Kapitel 56

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"Zaaayn!", ich streckte meine Hand aus, während ich rannte. Der Sand erschwerte mir das Rennen, ich hatte das Gefühl nicht voran zu kommen und immer weiter und weiter in eine Grube zu fallen. Die Person schien näher dran zu sein. Man konnte nur seinen Rücken sehen. Er hatte dieselben Haare wie Zayn. Er roch wie Zayn.

"Zaayn!", murmelte ich vor mich hin. Sank und sank. Er drehte sich um und entpuppte sich als Yas. "Er ist gestorben, liebes!", flüsterte er mir zu. "ZAAAYN!", schrie ich vor mich hin und verschwand in der Grube.

"Belle, alles okay?", neben mir lag Harry, der mich traurig ansah. Es schien so, als habe er die Nacht durchgeweint. Ich nickte nur, brachte erstmal keine Worte zu stande. Ich bemerkte wie er aufstand und verschwand. Das Zimmer war eisigkalt, da auch das Fenster weit offen stand. Der Mond bildete sich schon oben im Himmel ab.

"Wenn du dich je mal einsam fühlst. Schau dir den Mond an. Ich werde immer an der anderen Ende sein und ebenfalls darauf schauen. Ich bin für dich da!", das waren einst Zayns Worte, um mich aufzumuntern, als es mir mal furchtbar ging.

Meine Hände stütze ich an meinem Kopf. Es war wahr. Die Realität sah nicht anders aus. Er ist nicht mehr da, aber ich wusste im Herzen schon. Es tat mir trotzdem furchtbar weh ihn gehen zu lassen.

Traurig blickte ich auf die Bettdecke, die schon nass von meinen Tränen war. Harry kam mit einem Glas Wasser rein und übergab sie mir. Ich trank alles in einem Schluck auf. Vermutlich hatte ich ziemlich viel in den Traum geweint. Als ich das Glas wieder abstellte, nahm mich Harry seufzend in die Arme. "Wie spät ist es überhaupt?"

"Schon 8 Uhr!"

"Hm.."

"Wir müssen aufstehen. Wir gehen nur, wenn du es wirklich willst."

"Ich will dahin, Harry!"

Er drückte mir einen Kuss auf die Stirn. "Ich liebe dich!"

"Ich dich auch"

Wir standen im selben Rythmus auf und steuerten auf unser Kleiderschrank zu. Das Kleid und Harrys Anzug hatte ich letzte Nacht gebügelt. Es hing faltenfrei im Schrank. Harry griff danach, übereichte mir das schwarze Kleid und fing an sich umzuziehen.

Das Kleid passte mir wie angegossen. Ich hatte es lang nicht mehr angezogen. Das letzte Mal, bei meiner Omas Beerdigung. Ansonsten hing es nur in meinem Schrank herum. Ich hoffte es nie wieder mehr anziehen zu müssen. Aber nun ist es wieder so weit.

Harry zog seinen Anzug an, trug eine Sonnenbrille. Ich schnappte mir dieselbe Sonnenbrille und einen Kopftuch. "Willst du nichts essen?"

"Nein", ich schüttelte meinen Kopf. "Und du?"

Er schüttelte ebenfalls seinen Kopf. "Dann lass uns los"

Wir stiegen in unserem Wagen. Es war Harrys Wagen einst, was jetzt aber uns beiden gehörte. Frisch verheiratet, starb eines der wichtigsten Menschen in unserem Leben. Es ist furchtbar. "Bereit?", fragte mich Harry. Mit einem Nicken symbolisierte ich ihm loszufahren. Die ganze Fahrt lang war es ziemlich ruhig. Den Radio hatte ich ausgestellt. Harry sprach nicht, Tränen fielen und wir waren zu kraftlos, um zu sprechen.

Harry suchte sich eine Parklücke, die er auch fand, obwohl es ziemlich überfüllt war. Wir bewegten uns in die Richtung, wo schon meine Mutter mit Liam und Niall da stand. Den Rest kannte ich nicht sonderlich. Wir stellten uns an vorderster Stelle und schauten zu wie der Sarg in eine Grube abgestellt wird. Tränen fielen mir auf die Wange, ich fing an zu schreien. Es tat einfach furchtbar weh.

