Bis zum nächsten Gruppenspiel verbrachte ich nicht viel Zeit mit Julian, da er viel trainieren musste. Daher versuchten Erik und ich, Russland von einer anderen Seite kennenzulernen. Wir suchten im Internet nach Leuten, mit denen man zusammen kochen konnte. So lernten wir die heimische Kultur und das Essen ziemlich gut und vor allem schnell kennen. Ein paar russische Phrasen lernte ich auch, aber nur die Standardsachen, wie „Guten Morgen", „Guten Abend", „Die Rechnung, bitte" oder „Schönen Tag noch". Die Russen waren alle total nett und offen, was mir sehr gefiel. Am Dienstag vor dem Spiel flogen wir mit der Mannschaft nach Kazan, wo sie am darauffolgenden Tag gegen Süd-Korea antreten sollten.
„Wir müssen, Carly!", durchdrang Julians Stimme die Badezimmertür. „Ein Moment noch!" „Das ist schon der zehnte Moment! Wenn wir zu spät kommen, wird der Trainer sowas definitiv nicht noch mal erlauben und ich werde noch einen Kopf kleiner gemacht! Also dalli jetzt!" „Ja, ja, schon gut. Bin ja schon fertig!", sagte ich, während ich das luxuriöse Bad verließ. „Geht doch! Siehst aber echt wunderschön aus, Giftzwerg!", bemerkte Julian und setzte zum Kuss an, doch ich drückte ihn von mir weg. „Wenn wir zu spät kommen, wird der Trainer das ganz bestimmt nicht noch einmal erlauben! Also dalli jetzt!", äffte ich ihn nach. Jule fing an, zu lachen und Hand in Hand machten wir uns auf den Weg zum Foyer. „Du bist unmöglich!", fügte Julian lachend hinzu und küsste mich schließlich doch noch. „Da sind ja die Turteltauben! Wow, siehst du gut aus, Carlsen!", begrüßte uns Kevin. „Ey, Finger weg, meine Freundin!", antwortete Julian nur lachend und ich zeigte Kevin, als auch Julian den Vogel. „Wir müschen!", erklang die Stimme des Trainers hinter uns, woraufhin wir uns in Bewegung setzten und den Bus füllten. Als wir am Stadion ankamen, folgte ich der Mannschaft noch bis zur Umkleide, doch wurde draußen gestoppt. „Du kannst jetzt nicht mehr mit rein... Die Jungs müssen jetzt runterkommen und sich fokussieren, da störst du ehrlich gesagt nur... Sorry!", erklärte mir mein Fußballprofi. „Versteh ich schon! Dann rein mit dir und Fokus an! Ihr schafft das! Ich glaub an euch und eine ganze Nation tut das auch!", antwortete ich noch, bevor er sich umdrehen und gehen wollte, doch ich hielt ihn noch kurz am Ärmel. „Du Julian?" „Hm" „Ich liebe dich! Vergiss das nicht!", hauchte ich und gab ihm noch einen Kuss, bevor ich mich zur Tribüne begab. Nach dem Aufwärmen ging das Spiel auch schon los. Julian stand nicht in der Startelf und auch aus den ganzen Chancen wurde nichts. Die Koreaner foulten das ein oder andere Mal fies und sammelten so viele gelbe Karten, Deutschland hingegen nicht. Auch in der Verlängerung gab es keine Tore. Jedenfalls nicht für die deutsche Nationalelf. Die Koreaner hingegen, schossen nach 90 Minuten noch zwei Tore, wodurch Deutschland 2:0 verlor. Damit waren sie Gruppenletzter und aus dem Turnier ausgeschieden... Das erste Mal in der Geschichte der Nationalelf. Die Enttäuschung war mächtig und so verließen die Jungs niedergeschlagen und mit Tränen in den Augen den Platz; ich folgte ihnen.
