Die Kinder bemerkten beim Frühstück, dass etwas nicht stimmte. Ich aß nicht mit. Nina versorgte sie wie immer und fuhr sie zur Schule. Lina fragte, wieso ich sie nicht fuhr. Nina meinte einfach, sie mache das schon. Ich saß am Sofa und tat, als würde ich in der Zeitung lesen. Tatsächlich allerdings wartete ich nur, dass Nina weg war. Ich liebte sie über alles und wünschte mir ihre Nähe so sehr... doch sie wollte mich nicht bei sich haben. So hielt ich Abstand. Ich wartete, bis sie zur Tür ging. „Ich werde dann noch einkaufen gehen. Es wird spät werden. Ich komme erst mit den Kindern zurück.", erklärte Nina. „Okay...", murmelte ich. Sie sagte mir das nicht, weil sie es mir sagen wollte. Sondern um die Kinder nicht zu beunruhigen. Aber ich spürte schon, was sie vor hatte. Ich kannte diese Frau. Diese Frau war durch die Hölle gegangen. Der Knast war unangenehm aber nicht die Hölle. Der Knast war ja auch keine Belohnung sondern eine Bestrafung. Aber Nina war bei Gregor gewesen. Ich hatte ihr viel zu viel zugemutet. Ich hatte gefordert und gefordert. Hatte gefordert, dass sie mir blind vertraute. Hatte gefordert, dass sie mir mit den Kindern ins Ungewissen folgte. Hatte verlangt mir zu glauben, obwohl ein ganzes Rechtssystem mir nicht geglaubt hatte. Obwohl rationale Beweise meine Schuld bewiesen... hatte sie mir geglaubt. Und nun das. Es war zu viel. Das alles... ich hatte verlangt, dass sie sich von Gregor scheiden ließ. Seinen Zorn auf sich zog. Ich hatte verlangt, dass sie sich sofort mit mir verloben würde. Und gestern Nacht war ich viel zu weit gegangen. Sie hatte mich von sich gestoßen und trotzdem... ich war auf sie los gegangen. Nina trug heute lange Ärmel. Ich befürchtete, dass ich wohl wirklich Spuren an ihrer zarten Haut hinterlassen hätte... Ich fühlte mich furchtbar. Ich war viel, viel, viel zu weit gegangen. Und ich konnte nicht eine Anschuldigung von Nina Lügen strafen. Sie hatte ja absolut recht. Ich verlangte und verlangte. Sie gab und gab. Gab mir ihre Liebe und ihren Zuspruch. Und ich bemerkte nicht einmal, wie sehr es sie fertig machte. Ich war egoistisch gewesen und hatte mich damit begnügt, dass sie mit meiner Liebe schon zufrieden wäre. Aber natürlich ging das nicht! Erstens machte es sie selbst kaputt und zweitens hatte sie Kinder zu versorgen! Es ging so einfach nicht weiter! Aber sie hatte recht. Ich würde mich nicht mehr mit Gregor streiten. Dafür bezahlte ich meinen Anwalt. Ich würde mich selbst und vor allem die Kinder nicht mehr einer solchen Gefahr aussetzen. Und ich musste mich aufrichtig dafür entschuldigen. Aber wie entschuldigte man sich anständig bei seiner Verlobten, wenn man wirklich SO große Scheiße gebaut hatte... verdammt... Blumen schienen mir doch eher deutlich zu wenig...
Pünktlich um 10 Uhr rief ich den Privatdetektiv an. Vier Mal musste ich es versuchen ehe jemand ran ging. „Detektei und Ermittlungsdienste Köllner.", meldete sich ein junger Mann. „Guten Tag! Meine Name ist Elena Reichau. Ich habe von meinem Anwalt Daniel Reber Ihre Nummer bekommen. Eine Frau behauptet etwas über mich und daran geht meine Beziehung noch kaputt. Könnten Sie diese Frau aufspüren, damit ich mit ihr reden könnte?" „Das könnten wir. Allerdings ist es bei uns nicht üblich dergleichen am Telefon zu besprechen. Sie müssten direkt hier bei uns erscheinen.", erklärte er. „Gut... wann hätten Sie einen Termin?" „Wir hätten einen... einen Moment, bitte... ja hier. Wir hätten einen in vier Wochen Donnerstag um 16 Uhr. Oder noch einen, der ist aber recht kurzfristig, da ist uns ein Klient abgesprungen... heute aber der wäre schon in einer Stunde." „Ich nehme den in einer Stunde. Wohin?", wollte ich wissen und er nannte mir die Adresse. Da musste ich mich beeilen. Allein die Fahrt würde eine halbe Stunde dauern. Mit viel Verkehr eine dreiviertelte. Und grade fiel mir auf, dass Nina das Auto hatte... naja... würde ich mir eben ein Taxi rufen. „Gut. Dann sehen wir uns gleich, Frau Reichau.", verabschiedete er sich und legte auf. Ich seufzte und stand auf. Ich trug ja nur ein paar Schlafshorts und ein Top. Also rannte ich schnell rauf ins Schlafzimmer, um mich umzuziehen.
Nichts hatte mich mehr erleichtert als zu sehen, dass Ninas Ring nicht auf dem Nachttisch lag. Sie trug ihn noch. Der Taxifahrer war wohl nicht ganz ehrlich mit seiner Route. Wir brauchten 50 Minuten. Er hatte wohl einige Umwege gefahren um wohl mehr Geld zu bekommen. Die schnellste Route hätte uns über die Autobahn geführt. Er fuhr Landstraße und berechnete mir 65 Euro. Arschloch... Aber ich hatte andere Sorgen. So betrat ich das recht unauffällige Gebäude. Ein junger Mann mit blondem Haar und leichtem Bart saß an der Rezeption und tippte einiges in seinen Computer ein. „Guten Morgen.", grüßte ich. Er sah auf und stand auf. „Ah... Elena Reichau?" „Genau.", lächelte ich und reichte ihm der Hand. Er schüttelte sie. „Christian Köllner. Guten Morgen.", grüßte er mich. „Ach Sie sind der Detektiv?", wollte ich wissen. Der schien mir eher... nicht so als könnte er das. Nicht, dass er in irgendeiner Art und weise inkompetent aussah... er war bloß noch halb ein Kind. Er war wohl knapp 22 Jahre alt. Älter mit Sicherheit nicht. „Nein, nein. Meine Mutter führt die Detektei. Folgen Sie mir.", bat er und führte mich den Gang entlang.
Er klopfte und öffnete mir auf Kommando die Tür. Eine Frau, um die 40 oder 50 saß dort an einem Schreibtisch. Nun entdeckte sie mich und stand auf. Ich trat zu ihr und reichte ihr die Hand. „Guten Tag. Sie müssen Frau Reichau sein. Ich bin Magarete Köllner. Setzen Sie sich. Sie haben ein Problem?", bemerkte sie und ich setzte mich. Sie ebenso. „Oh ja. Und was für eines..." „Ja. Sie suchen eine Frau, hörte ich." „Genau." „Na dann erzählen sie mal." „Also... ich saß im Zeitraum vom 4.5.2012 bis zum 4.5.2018 im Gefängnis. Als ich frei kam ging ich zu meiner Geliebten. Sie verließ ihren Mann für mich und wir sind heute verlobt. Ihre Kinder sind auch bei mir. Jetzt allerdings hat meine damalige Zellengenossin meine Verlobte abgefangen und behauptet ein Verhältnis mit mir gehabt zu haben. Sie lügt. Wir hatten nie eines, allerdings weiß ich nicht, wieso sie lügen sollte. Darum würde ich Sie bitten diese Frau ausfindig zu machen damit ich sie zur Rede stellen kann. Ich denke, wenn ich ihr gegenüber stehe wird sie schon mit mir reden. Schließlich haben wir uns nie gestritten und ich habe sie oft beschützt.", erklärte ich. Die Frau nickte. „In Ordnung... dann bräuchte ich hier ein paar Informationen von Ihnen...", sie zog Stift und Papier zu sich. „Ihr Name?" „Elena Reichau." „Ein oder zwei H?" „Eins. Reich-Au. Nicht Reich-Hau." „Gut... also... der Name Ihrer Verlobten?" „Nina Bauer. Aber nun wo sie sich scheiden lässt hat sie wieder ihren Mädchennamen. Nina Berger." „Name Ihrer Zellengenossin? Die ich suchen soll." „Hannah Turner. H-A-doppel N-H." „Gut... war Sie während ihres gesamten Zeitraums dort?" „Ja. Wann sie genau inhaftiert wurde weiß ich nicht... ich glaube wegen... Halt! Ich erinnere mich. Sechs Jahre und zwei Monate hat sie bekommen. Ich weiß nicht, ob sie Bewährung bekommen hat. Sie kam recht zeitgleich mit mir an. Und als ich ging saß sie noch. Sie war wegen Dealen ins Gefängnis gekommen. Hatte auch an Minderjährige verkauft." „Gut... welches Gefängnis war das?" „JVA München. Frauengefängnis.", erklärte ich. „Gut... Können Sie das Mädchen beschreiben?" „Ja. Sie ist schlank, hat blondes langes Haar und grünblaue Augen. Sie ist 1,70m groß und 27 Jahre alt. Und sie hat ein ungefähr Handgroßes Schmetterlingstattoo am linken Schulterblatt.", beschrieb ich sie. Erstaunt sah mich die Detektivin an. „Und woher wissen Sie von der Tättowierung?" „Sehen Sie mich nicht so an! Wir hatten Gemeinschaftsduschen da. Daher weiß ich es.", erklärte ich. Sie nickte. „Gut... also... dann würde ich Ihnen nun einen Preis nennen und wir sehen ob Sie den zu zahlen bereit sind.", bemerkte sie. „Ich berechne einen Stundensatz von 100 Euro. Mein Sohn hilft mir dabei, Sie haben ihn ja schon kennengelernt. Er ist aber in dem Preis mit inbegriffen. Je nachdem wie lange es dauert sie zu finden. Kostet es Sie also 1200 bis 3700 Euro." „Das ist aber eine ganz schöne Preisschwankung.", bemerkte ich. „Dafür habe ich eine Erfolgsquote von 98%.", erklärte sie. Ich nickte. „Gut. Aber beeilen Sie sich. Mehr als 2000 Euro bin ich bei Weitem nicht gewillt zu zahlen!", erklärte ich. War ich natürlich schon. Aber sie sollte es ja nicht unnötig ausreizen. „Das wird sich einrichten lassen. Ich werde Sie auf dem Laufenden halten." „Gut... ich bitte Sie allerdings dazu sich zu beeilen. Nicht nur des Geldes wegen. Wie gesagt, meine Beziehung steht auf dem Spiel.", erklärte ich. „Natürlich. Wir beeilen uns.", versicherte sie mir.
Ich hatte überlegt, ob ich noch Blumen besorgen sollte oder sonst etwas. Aber das schien mir eher wie eine Beleidigung statt einer Entschuldigung. Ich mutete ihr so viel zu, verletzte sie noch und käme dann mit Blumen an. Nein... so gab ich mein Bestes und kochte zumindest. Ich schrieb Nina auch, ob ich die Kinder abholen sollte. Ein einfaches Nein kam zurück. Also machte ich Essen und hoffte heute Abend noch ein Mal in Ruhe mit Nina reden zu können. Ich würde ihr auch von der Detektivin erzählen. Keine Geheimnisse mehr. Und ich würde ihr versprechen, dass ich künftig nicht länger Gregor provozieren würde. Ich würde mich zurückhalten und mich ganz auf sie und die Kinder konzentrieren und natürlich die Renovierung meines Hauses. Wozu hatte ich denn einen Anwalt.
DU LIEST GERADE
Sechs Jahre die ich nie zurückbekomme
RomanceMein Name ist Elena Reichau. Ich saß jetzt sechs Jahre im Gefängnis. Mir wurde vorgeworfen Wirtschaftsspionage betrieben zu haben und als mich mein damaliger Chef erwischte, soll ich ihn erschossen haben. Lächerlich. Ich bin aufbrausend und kann wüt...