Liam, Niall und Harry fingen schon an den Sarg mit Sand zu vergraben. Sie schaufelten und schaufelten, bis nichts mehr davon übrig blieb. Ich beugte mich so, dass ich den Sand berühren konnte. Der Schmerz brannte in meiner Brust, so als würde es nie wieder mehr aufhören. Wird es je wieder so sein wie es mal war?

Alles fühlte sich plötzlich so anders an. Die Atmosphäre veränderte sich schlagartig. Ich hörte zu, wie die Menschen, hinter mir, weinten, schrien. Die Traurigkeit war in ihren Augen geschrieben. Es schien so, als können sie es nicht mehr aushalten. Wie ich. Ich spürte den kalten Boden unter den Füßen. Alles in mir schmerzte schon von der Kälte. Es war mir aber egal. Furchtbar egal.

"Belle, komm wir gehen!", flüsterte Harry mir zu. Ich beharrte darauf, da zu bleiben und weiter zu trauern. Er schien sich Sorgen zu machen und zog mich am Arm. "Alles wird gut!", er vergrub seinen Kopf in meinen Haaren. "Alles wird gut!", flüsterte er nochmal.

Es schien zu funktionieren. Er brachte mich zu seinem Wagen, öffnete die Beifahrertür und ließ mich in den Sitz hineinsinken. Die frische Brise von seinem Parfüm überkam mich. Es roch gut. Fast so wie Zayns Parfüm.

Als Harry sich neben mich sinken ließ, fuhr er los. Ich blickte die ganze Zeit über aus dem Fenster. Die Welt hier draußen schien kühler zu sein. Nicht mehr so wie es mal war. Tränen fielen. Ich konnte mich nicht mal mehr kontrollen. Es ging mir einfach furchtbar. Wie sollte ich das nur überstehen, ohne Zayn?

"Ich...ich muss um 12 zur Arbeit. Gemma kommt zu dir herüber, da ich nicht möchte das du allein bist.", flüsterte Harry mir zu. Ich nickte nur. "Hast du den Job?"

"Ja.."

Ich konnte mich nicht ganz darüber freuen, war aber erleichtert, dass er die Prüfung geschafft hatte. "Danke.. das du da bist Harry!", flüsterte ich vor mich hin. Er lächelte leicht. Seine Grübchen waren zu schön für diese Welt.

"Immer, Belle!"

Er parkte in die Garage und half mir beim Aussteigen. Langsam schlenderten wir gemeinsam in unsere Wohnung. "Ich mache dir eben was zum Frühstücken!"

Harry verschwand in der Küche. Ich saß nun da, starrte auf die weiße Wand. Erinnerungen an Zayn spielten sich in meinem Kopf ab, schienen nicht mehr zu verschwinden.

Als es an der Tür klingelte, hörte ich schon wie Harry die Tür aufgemacht hatte und mit Gemma sprach. Sie flüsterten leise, bis sie das Wohnzimmer betrat und mir in die Arme fiel. "Wollen wir heute Filme schauen? Oder was schönes machen? Kannst aussuchen, was wir tun!"

Ich schüttelte meinen Kopf. Das einzige was ich wollte ist, den ganzen Tag zu weinen. "Komm schon, Belle. Wir müssen dich ablenken!"

Sie schien darauf zu beharren, zog Tickets aus der Hosentasche. "Habe Kinotickets für deinen Lieblingsfilm"

"Gemma, ich bin echt nicht in der Stimmung für sowas..."

"Du kannst nicht hier liegen und tagelang weinen. Komm schon. Zayn würde wollen, das du dein Leben weiter lebst!"

Als sie ihn erwähnte, zuckte ich leicht zusammen. Würde er es wirklich wollen?

Sie überredete mich irgendwie. Also machten wir ab gegen Abend einen Film im Kino zu schauen. Harry trug seinen Anzug, gab mir einen Kuss und verschwand zur Tür. Nun war er also Buchhalter!

Mein Studium war längst noch nicht vorrüber. Ich hatte noch ein Jahr vor mir.

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- - > Folgendes: die Kapiteln beeinhalten einen Zeitsprung, weshalb ich es in 2 Kapiteln aufteilen musste.

Vielen Dank nochmal fürs Lesen, Kommentieren und Voten ♥

Another Love #Wattys2016Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt