Kapitel 14

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*Noah POV*

„Nachdem ihr beide meine Frage mit „Ja" beantwortet haben, erkläre ich euch nunmehr kraft Gesetzes zu rechtmäßig verbundenen Eheleuten. Ich dürft, sollt und könnt euch küssen und die Ringe tauschen..." Hallte die kräftige Stimme des Standesbeamten durch den fast leeren Saal.

Alle beteiligten standen auf ihren Plätzen und sahen zu wie Jacob und Poppy sich gegenseitig die Ringe an die Finger steckten und sich dann flüchtig küssten. Das war das erste Mal das ich so etwas wie Intimität bei den beiden gesehen hatte. Egal wie oft Poppy bei uns war, egal wie oft ich Zeit mit den beiden verbracht hatte, ich hatte sie nie küssen sehen, oder kuscheln oder Händchen halten.

Ich setzte mich wieder hin und hielt mich an der Lehne des Stuhles aus der Reihe vor mir fest, während die anderen nach vorne gingen und dem frisch vermählten Brautpaar ihre Glückwünsche mitteilten und sie in herzliche Umarmungen zogen.

Nach einiger Überlegung stand ich wieder auf und ging Richtung Gang und auf das Ehepaar zu. Die Gespräche verstummten plötzlich. Jacobs Eltern rümpften die Nase und brachten gleich ein paar Schritte Abstand zwischen sich und mich. Poppys Eltern warfen den anderen beiden einen amüsierten Blick zu. Jolie lächelte mir aufmunternd zu.

Und Finley hatte mich bisher immer noch nicht einmal angesehen.

„Herzlichen Glückwunsch." Presste ich hervor und wischte mir den Schweiß von meinen Handflächen an meiner Hose ab. Jacob zog mich in eine Umarmung und klopfte mir auf den Rücken, ehe er mich wieder freigab. Dann wand ich mich zu Poppy. Sie strahlte. Ich legte einen Arm um sie und drückte ihr einen Kuss auf die Wange.

„Ich freue mich wirklich für euch beide." Meinte ich dann als ich wieder etwas Abstand zwischen uns gebracht hatte. Jacobs Mutter gab einen erstickten Laut von sich und sah aus als ob sie gleich etwas sagen wollte, aber Jacob hob die Hand. Seine Mutter hob den Kopf und zog ihren Mann hinter sich. Poppys Eltern folgten den beiden. Ihr Vater klopfte mir auf die Schulter als er an mir vorbei kam.

„Ich fand's etwas kitschig." Meinte dann Jolie plötzlich. Das schimmern von Tränen in ihren Augen war aber kaum zu übersehen. „Und was sagst du Noah?" Fragte sie dann. Ich zuckte mit den Schultern. „War doch okay." Meinte ich dann. Das schlechte Gewissen nagte an mir, da ich nicht wirklich viel mitbekommen hatte.

Ich war komplett mit den Gedanken wo anders gewesen, bis alle plötzlich aufgestanden waren.

Jolie zog Poppy mit sich, an deren Arm hing Jacob. „Jetzt lasst euch mal schön von den übrigen Gästen feiern!" Meinte sie dann und zu dritt verließen sie den Saal. Der Standesbeamte war auch schon verschwunden.

„Dann wollen wir mal." Meinte dann Vihaan, mit einem kleinen Akzent, der kaum raus zuhören war. Er klatschte in die Hände und folgte dem Ehepaar. Und dann traf mich die Erkenntnis wie ein Schlag auf den Kehlkopf.

Übrig waren jetzt nur noch Finley und ich.

Meine Augen wurden riesengroß als ich zu Finley sah, dieser sah jetzt auch auf und wirkte überrascht und verwirrt. „Wo sind denn..?" Fing er an und sah dann plötzlich zu mir. Mein Herz setzte aus und ich hatte Angst es würde nicht wieder anfangen zu schlagen, aber dann tat es das doch. Und es war schmerzhaft. Es riss mich fast auseinander.

„Finley." Sprach ich seinen Namen aus.

Er schluckte hart und wich einen Schritt zurück.

„Noah." Presste er hervor und sah mich ausdruckslos an.

Ich dachte immer mein Name aus seinem Moment würde sich wie Erlösung anfühlen, aber stattdessen hörte es sich an wie ein Fluch und kam einer Tragödie gleich. Ich dachte immer seine blauen Augen seien mein Anker, stattdessen ertrank ich in ihnen. Ich dachte immer wenn ich endlich in seiner Nähe war würde es sich wie zu Hause anfühlen, aber das tat es nicht. Ich habe mich noch nie weniger zu Hause gefühlt. Seine Wärme die ich so vermisst hatte, fühlte sich so kalt an.

„Ich.." Fing ich an, er aber schüttelte den Kopf und ich traute mich nicht weiter zu reden.

