dass... dass er...", er schluchzte. „Sssh... okay. Ich unterschreibe es. Aber sag deinem Vater das nicht!", erklärte ich. Er nickte „Versprochen, Mama!", erklärte er und umarmte mich dankbar. Da war er wieder wie ich... manchmal, wenn er jemanden beleidigte wie vorhin seinen Lehrer, da war er wie Gregor. Doch meist war er ein so lieber Junge... und mit einem Lächeln hatte ich feststellen müssen, dass er hier und da auch ein paar Seiten von Elena hatte. Selten zeigte sich das. Nur neulich, als er mit mir diskutiert hatte, da er abends noch einen Film hatte sehen wollen, da hatte er argumentiert wie Elena. Mit dieser ruhigen, sicheren Beharrlichkeit. So als wüsste er schon, dass er gewinnen würde und es nur eine Frage der Zeit war, in der er sich in Geduld üben musste... wirklich wie Elena. „Was gibt es?", wollte Lina wissen. „Ravioli.", lächelte ich. Lina jubelte und rannte los. Elias folgte und ich trottete hinterher.

Elias und Lina spielten draußen Fußball. Oft stritten sich Geschwister ja. Aber sie eher selten. Sie hatten schon genug mit ihrem Vater zu kämpfen. Da konnten sie sich nicht noch gegenseitig anfeinden. Die Hausaufgaben waren fertig und nur noch Elias musste später noch weiter Französisch lernen. Da konnte ich ihm helfen. Hatte ich doch mein Französisch-Abitur mit 1,0 abgeschlossen. Elena hatte in der Realschule kurz Französisch gehabt. Sie hatte mal versucht sich mit mir auf Französisch zu unterhalten und war kläglich gescheitert. Doch ich fand das süß von ihr. „NINA!", verdammt... Gregor war schlecht drauf. „NINA! Verdammt wo bist du!", brüllte er. Ich raste die Treppe runter, überschlug mich fast und umarmte schließlich meinen Ehemann. Sein Blick war wütend. „Nina... Bier. Jetzt.", knurrte er. Ich nickte und rannte in die Küche, öffnete ihm ein Bier aus dem Kühlschrank und brachte es ihm zum Sofa, wo er bereits saß. Seine Schuhe lagen in der Gegend rum und seine stinkenden Füße hatte er auf das Sofatischchen gelegt. „Was war denn los, Liebling?", wollte ich wissen um ihn milde zu stimmen. „Ach... der neue Auftrag wird und wird nicht fertig.", knurrte er. „Vielleicht solltet ihr...", Gregor stand auf und starrte mich an. Sofort stockte ich. „Was sollte ich? Mmh? Hast du irgendeine Ahnung von Arbeit? Nein. Du hast dir nie die Hände schmutzig gemacht. Und jetzt halt die Fresse!", brüllte er. „Aber vielleicht...", ich war selbst Schuld und das wusste ich, als mich seine Hand im Gesicht traf. Mein Kopf flog zur Seite und ich verharrte so. Ich sah ihn nicht an, als er sich wieder setzte. Die Ohrfeige war erwartet gekommen. Halb so schlimm. „Fresse halten und mir ein neues Bier bringen.", knurrte er und ich ging.

Ich hatte mir angewöhnt das Badezimmer abzuschließen, wenn ich mir die Zähne putzte. Ich öffnete den Medizinschrank, schob die Citalopram Packung zur Seite und nahm die Tamponschachtel. Ich öffnete sie und holte mein Pillendöschen heraus, bevor ich eine davon nahm. Normalerweise nahm ich auch immer eine Tablette Citalopram, also ein Antidepressiva, bevor ich zu Gregor ging. Aber heute nicht... der Gedanke an Elena ließ mich glücklich sein. Es gab wieder Hoffnung! Trotzdem nahm ich zwei Schmerztabletten. Dann atmete ich tief durch. Wenigstens konnte ich heimlich die Pille nehmen. Ich könnte es nicht ertragen ein Kind von ihm zu bekommen... nicht noch eines... ich liebte meine Kinder über alles doch... nein... ich ertrug es nicht nochmal! Ich wollte zu Elena! Zu niemand anderem! „NINA!", hörte ich ihn. „Sofort, Schatz!", rief ich. Ich konnte still sein. Die Schmerzen ertragen. Doch Gregor... Lina hatte mich neulich nach den Geräuschen gefragt. Gott sei Dank hatte Elias sie dann angesprochen denn ich wusste nicht, wie ich ihr hätte antworten sollen. Elias war ein kluger Junge. Er wusste wohl, was sein Vater nachts mit mir tat und er hasste es. Immer öfter stellte er sich darum gegen ihn, was ihm so viele Schläge einbrachte, wenn ich nicht rechtzeitig dazwischen gehen konnte. Elias lenkte dann seine Schwester ab. Einmal war Gregor so grob gewesen, dass ich dabei geweint und geschrien hatte. Lina war panisch zu Elias geflohen. Seit dem nahm ich immer zwei Schmerztabletten. So musste ich nicht schreien und konnte es ertragen. „NINA!", brüllte er erneut. Ich schluckte und atmete tief durch. Die Schmerzmittel wirkten bereits. Ich kam heraus. Gregor lag bereits nackt im Bett. Er gefiel mir nicht. Er gefiel mir nie! Er war immerhin zehn Jahre älter als ich und achtete kein Stück auf sich! Trank nur und fraß nur... und er war brutal... so furchtbar brutal... „Komm her.", forderte er. „KOMM HER!", brüllte er, als ich nicht sofort gehorchte. Sofort legte ich mich zu ihm und er legte sich auf mich. „Boah siehst du heute scheiße aus.", brummte er. Wie charmant mein Mann doch war... ich konnte doch nichts für das geschwollene Auge! Es war nun mal frisch und begann anzuschwellen... er hatte mich schließlich erst vor einer Stunde geschlagen. Und das war heute nicht das einzige Mal gewesen! „Dann... Dann machen wir das Licht aus...", meinte ich und schaltete die Lampe aus. Gregor beließ es Gott sei Dank dabei. Ich presste die Augen fest zusammen und versuchte an Elena zu denken und an das tröstende Gefühl in ihren Armen zu liegen.

Sechs Jahre die ich nie zurückbekommeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt