Ich ging die nächsten Tage wie gewohnt zur Arbeit und ab und zu ins Fitnessstudio. Irgendwie hatte ich das Bedürfnis, dahin zu gehen. Keine Ahnung wieso, eigentlich mochte ich das ja nicht, aber es machte trotzdem irgendwie Spaß. Meine Sehnsucht nach Nähe und Julian wurde immer größer. Er trainierte immer noch in Südtirol, gehörte dort bei den Testspielen zur Startelf und lieferte gut ab, meinte die Anderen. Wir telefonierten täglich und Videochatteten jeden Abend. Es kam auch mal vor, dass er mich zu Teammeetings und anderen Teamaktivitäten mitnahm. Die Jungs vermissten mich, genau wie ich sie. Ich kannte sie zwar nicht alle, aber ich hatte sie trotzdem vor zwei Wochen das letzte Mal gesehen. Ich musste noch zwei Wochen durchhalten, bevor ich nach Russland fliegen und alle Jungs wiedersehen würde.Ich saß in einem kleinen Café am Eiffelturm, als mein Handy in der Hosentasche vibrierte. „Hallo?", fragte ich in den Hörer. „Hey Carlsen, ich bin's! Wie geht's dir?" „Hey Erik! Mir geht's eigentlich ganz gut. Job läuft, Sport läuft, nur Julian und du fehlen mir so unfassbar! Ich muss dich wiedersehen! Wir haben uns vor, wie lange wohne ich jetzt in Paris? Na ja, auf jeden Fall muss ich dich sehen!" „Du wohnst schon viel zu lange in Paris! Ich muss dich auch wiedersehen!" „Warum rufst du eigentlich an?", fragte ich etwas neugierig, da Erik nicht den Anschein machte, irgendetwas spannendes erzählen zu wollen. „Ich warte auf mein Taxi und ich dachte mir, anstatt hier so blöd in der Gegend rumzustehen, könnte ich auch einfach dich volllabern!", sagte er lachend in das Telefon. Ich wollte gerade antworten, doch Erik schnitt mir das Wort ab, noch bevor ich es aussprechen konnte. „Mein Taxi ist da, muss los! Tschüss kleine!", sagte er nur noch eilig, bevor er auflegte. Seufzend packte ich mein Handy wieder beiseite, nahm einen Schluck meines Café au laits und richtete meinen Blick wieder auf den Eiffelturm. Es war traumhaftes Wetter und es schien, als wäre ganz Paris draußen. Überall tummelten sich Menschen, lachten und genossen das schöne Wetter, genau wie ich. Nachdem ich ausgetrunken hatte, bezahlte ich rasch und machte mich auf den Weg zum Café, denn meine Schicht begann in 15 Minuten. Mit den Händen in den Hosentaschen schlenderte ich durch den grünen, herrlich nach Sommer duftenden Park, nahe dem Prinzenpark. Mir kamen ein paar Mütter mit Kinderwagen entgegen, die mich freundlich grüßten, obwohl ich sie nicht kannte. Das war das Schönste an Paris: Diese freundliche Offenheit! Ich liebte es. Schwärmend kam ich etwas zu spät im Café an, wo Josi mich schon erwartete. „Na! Mal wieder geträumt und das Laufen vergessen?", fragte sie amüsiert, da ich immer noch ziemlich verträumt Löcher in die Luft starrte. „Ähh... Oh... Ups! Ja, du kennst mich einfach zu gut!" „Ich bin ja auch deine beste Freundin, ich muss dich kennen!", sagte sie lachend und ich stimmte ihr zu. Ich ging mich schnell umziehen und begann direkt, einige Bestellungen aufzunehmen. Ein Café au lait mit Croissant, eine kleine Cola und ein Panini, und zwei große Latte. Ich kochte den Kaffee und brachte ihn den Kunden, die sich draußen in die Sonne gesetzt hatten. Ein Pärchen am benachbarten Tisch küsste sich und unterhielt sich lachend. Man konnte genau sehen, wie verliebt sie waren und dass ihre Beziehung noch ziemlich frisch war. Ich lenkte meinen Blick von ihnen ab und ging wieder rein, zu Josi hinter den Tresen, wo ich mich an die Theke lehnte. „Ich vermisse Julian so schrecklich doll! Und nicht einmal Erik kann sein 'Ersatz' sein! Ich brauche männliche Nähe, Josi!", jammerte ich meiner besten Freundin die Ohren voll. „Da kann man nichts machen... hätte ich einen Freund, würde ich ihn dir ja zum kuscheln ausleihen, aber den habe ich ja leider nicht. Von daher kann ich dir da auch nicht weiterhelfen. Sorry!" „Man Josi! Zu was bist du eigentlich zu gebrauchen?", sagte ich lachend und Josi zuckte aus Ironie ihre Schultern. „Ach Josi, zum Glück hab ich noch dich!", sagte ich und umarmte sie. „Genug Liebe, Carly! Weiterarbeiten!", wimmelte sie mich ab. Josi hasste Körpernähe und alle anderen liebevollen Berührungen. Wer weiß warum. Mir wollte sie es nicht sagen. Ich absolvierte noch meine Schicht und quatschte eine Menge mit Josi, ehe sie Feierabend machte und ich alleine war. Ich mochte es nicht, alleine im Café zu sein. Irgendwie hatte ich dann immer so etwas wie Angst. Also die Angst, es könnte was passieren und niemand würde mich hören. Aus Langeweile begann ich deshalb, die Tische und die Theken zu putzen. Kunden kamen gegen 18 Uhr nicht mehr so viele, aber schließen durfte ich dennoch erst um 19 Uhr. Ein paar kalte Softdrinks und Kuchenstücke verkaufte ich noch, ehe ich das 'geschlossen'-Schild an die Tür hängte und abschloss. Ich zog mich schnell um und machte mich auf den Weg nach Hause. Die Sonne stand tief am Himmel und tränkte Paris in ein sanftes Licht. Vögel zwitscherten leise; Ich schlängelte mich durch die Massen an Menschen, die die letzten warmen Sonnenstrahlen des Tages noch genießen wollten. Ich bog in unsere Straße ein, lief zu unserem Haus und schloss die Tür zum Treppenhaus auf. Die kalte Luft schoss mir ins Gesicht. Ich schlurfte die Treppen bis zu unserer Tür hinauf und suchte den Schlüssel in meiner riesigen Handtasche. Nach einigen Sekunden des Suchens, fand ich ihn und schloss die Tür auf. „Hallo Papa! Bin wieder da!", rief ich in den langen Flur, doch keine Antwort. Ich schlüpfte aus meinen Schuhen und ging ins Wohnzimmer, von wo ich zwei Stimmen vernehmen konnte. Ich trat durch die Tür und die beiden Männer drehten sich synchron um. Mir fiel meine Kinnlade herunter und Tränen schossen mir, beim Anblick der Gesichter, in die Augen...
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In guten, wie in schlechten Zeiten (Julian Draxler FF)
Fiksi PenggemarCarlys Vater, Thomas Tuchel, tritt seinen neuen Job als Cheftrainer bei Paris Saint-Germain an und Carly entschließt sich, mit ihm nach Paris zu ziehen. Neue Leute, neue Stadt, neues Leben, erhofft sich die 21-Jährige.Wäre da nicht dieser Fußballer...