Kapitel 63

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*Noah POV*

Im Endeffekt ließ mich Finley knapp zwei Stunden im Wohnzimmer alleine sitzen und das obwohl ich ihn schon seit gut einer Stunde nicht mehr reden gehört habe. Oder er redete einfach ganz leise, oder ich bekam es einfach nicht mehr mit. Die Zeit war für mich war auch so ein Paradoxon. Es fühlte sich an wie Stunden, am Ende hatte sich der Zeiger aber nur ein paar Minuten fortbewegt.

Ich könnte alles kaputt machen, alles auseinanderreißen. Ich könnte jetzt Unmengen an Alkohol trinken, tausend Schachtel Zigaretten rauchen. Ich könnte jetzt schlafen und gleichzeitig auch nie wieder schlafen. Ich könnte jetzt die ganze Welt zum Teufel schicken, ganz vorne an mich.

Das einzige was ich gerne machen wollen würde wäre weinen. Und mich ganz fest an Finley festhalten, aber schon alleine der Gedanke daran schreckte mich ab und ich wusste einfach nicht wieso. Warum konnte ich nicht einfach weinen? Warum brach ich nicht in einem Meer aus tausend Tränen zusammen?

Ich hörte leise Schritte und Finley tauchte vorsichtig im Türrahmen auf, mit seinen Händen in den Taschen und musterte mich. Und sofort beschleunigte sich mein Puls und ich könnte wieder gegen den Couchtisch treten, den ich erst wieder aufgestellt hatte. Die Glasscherben hatte ich aber immer noch nicht beseitigt.

„Ich habe mit Jolie telefoniert und es ihr gesagt. Und sie meinte ... also sie meinte sie will die Totenfürsorge übernehmen. Und ich will ihr gleich all den Papierkram mitgeben den sie braucht, wenn wir einen Bestatter aussuchen. Es ist eh nur die Geburtsurkunde, da sie ja nicht verheiratet oder geschieden ist, oder was weiß ich. Den Ausweis den müssten wir ja in ihrem Portemonnaie finden. Weißt du wo Gloria die Urkunde haben könnte?" Mir kam es so vor als versuche er gerade nicht auf gefrorenem Eis einzubrechen.

„In ihrem Zimmer. In der einen Kommode .. unterm Fenster." Mein Blick den ich nur ganz kurz auf ihn fokussieren konnte driftete wieder ab und ich starrte an den Weinfleck an der Wand. Finley atmete tief durch, stand noch einen Augenblick regungslos da, ehe er sich räusperte und sprach: „Soll ich alleine ..?"

Daraufhin nickte ich langsam. „Ja." Hauchte ich.

„Du könntest ja schon ein paar Sachen von dir zusammen suchen, während ich nach der Urkunde suche." Schlug er vor und nun sah ich ihn wieder an. „Wozu?" Hakte ich nach. Warum sollte ich Sachen von mir zusammen suchen? Zu welchem Zweck? „Ich werde dich sicher nicht alleine hier schlafen lassen." Meinte er dann.

Ich leckte mir über die Lippen und sah ihn einfach nur an, Finley erwiderte meinen Blick.

„Du kannst mich nicht zwingen." Sagte ich kurz und knapp. Finley spannte sich sichtlich an. „Gut, dann werde ich eben hier bei dir schlafen. Mir egal." Seine Stimme zitterte und auch wenn er versuchte stark zu wirken, ich konnte ihm genau ansehen wie hilflos er sich fühlte.

„Du hast eine Tochter. Und du musst dich um Aubrey kümmern. Du wirst hier nicht schlafen." Ausdruckslos sah ich ihn an. Ich fing jetzt schon an die Wohnung zu hassen und es wäre sicher einfacher irgendwo anders zu schlafen. Nur hatte ich Schwierigkeiten mich dem auch zu fügen. „Noah, du packst jetzt deine Sachen zusammen. Ich will dich nicht hier alleine lassen. Ich habe gerade wirklich Angst davor das du dann irgendeine Scheiße baust." Er flehte mich praktisch an.

Meine Augen rollten in ihren Höhlen. „Von mir aus." Geschlagen erhob ich mich von meinem Platz auf der Couch. „Geh die scheiß Urkunde suchen." Murrte ich ihn an, als ich an ihm vorbei ging und mein Zimmer betrat. Kurz war ich davor ihn, für den Blick den er mir zugeworfen hatte, gegen den Türrahmen zu schubsen, aber ich hatte es gelassen.

Warum war ich so? Warum wollte ich gerade meinen Freund verletzen, der nur für mich da sein wollte?

Wütend suchte ich mir eine Reisetasche raus und stopfte wahllos irgendwelche Sachen hinein, die ich hoffentlich auch so gebrauchen konnte. Und wenn nicht war halt eben auch egal. Schlimmer könnte es sowieso nicht mehr kommen. Was stört es mich denn wenn ich beispielsweise kein T-Shirt dabei habe?

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