„Lass es bitte, okay? Jacob wollte das du hier bist, schön. Von mir aus, es ist ja sein Tag und für ihn werde ich das durchstehen, aber sprich nicht mit mir. Sieh mich nicht an .." Seine Stimme klang so fremd und was hatte ich auch erwartet? „Ich kann aber nicht anders." Gab ich zu. Ich hatte keineswegs erwartet dass ich mit offenen Armen von ihm empfangen wurde, aber das hier schmerzte mehr als ich es mir jemals hätte träumen lassen können.

Finley atmete tief durch und strich sich über das Gesicht.

„Wir müssen los." Meinte er dann plötzlich, drehte sich um und ging.

Völlig erschlagen folgte ich ihm.

Ich ertrank ... ich bekam keine Luft ...

So fühlt das Sterben der Hoffnung an.

In diesem Moment wollte ich nichts sehnlicher als zu trinken, bis ich ihn vergaß, bis ich alles vergaß, bis ich mich vergaß.

Draußen war schon alles vorbei, das Brautpaar wurde gefeiert und mit sterbenden Blütenblättern überhäuft. Sie waren gerade dabei in die Limousine zu steigen. „Hey!" Plötzlich war ein Arm um meiner Schulter und Glorias Stimme drängte sich in meine Gedanken. „Du hast das Beste verpasst." Meinte sie dann und warf mir einen Blick zu.

„Nicht so schlimm." Meinte ich dann.

„So schlimm?" Hakte sie nach und zog mich Richtung Auto, wo Zig schon wartete.

„Passt schon." Meinte ich dann und schaffte es doch tatsächlich mir einen Lächeln abzuquälen.

„Du machst das großartig, okay? Und jetzt wird gefeiert." Sie jubelte und riss ihre Arme hoch. Zig lachte und legte sich die Hand an die Stirn. „Ihr werdet sicher die einzigen nüchternen auf der Party sein." Meinte er dann, nachdem wir eingestiegen waren.

„Oh ja, und ich werde mein Handy immer in der Hand haben das ich ja nichts verpasse. Ich werde alles festhalten und wenn es sein muss oder sich lohnt dann Krame ich das Zeug wieder raus. Vielleicht wirst du heute nicht trinken Zig. Nur ein gut gemeinter Rat von mir." Sie zwinkerte ihm durch den Rückspiegel zu.

Er lachte wieder.

Ich saß auf dem Beifahrersitz und sah nach draußen.

Wir fuhren in einer Kolonne der weißen Limousine hinter her, ab und zu wurde gehupt. Und jedes Mal wurde es lauter und dröhnte in meinem Kopf. Mit jedem Hupen spannten sich meine Nerven mehr und mehr an.

Irgendwann, nach einer gefühlten Unendlichkeit, setzte sich die Limousine ab und fuhr zu dem Termin mit dem Fotografen um schöne Hochzeitsbilder zu machen, die für die Ewigkeit halten sollten. Momentaufnahmen zum hinstellen. Nichts würde ewig halten, konnte es gar nicht.

Gloria fuhr zu einem großen Haus, das schon fast einem Schloss gleichkam.

„Wow, das ist richtig edel. Muss bestimmt ein Vermögen kosten." Schwärmte sie und betrachtete staunend die Allee die den Weg einsäumte, bis hin zu dem Parkplatz wo schon Autos standen und sie sich eine Parklücke suchte.

Wir stiegen aus und dann war Jolie bei uns, oder vielmehr bei Gloria. Sie nahm ihre Hand und zog sie die vielen Steinstufen zum Eingang hoch. „Dann lass uns." Meinte dann Zig, der vorging und auf halber Treppe stehen blieb weil ich nicht nachgekommen war.

„Geh schon mal rein, ich bin gleich da." Meinte ich dann, Zig nickte zögernd, drehte sich um und erklomm den Rest. Immer mehr Menschen gingen die Treppen hoch. Ich ging an der Treppe vorbei und suchte mir eine ruhige Ecke. Holte meine Schachtel Zigaretten und Feuerzeug raus und zündete mir eine an und zog kräftig daran.

„Gott sei Dank!" Ertönte plötzlich eine Stimme und ich sah auf. Vihaan kam geradewegs auf mich zu, mit einer Zigarette in der Hand. „Kannst du mir mal dein Feuerzeug ausborgen?" Bat er mich und ich gab es ihm.

Er lehnte sich neben mir gegen die Steinwand.

„Ich habe meines verloren oder vergessen, wer weiß das schon. Auf jeden Fall wollte ich gerade eine rauchen, weil das alles einfach nur stressig ist. Ich habe dir ein echten Gefallen damit getan dich nicht Jacobs Trauzeuge werden zu lassen!" Er zwinkerte mir zu und zog an seiner Zigarette.

„Danke?" Meinte ich dann und zuckte mit den Schultern.

„Bitte, wirklich. Dafür bist du mir was schuldig." Er lachte und gab mir mein Feuerzeug wieder. 

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