„Jul-", begann ich, doch Erik stoppte mich. „Lass ihn jetzt erstmal. Er wird jetzt seine Zeit brauchen und vielleicht wird er ein bisschen anders zu dir sein. Er wird vielleicht ruhig und dann später ruppig zu dir sein, aber das braucht Zeit und vergeht wieder. Lass ihm die Zeit, aber sei für ihn da. Wenn er auf dich zugeht, alles gut, aber bedräng ihn jetzt nicht. Ich weiß wo von ich spreche und glaub mir, Julian verarbeitet sowas genauso wie ich...", riet mir Erik und ich befolgte seinen Ratschlägen. Wir beide gingen schon zum Bus vor und nahmen unsere Stammplätze ein. Nach 20 Minuten kamen die Spieler. Keiner sagte was, sie setzten sich einfach auf ihre Plätze und starrten nach draußen, auch Julian. Er ließ sich neben mich ans Fenster fallen und lenkte seinen Blick direkt nach draußen. Er oder generell alle, taten mir unheimlich leid! Das Vorrunden-Aus hatten sie nicht verdient und sie jetzt so niedergeschlagen zu sehen, machte mich traurig. Ich schaute Julian an und nahm schließlich seine Hand und küsste sie; keine Reaktion. Naja, ich musste ihm die Zeit lassen. Vielleicht wollte er später reden.
Wir flogen noch am selben Tag zurück nach Moskau und kamen alle erschöpft und niedergeschlagen am frühen Morgen, gegen 3 Uhr, im Hotel an. Julian hatte immer noch kein Wort zu mir gesagt und auch keine Anzeichen gemacht, dass er es tun würde. Im Hotelzimmer ging er direkt ins Bad und machte sich bettfertig. Währenddessen zog ich mich um und bereitete unser Bett vor, es würde zwar keine angenehme Nacht werden, aber schön anrichten schadete ja nicht. Die Tür ging auf und Julian verließ, nur mit Boxershorts bekleidet, das Bad und legte sich auf seine Seite, wo er sich direkt wegdrehte. Schulterzuckend betrat auch ich das Bad und führte meine standardgemäße Abend-Routine durch. Julian schlief schon, als ich aus dem Zimmer kam. Also tapste ich leise zu meiner Seite des Bettes und kuschelte mich in meine Decke ein, besser nicht an Julian. Die Nacht war grausam. Ich wusste genau, dass es Julian nicht gut ging; er wälzte sich hin und her, stand ab und zu auf und wühlte seine Decke von der einen zu anderen Seite. Schniefen hatte ich ihn auch gehört. Ich musste jedoch irgendwann eingeschlafen sein, denn gegen 8 Uhr wurde ich unsanft von Julian aus dem Schlaf gerissen. „Du musst packen! Wir fahren demnächst!", sagte er ruppig. So ruppig hatte ich ihn noch nie erlebt... Ich stand auf und musste mir noch den ein oder anderen dummen und harten Spruch anhören, ehe mein Geduldsfaden endgültig gerissen war. „Jetzt hör mal zu Julian! Ja, ihr habt gestern verloren und ja, ihr seid ausgeschieden, aber deinen ganzen Frust musst du jetzt nicht an mir rauslassen! Ich bin deine Freundin und kein Boxsack, auf den du wild drauf einhämmern und meckern kannst! Ich habe auch Gefühle und ich finde es auch nicht schön, dich so fertig zu sehen, aber ich kann daran nichts ändern! Ich will dir nur beiseite stehen und für dich da sein und nicht dein persönlicher Fußabtreter sein, ok?! Davon geht man kaputt... Sowohl du, als auch ich...", brach es aus mir raus und ich fing an, zu weinen. War ich zu weit gegangen?
DU LIEST GERADE
In guten, wie in schlechten Zeiten (Julian Draxler FF)
FanfictionCarlys Vater, Thomas Tuchel, tritt seinen neuen Job als Cheftrainer bei Paris Saint-Germain an und Carly entschließt sich, mit ihm nach Paris zu ziehen. Neue Leute, neue Stadt, neues Leben, erhofft sich die 21-Jährige.Wäre da nicht dieser Fußballer...