Kapitel 74

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*Noah POV*

Es war Samstagnachmittag und der Tag war an mir vorbeigezogen wie in einem Rausch, jetzt saß ich in Finleys Auto das mich zur Klinik fahren würde. Mit im Auto saßen natürlich Finley und Aubrey. Erst hatte ich gedacht dass sie mich auf den Arm nehmen wollte, als sie sagte dass sie unbedingt mit will.

Aber es war alles andere als eine Verarschung, den sie hat wie eine Bestie darauf bestanden mit zu kommen, ob Finley und ich wollten oder nicht. Was genau sie damit bezwecken wollte wusste ich nicht. Natürlich hatten wir uns in den letzen Tagen besser verstanden als in den letzten Jahren. Es war fast wieder wie früher gewesen, als wir wirklich beste Freunde waren.

Aber ich kam nicht drum rum das ganze mehr als merkwürdig zu finden, da ich Aubrey kannte, oder ich dachte sie zu kennen. Vielleicht hatte sie sich ja geändert, so wie ich mich geändert habe. Bevor ich wieder ins Negative verfiel.

„Und weißt du schon was du da alles machen wirst? In der Klinik, meine ich. Was macht man denn da so? Betet man da einen Anti-Alkohol Gott an? Oder entsagt man da dem Alkohol-Gott? Wie ist das so? Das interessiert mich." Fragte Aubrey laut, da sie auf Grund ihres Gipsbeines sich nicht nach vorne beugen konnte um den Kopf zwischen den Sitzen zu pressen.

Finley warf mir einen Seitenblick zu, ehe er in den Rückspiegel blickte und Aubrey mit gerunzelter Stirn ansah. „Aubrey, lass das bitte." Ermahnte er sie. Vorsichtig legte er eine Hand auf mein Knie und ich legte meine Hand auf seine.

Immer wieder kamen die Bilder der Beerdigung hoch, wie Gloria ganz still in ihrem Sarg lag. Sie hatten sie hübsch aufgebahrt in der massiven Kirche. Um sie herum war ein Blumenmeer, das sie ganz sanft ins Jenseits führen würde. Wo sie vielleicht ihren Frieden fand.

Und vielleicht würde ich auch irgendwann meinen Frieden finden und der erste Schritt war die Suchtklinik.

„Warum denn? Du fragst ihn sowas nicht. Du redest generell nicht mit ihm über die Klinik. Niemand tut das. Jeder weiß das er dahin geht, aber keiner redet mit ihm darüber." Beschwerte sie sich. Das stimmt, all meine Freunde und auch meine Mutter, wussten dass ich in die Klinik gehen würde, aber niemand hat mit mir so richtig darüber gesprochen. Nur darüber wann es losging und wann ich wieder da war.

Ihm sitzt hier mit im Auto." Meinte ich, meine Stimme war kratzig, da ich fast den ganzen Tag nichts gesagt hatte. Mir hatte man angeboten dass ich was auf Glorias Beerdigung hätte sagen können und ich habe es probiert. Ich wollte was schreiben. Ich wollte aufschreiben was ich fühlte, so wie Jolie es vorhatte und auch umgesetzt hatte, aber im Endeffekt war das Blatt leer geblieben. Und das hätte es gar nicht besser beschreiben können.

„Das weiß ich doch." Schnaubte sie. „Okay, dann reden wir über andere Sachen: Plant ihr eine Paartherapie?"

„Aubrey!" Rief Finley entgeistert.

„Was denn?!" Fragte sie lautstark nach. „Ist doch berechtigt. Ich habe euch in der letzten Zeit mitbekommen, alle beide. Wo hätte ich auch hinsollen? Wegrennen mit dem Gipsbein ging schlecht." Murrte sie.

„Wir brauchen doch keine Paartherapie." Meinte dann Finley schnell.

„Also willst du mir sagen dass alles zwischen euch perfekt ist? Und alles so läuft wie es laufen soll? Ich weiß das es nicht so ist, weil der eine mir mehr erzählt wie der andere. Ich will zwar keine Namen nennen, aber derjenige klaut mir nachts immer die Decke obwohl er schon eine hat." Sagte sie.

„Noah." Jetzt warf Finley mir einen entgeisterten Blick zu.

„Mit wem soll ich denn sonst reden? Meine beste Freundin ist tot und du bist Teil dieser Situation, da bleibt sie doch nur übrig." Verteidigte ich mich. „Wie charmant." Knurrte Aubrey und fuhr fort: „Nein, aber mal im Ernst. Ich bin zwar eine Bitch aber nicht blöd und ich habe es schon mitbekommen was es aus Leuten macht wenn sie versuchen ihre Probleme versuchen alleine zu lösen."

Finley und ich blieben stumm.

„Glaub mir: Wenn ich mir damals Hilfe gesucht, oder besser: Meine Eltern mir Hilfe gesucht hätten dann wären wir beide sicher immer noch zusammen und würden nur zu dritt in unserem Haus wohnen und nicht zu viert. Oder zu fünft, wenn man den Hund mitzählt. Ich glaube in Prinzip wären wir heute dann auch noch keine Eltern, da ich dann meine Pille genommen und sie nicht ‚ausversehen' vergessen hätte." Sagte Aubrey zu Finley.

