Kapitel 1

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März 2018

„Carly, raus aus den Federn, wir müssen in 2 Stunden am Flughafen sein. Frühstück steht schon fertig unten.", rauschte es um meine Ohren und ich blinzelte noch ziemlich verschlafen durch den Raum. Mein Vater hatte die Gardienen aufgezogen, sodass mein leer geräumtes Zimmer vom Licht durchflutet wurde und ich quasi gezwungen war, aufzustehen. Ich war ein absoluter Morgenmuffel, weshalb ich noch im Halbschlaf die Treppen in die Küche runterschlurfte. Man bemerke, es war gerade einmal 7 Uhr am Samstag, also absolut die falsche Zeit um aufzustehen. Trotzdem hatte ich meine blonden Haare zu einem Messi-Dutt zusammengebunden, wodurch mein Make-up verschmiertes Gesicht noch deutlicher sichtbarer wurde. Da außer mir und mein Vater aber keiner mit uns wohnte, war mir das auch ziemlich egal. Wir wohnten in einem kleinen Haus am Rand von Dortmund, da mein Vater vor kurzer Zeit noch Trainer beim BVB war, jetzt aber eine neue Stelle als Cheftrainer bei Paris Saint-Germain bekommen hatte, weswegen wir heute nach Paris umziehen wollten. Ich trank meinen lauwarmen Kaffee, den mir mein Vater schon gekocht hatte und setzte mich in die leer geräumte, weiße Küche, von wo aus ich nochmal unseren Garten begutachtete.

Als kleines Kind haben mein Vater und ich dort oft Fußball gespielt und er hat mir viele Tricks beigebracht. Er war immer der Meinung, ich könnte auch Profifußballerin werden, wovon ich eher weniger begeistert war. Ich gucke und spiele selber zwar mal ganz gerne, aber aus der Öffentlichkeit wollte ich mich immer gezielt raushalten, was als Tochter von einem Profifußballtrainer, wie meinem Vater Thomas Tuchel, nicht das Einfachste war. Wobei ich sagen muss, dass in meinen 21 Jahren nur selten mal in irgendeinem Klatschblatt zu sehen war. Ich gebe zu, ich war nicht schlecht, aber ich mochte das Leben in der Öffentlichkeit einfach nicht: Ständig werden irgendwelche Gerüchte über dich in die Welt gesetzt, es wird über jede Kleinigkeit spekuliert und wenn man was Falsches tut, ist man direkt unten durch. Außerdem hat man immer „Freunde", die nur auf Fame und Geld aus sind und sich eigentlich gar nicht für dich interessieren. Ein Grund weshalb ich nie erwähne, dass mein Vater Thomas Tuchel ist und ich deshalb auch viel Kontakt zu Profifußballern habe. Mein gesamter Freundeskreis bestand daher eigentlich nur aus Fußballer, die größtenteils beim BVB unter Vertrag standen. Einer davon war Erik, Erik Durm, mein bester Freund seit einigen Jahren. Wir waren ein Herz und eine Seele, fast schon wie Geschwister. Es brach ihm und mir zwar das Herz, als ich mich entschlossen hatte, mit meinem Vater nach Paris zu gehen, aber ich brauchte eine Veränderung. Hier in Dortmund wäre ich vermutlich irgendwann eingegangen. Hier lebten größtenteils Spießer, von denen alle super verschlossen und abwegig waren, was gar nicht zu mir gepasst hatte.

Paris hingegen war eine Welt- und Modemetropole. Junge, ausgeschlossene und entspannte Menschen, von denen die meisten super freundlich und offen waren. Keine verklemmten Spießer. Paris würde ein neuer Anfang für mich sein, gerade nach der Trennung von meinem langjährigen Freund Mario Götze, konnte ich in Paris wieder von vorne beginnen. Neue Stadt, neue Leute, neues Leben, neues Ich. Das war der Plan.

Ich wendete meinen Blick wieder vom Garten ab und wischte mir eine Träne, die mir die Wange runtergelaufen war, vorsichtig weg. Jetzt war keine Zeit für emotionales Gedöns. Der Kaffee zeigte langsam Wirkung und ich schlenderte, etwas wacher als zuvor, die Treppen hoch zu meinem leeren Zimmer. Dort angekommen ließ ich mich wieder aufs Bett fallen und wäre fast wieder eingeschlafen, bis mein Vater ins Zimmer polterte und mich ins Bad drängte. Ich sah mich im Spiegel an und nahm mir direkt ein Abschminktuch, um meine verlaufene Wimperntusche und den verwischten Lippenstift zu beseitigen. Einfacher gesagt als getan, denn ich bemerkte, dass ich wasserfeste Mascara und kussechten Lippenstift aufgetragen hatte. Ich fragte mich sowieso, warum ich mit Lippenstift ins Bett gegangen war, da ich mich nicht erinnern konnte, wann ich diesen aufgetragen hatte. Naja, als das Spektakel in meinem Gesicht dann beseitigt war, wusch ich mir noch dies und trug etwas Feutigkeitscreme und Concealer auf. Mit Puder mattierte ich das Ganze und schon war mein unspektakuläres Tagesmakeup auch schon fertig. Ich verließ das Bad und suchte meine Jogginghose und irgendein Trikot aus meinem Koffer, um mich umzuziehen. Es war mittlerweile auch schon 8 Uhr und um halb neun wollten wir eh fahren. Also setzte ich mich mit meinem Handy und meinen Kopfhörern ins Wohnzimmer, wo nur noch unser Sofa stand, welches wir nicht mit nach Paris nahmen. Ich schaltete meine Lieblingsplaylist an und wartete bis die Zeit gekommen war, zu gehen.

In guten, wie in schlechten Zeiten (Julian Draxler FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt