Frust

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Obwohl Tonks kaum noch mit ihrem Gewissen zu kämpfen hatte, weigerte sie sich stetig, noch einmal ins Bett zu gehen. Immerhin war sie bereit, eine Nachtschicht abzugeben, doch etwas mehr Erholung wäre sicherlich kein Fehler, so dachte Lupin.
Dennoch blieb Tonks standhaft. Es würde sich ohnehin nicht mehr lohnen und außerdem wollte sie dabei sein, wenn Harry käme, um ihm für die Anhörung noch einmal viel Glück wünschen zu können.

Bald schon hörte Lupin auf, zu widersprechen. Er fühlte sich eigenartig. Der Moment, in dem er sich so anders, so geborgen gefühlt hatte, hatte etwas in ihm ausgelöst. Er fühlte sich ein wenig benommen, abwesend, aber auf irgendeine Weise doch beflügelt und erfüllt.
Wahrscheinlich war er schlichtweg übermüdet, hatte aber auch Genugtuung durch die erfüllte Mission. Das sollte es erklären.

Ungewöhnlich früh kamen auch Sirius, Molly, Arthur und schließlich Harry hinzu, ehe sich die letzteren beiden zur Sicherheit lange vor Anhörungsbeginn zum Zaubereiministerium aufmachten.
Viel früher als erwartet kehrten die beiden wieder zurück – die Anhörung war scheinbar vorverlegt worden – und überbrachten die guten Neuigkeiten von Harrys Freispruch.

Dennoch gab es einige dunkle Flecken, die den hellen Tag beschmutzten.
„Mir gefällt das nicht", meinte Lupin grüblerisch an Tonks gewandt. „Ich bin mir sicher, dass die Anhörung nach vorne verlegt wurde, damit Dumbledore sie ganz verpasst und Harry zu spät kommt. So hätten sie die besten Voraussetzungen gehabt, um ihn von Hogwarts zu verweisen. Und wäre Arabella nicht gewesen, wäre es ihnen wahrscheinlich trotz Dumbledores Anwesenheit gelungen, da Fudge es offenbar so schnell hinter sich bringen wollte, dass er nicht einmal bereit war, die Dursleys zu befragen... Wenn das mit den Leitenden des Ministeriums so weiter geht, haben wir bald womöglich nicht nur eine Gruppe an Feinden..."
„Das ist wirklich problematisch", stimmte Tonks zu und biss sich auf die Lippe. „Noch dazu käme eben, dass Sirius' Stimmung sich seitdem sichtlich verschlechtert hat."
„Den Eindruck hast du auch?", entgegnete Lupin nickend und betrachtete traurig den Tisch. „Wir sollten versuchen, für ihn da zu sein, aber ich kann es nicht gutheißen, dass er seine Missgunst so offen zeigt. Er hatte schon immer einen Hang zum Dramatischen und nach allem, was er durchgemacht hat, kann ich ihn auch verstehen... doch, nun ja. Hoffen wir, dass es sich bald wieder legt."

~
Mittlerweile war der Tag gekommen, an dem Lupin in Begleitung von Hestia Jones erfahren sollte, wie viele Zentauren zur Kooperation bereit waren. Viele Ordensmitglieder, darunter auch Dumbledore höchst selbst, warteten in der Küche des Grimmauldplatzes schon auf ihre Wiederkehr.

Tonks schielte immer wieder ungeduldig auf die Küchenuhr, als gäbe es eine vereinbarte Zeit, an der die beiden zurück sein müssten. Endlich hörten sie leise Geräusche aus dem Flur, ehe die Tür zur Küche geöffnet wurde.
„Und, wie viele wollen kooperieren?", fragte Tonks erwartungsvoll und stieß dabei den Stuhl, von dem sie soeben aufgesprungen war, um.
„Nur acht", antwortete Lupin matt und schloss die Tür hinter sich.
„Oh", gab Tonks betrübt von sich und ließ sich wieder auf ihren Stuhl sinken, „wieso das?"
„Ich verstehe nicht, warum ihr deshalb so enttäuscht seid", mischte sich Hestia ein.
„Stimmt schon, immerhin konntet ihr ganze acht Zentauren dazu überreden, ihren Stolz zu vergessen und für unsere Sache zu kämpfen", stimmte Dädalus freudig zu.
„Nicht nur das", ergänzte Hestia und warf elegant ihr schwarzes Haar zurück. „Es wurde ganz deutlich, dass wohl alle Zentauren einen enormen Groll gegen die Todesser hegen und sie am liebsten im Kessel schmoren sehen würden. Und so ziemlich alle scheinen von der Wiederkehr von Ihr-wisst-schon-wem überzeugt zu sein. Wir müssen also nicht befürchten, dass sie sich ihm anschließen und wir sie als Gegner bekämpfen müssen"
„Das sind gute Nachrichten", meinte Dumbledore und nickte anerkennend. „Ihr habt ganze Arbeit geleistet, ihr beiden".

~
Am späten Abend saßen Lupin, Tonks und Sirius alleine in der Küche. Sirius machte sich einen Spaß daraus, Voldemorts Namen möglichst oft zu erwähnen, um zu beobachten, wie Tonks zusammenzuckte, auch, wenn es mit der Zeit merklich besser geworden war.
Lupin war froh, dass Sirius mittlerweile zumindest gelegentlich wieder lachte, obgleich er sich immer noch sehr oft zurückzog und äußerst gereizt war.
Jeglicher Versuch, mit ihm vernünftig zu reden, war allerdings gescheitert und so versuchte Lupin einfach, seinen gewöhnlichen Alltag fortzusetzen, konnte man das Ordensleben denn als ‚Alltag' bezeichnen.
Einmal mehr jubelte Tonks freudig, als sie von Remus einen der Frösche entgegennahm, ihn öffnete und mit sichtlicher Genugtuung den Kopf abbiss.
„Du Sadistin", scherzte Sirius.
„Ich glaube, wir müssen den Schwierigkeitsgrad erhöhen – so viele Schokofrösche habe ich nicht mehr auf Lager", wandte Lupin lachend ein und beobachtete, wie Tonks ihre neue Karte von Elfrida Clagg in Augenschein nahm.
„Wie wär's mit drei Mal ‚Voldemort', die ohne Regung aushalten musst, bevor du einen erhältst?"
„Na schön." Tonks grinste zusammenzuckend, doch plötzlich verstummte sie jäh.

„Was glaubst du, wie viele hätten wohl mitgemacht, wenn es ... anders gelaufen wäre?" fragte sie an Remus gewandt mit trauriger Miene. Lupin begriff sofort, wovon sie sprach.
„Nur acht von über zweihundert... Ich verstehe einfach nicht, dass nicht einmal Malodiam... ich meine, wir haben uns so gut verstanden, er hat mir sofort geglaubt und es hat auch so gewirkt, als würde er die Todesser wirklich hassen..."
„Er hatte Angst, Tonks", antwortete Lupin ernst. „Angst vor den Todessern und ich schätze auch Angst vor Fidian. Hestia schien vorhin innerlich regelrecht nahe einem Zusammenbruch, als ich kurz mit ihm geredet habe – und immerhin hat er sozusagen eine Drohung gegen alle ausgesprochen, die bei der Kooperation ihrer Gattung irgendwie Schande bereiten, und seine Messlatte diesbezüglich ist sehr niedrig – es ist also irgendwie durchaus verständlich. Doch trotzdem. Wenn meine Ansprache überzeugender gewesen wäre..."
„Ach hüpfende Hinkepankherde, deine Rede war wirklich großartig! Es ist meine Schuld!", wiedersprach die Metamorphmaga.
„Nein, Tonks, du hast großartige Vorarbeit geleistet, wenn jemand –"

„Würdet ihr wohl endlich aufhören, das Ganze so negativ zu sehen?!", rief Sirius wütend aus. „Warum unterschlagt ihr bitte alles, das ihr erreicht habt? Meine Güte, sie werden schon einmal nicht unsere Feinde und damit ist viel gewonnen! Und obwohl die meisten Zentauren Menschen am liebsten von diesem Planeten verbannen würden, haben sich ein paar sogar uns angeschlossen! Und das wiederum, obwohl dort scheinbar so ein creepy Langhaar rumläuft, dass allen droht, die mitmachen wollen – und meintet ihr nicht auch vorhin, dass sie auch nicht in seiner Anerkennung sinken wollen? Trotz alledem wollen uns acht Zentauren sogar helfen, obwohl es eigentlich in erster Linie darum ging, dass sie sich Voldemort nicht anschließen!
Keiner hat euch auch nur ein Wort des Vorwurfs gemacht, das wart ihr die ganze Zeit selbst und wir alle sehen das als gelungene Mission! Also steckt euch diese Haltung gefälligst sonst wohin!"

Ruckartig schob Sirius seinen Stuhl beiseite, verließ schnellen Schrittes die Küche und knallte die Küchentür zu. Mrs. Black begann augenblicklich mit ihrem Gebrüll.

„HALT DEINE VERDAMMTE KLAPPE, DU MISSGEBURT VON EINER MUTTER!", schrie Sirius so laut, dass er Mrs. Black sogar übertönen konnte.

Nachdem Lupin und Tonks sie mühevoll zum Schweigen gebracht hatten, setzten sie sich zurück in die Küche und schwiegen sich eine Weile an.

„Er hat recht", verkündete Lupin schließlich, „wir dürfen das nicht mit einer solchen Haltung angehen. Am Anfang unserer Mission hatten wir unser Augenmerk wirklich noch darauf gelegt, sie davon abzuhalten, sich Voldemort anzuschließen und jetzt stehen Eren und sieben weitere Zentauren auf unserer Seite. Vielleicht hat es zwischenzeitig so gewirkt, als würden uns mehr helfen, aber Fidian ist nun einmal einflussreich. Auf jeden Fall sollten wir versuchen, das alles etwas positiver anzugehen. Es gibt schon genug Dinge, die uns das Leben schwer machen, da sollten wir uns nicht auch noch selbst Steine in den Weg legen."
„Und was machen wir wegen ihm?", wollte Tonks wissen und blickte zur Decke, als könnte sie Sirius im oberen Stock so erkennen.
„Solange er sich weigert, einzusehen, dass es wirklich zu unser aller Besten ist, dass Harry nach Hogwarts zurückkehrt und er das Haus nicht verlassen darf, wohl gar nichts", antwortete Lupin seufzend. „Ich kenne ihn und in solchen Situationen hilft weitere Konfrontation meist wenig. Wir brauchen einfach Geduld und vielleicht legt sich das auch wieder von alleine, sobald er sich endgültig damit abgefunden hat. Hoffentlich."

Weil du mich zum Menschen machstWo Geschichten leben. Entdecke jetzt