Finley schüttelte den Kopf. „Nein, das glaube ich nicht."

„Ich schon." Meinte ich leise.

„Ich bin mit Noah zusammen weil ich ihn liebe und wenn er damals nicht abgehauen wäre, dann wäre ich niemals mit dir zusammen gekommen, sondern gleich mit Noah." Sagte Finley überzeugt, drückte mein Knie sanft.

„Ja schön und gut. Aber Noah ist ja nun mal abgehauen und dann waren nur noch wir. Und du hast mich geliebt. Oder nicht?" Hakte Aubrey nach. Finley sah mich kurz an, ehe er in den Rückspiegel sah und sagte: „Ja, das habe ich. Natürlich habe ich das."

„Und wäre ich nicht so eine Bitch gewesen und dich nicht praktisch in Noahs Arme getrieben, dann wären wir heute noch zusammen." Stellte Aubrey klar und Finley schüttelte sofort mit dem Kopf. Irgendwie war die Unterhaltung komplett merkwürdig. Aber warum nicht? Mittlerweile war es sowieso egal.

„Noah wäre dann ja immer noch aufgetaucht und ich weiß .. dass ich mich dann trotzdem Hals über Kopf in ihn verliebt hätte." Meinte Finley. „Hättest du mich dann trotzdem betrogen? Wenn ich eine bessere Freundin gewesen wäre. Lieb und nett und nicht eifersüchtig?" Aubrey klang neugierig, auch wenn ich wusste dass es ihr sicher wehtat. Schließlich hatte sie mir erzählt dass sie Finley immer noch liebte.

„Das weiß ich nicht, okay? Ist doch auch nicht so wichtig. Es ist ja nun mal so gekommen wie es gekommen ist und keiner von uns kann etwas daran ändern. Ich bin mit Noah zusammen und wir beide haben ein Kind. Ist nicht die perfekte Konstellation, aber was ist bei uns schon perfekt?" Finley konzentrierte sich auf die Straße und nahm seine Hand von meinem Bein um zu schalten.

„Von mir aus, aber jetzt mal zurück zum eigentlichen Thema: Wie alle drei in diesem Auto abkacken bei dem Versuch ihre Probleme alleine zu lösen und denken die Zeit wird das schon richten. Oder sich denken: Das wird schon. Es wird nicht. Noah muss in eine Suchtklinik und ich bin die Treppe heruntergestürzt, weil ich dem Mann der Träume meines Mannes der Träume an die Gurgel gegangen bin. Und Finley ... hält sich momentan wacker, aber das habe ich auch schon anders gesehen und gehört." Erzählte sie weiter.

Finleys Hand legte sich wieder zurück auf meinem Oberschenkel, ich verfocht meine Finger mit seinen.

„Was meinst du damit? Mit mir ist alles gut." Sagte Finley.

Aubrey lachte bitter auf. „Glaubst du? Wirklich? Oh je, das tut mir leid."

Ich sah Finley an und er presste seine Kiefer aufeinander, hatte den Blick starr geradeaus auf die Straße gerichtet, seine Finger verkrampften sich. Sanft strich ich mit dem Daumen über seine angespannte Haut.

Es war kurz still, ehe Aubrey sich räusperte uns sagte: „Wie lange dauert es noch bis wir da sind?"

Finley stöhnte genervt auf, weil Aubrey das auch schon gefragt hatte als wir ins Auto gestiegen waren und nicht mal fünf Minuten unterwegs waren. Und seit dem hatte sie auch ungefähr alle fünf Minuten wieder danach gefragt.

„Noch ungefähr eine halbe Stunde." Antwortete ich für Finley.

Aubrey schnalzte mit der Zunge. „Oh Gott. Ich glaube ich hätte zu Hause bleiben sollen. Und ... ich muss pinkeln." Sagte sie. Finleys rollte mit den Augen. „Du wirst doch noch eine halbe Stunde aushalten, oder nicht?" Fragte er sie.

„Nein? Ich bin es gewohnt sofort auf die Toilette zu kommen wenn ich muss, also erwarte jetzt nicht von mir das ich noch warten soll." Sagte sie. Ich drehte mich zu ihr um und sie hatte die Arme vor der Brust verschränkt.

„Du musst aber jetzt warten." Meinte Finley.

„Dann pinkel ich dir ins Auto." Sagte Aubrey ernst.

Ich drehte mich zu ihr um und sie grinste mich an. Ich lächelte leicht zurück und drehte mich wieder nach vorne.

„Oh Gott. Von mir aus." Stöhnte Finley und zum Glück würde in knapp hundert Meter eine Abfahrt zu einer Raststätte kommen, Finley setzte den Blinker als wir kurz vor der Abfahrt waren.

„Du bist ein Engel." Sagte Aubrey.

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