Wie konnte er es wagen? Wie konnte er es nur wagen?! Er, ersollte ein Feigling sein, wie Peter es gewesen war?! Die Frage zog Sekunde um Sekunde durch seinen Kopf, doch er rauchte noch immer vor Wut. Harry hatte James nicht gekannt, er hätte nie gewusst, was er gewollt hätte! Er konnte Tonks und seinem Kind nur helfen, wenn er fort war; er wäre nur eine Belastung; er nahm alles auf sich, all das Leid, all den Schmerz, nur zu ihrem Wohl und alles, was er dafür erntete, war Spott und Hohn? Wie hatte Harry es nur wagen können?!
Er hatte sein Kind in einen Werwolf verwandelt, wegen einiger weniger Wochen hatte er Tonks in einen Bereich der Gesellschaft gestoßen, aus dem sie wohl nie wieder zurückkehren würde; er hatte sie in Gefahr gebracht, in Lebensgefahr und selbst, wenn sie sich nun scheiden ließen, würde sich vielleicht nichts daran ändern ... Wie hatte er nur so leichtfertig sein, mit ihrem Leben spielen können, für seine eigenen egoistischen Wünsche? Wie hatte er nur so unvorsichtig sein und ein Kind in die Welt setzen können? Und nun, nach allem, was er durchgemacht hatte, versuchte sein Ex-Schüler auch noch, ihn zu belehren, ihn? Er wusste, dass er Fehler gemacht hatte, aber die Schritte, die er ging, waren tapfer und mutig! Er würde seine Frau zurücklassen und alles ertragen, damit er ihr und ihrem Kind besser gehen würde! Er war bereit, sich auf eine lebensbedrohliche Reise einzulassen, um etwas Gutes für die Welt zu bewirken! Das war alles andere als feige!
Remus schlug mit der Faust auf den Tisch und forderte unfreundlich ein Dutzend Gläser Feuerwhiskey.
Vielleicht war James zwar bei seiner Familie geblieben, aber in dieser Hinsicht hätte er ebenso gehandelt! Es war immerhin zum Wohl seiner Frau und seines Kindes! Er hätte ganz bestimmt das gleiche getan! Und wenn nicht, dann nur nicht, weil er zu leichtsinnig war und die Gefahren nicht erkannt hätte, wie damals!
Sein Blick glitt zu seinem Ehering. Er zog ihn schwungvoll ab und wollte ihn in die nächste Ecke des Ladens schmettern, doch etwas hielt ihn zurück. Er hatte Tonks geheiratet. Er hatte sich zu Treue auf Lebenszeit verpflichtet. Und Schwüre waren ihm schon immer heilig gewesen. Sollte es einfach so aufhören? Sollte er sich einfach so scheiden lassen? Sollte all das unfassbare Glück der letzten Wochen zu Ende sein?
Remus stürzte ein Glas Feuerwhiskey hinunter, der belebend in seiner Kehle brannte. Musste er sich wirklich von all diesem Glück verabschieden? Doch hatte er eine andere Wahl? War es nicht gar zu spät, um Tonks zu verlassen? War sie nicht schon längst eine Ausgestoßene? Doch würde er alles nur noch schlimmer machen, wenn er bliebe!
„Wir stehen das zusammen durch", erklang Tonks' Stimme in seinem Kopf. „Es wird nicht einfach werden, aber wir haben bisher alles gemeistert und wir werden das auch schaffen!"
Hatte sie damals nicht Recht behalten? Die Zeit, ehe sie zusammengekommen waren, war die Hölle gewesen. War ihr Glück nicht ein wenig des Leides wert?
‚Unsinn!', schalt er sich selbst, ‚ich würde alles nur noch schlimmer machen, wenn ich bliebe! Weil –'
Doch ihm fielen keine Argumente ein.
Er trank das zweite Glas Feuerwhiskey in einem Zug leer und versuchte, einen klaren Kopf zu bekommen.
Was sollte er nur tun?! Mit der Hochzeit hatte er sich der Treue verpflichtet und alles in ihm wehrte sich vehement, Tonks wieder gehen zu lassen. Sie liebte ihn und er liebte sie. Was würde er dafür geben, sie jetzt in seinen Armen zu halten, sie zu riechen, zu fühlen?
Etwas in Remus wusste, dass James damals tatsächlich alles dafür getan hatte, seine Familie selbst in den schwierigsten Zeiten zusammenzuhalten, doch war das der richtige Weg? Und seine Eltern, Lyall und Hope – auch sie hatten ihn nicht aufgegeben, obwohl er war, was er war...
Weiterer Feuerwhiskey rann seinen Hals hinab. Remus war kochend heiß.
War es möglich, dass er doch versucht hatte zu fliehen? Hatte er so viel Angst vor den Schwierigkeiten, die das Baby verursachen würde, dass er einfach versuchte, davonzulaufen?
Schwachsinn!, rief eine Stimme in seinem Kopf, doch ein ehrlicher Teil seiner selbst gab ihm Recht. Er hatte tatsächlich Angst. Angst, sich der Herausforderung zu stellen.
Die Realität traf ihn wie ein Schlag ins Gesicht – er hatte vor den Schwierigkeiten fliehen und Tonks alleine mit ihnen zurücklassen wollen. Er hatte sein ungeborenes Kind einer schwierigeren Zeit überlassen wollen, obwohl er selbst alles daran setzten konnte, dass sie so angenehm wie möglich wurde.
Harry sagte, er würde sich für ihn schämen – wenn selbst Harry so etwas behauptete, Harry, der in anderen wie Lily stets das Gute sah – musste er dann nicht Recht haben?
Er war tatsächlich ein grenzenloser Feigling.
Unermesslicher Scham erfüllte ihn, obwohl der Alkohol seine Sinne schon vernebelt hatte. Er musste schlafen, alles noch einmal überdenken und dann die Option wählen, die für sie alle am besten war. Doch wenn ihn nicht alles täuschte, hatte er einen riesigen Fehler begangen.–
Der nächste Morgen brachte ihm genau diese Erkenntnis aufs Neue. Schon wenige Sekunden nach dem Aufstehen war ihm klargeworden, dass er ein enormes Glück haben würde, wenn Tonks ihn zurücknahm. Er fürchtete sich vor dem bevorstehenden Gespräch, doch es war alles, was er versuchen konnte.
Mit zitternden Händen klingelte er an Tonks' Elternhaus.
„Wer ist da?", fragte Andromedas feste Stimme.
„Hier ist Remus Lupin... ich muss mit meiner Frau – ich muss mit Dora sprechen."
„Nach alledem, was Sie ihr angetan haben? Verschwinden Sie! Wir lassen nicht zu, dass unsere Tochter so misshandelt wird!" Der Tonfall und die Tatsache, dass sie ihn siezte, verletzten Remus zutiefst, allem voran aber ihre Wortwahl. Wie schlimm war es Tonks nur ergangen, wenn ihre Mutter so mit ihm sprach?
„Bitte. Ich bitte Sie. Wenn Dora mich fortschickt, werde ich nie wieder zurückkommen, aber bitte lassen Sie sie das selbst entscheiden – bitte. Sie bedeutet mir alles."
Für einen Moment herrschte Stille. Dann wurde die Tür klickend geöffnet und Andromeda ließ ihn herein, ohne ihm in die Augen zu sehen. „Sie ist oben."
Remus stieg die hölzernen Stufen empor, die mit jedem Schritt leise knarrten, wie unter der Last, die er selbst gerade trug.
„Dora?", fragte Remus, als er zwischen den geschlossenen Türen des oberen Stockwerks hindurchging, „bist du da?"
„Verschwinde."
„Dora, ich –", begann Remus und betrat das Zimmer, aus dem die Stimme erklangen war. Tonks saß auf dem Bett des Gästezimmers, in dem sie geschlafen hatten und sah ausdruckslos an die Wand.
„Was willst du, Remus?"
Obwohl Remus selbst nach weinen zumute war und es Tonks noch viel schlimmer ergangen sein musste, lief keine Träne ihre Wange hinab. Sie starrte ihn nur mit eisigen Augen an, die ihn wie Speere durchbohrten.
„Dora – es – es tut mir so leid!", flüsterte Remus und fiel vor ihr auf die Knie. „Es ist alles meine Schuld – es war ein riesen Fehler – ich wollte nie – ich – ich wollte nur dein Bestes – bitte – bitte verzeih mir."
„Glaubst du wirklich, es ist so einfach?", fragte Tonks und lachte hohl auf. „Remus, du hast mir mein Herz gebrochen. Du hast mir Treue auf Lebenszeit geschworen und nach ein paar Tagen haust du ab?!"
„Es tut mir leid!", wiederholte Remus, „es tut mir so unendlich leid, Dora. Ich dachte wirklich, du wärst besser dran ohne mich – ich dachte wirklich, wenn ich weg wäre, wäre es einfacher – wärst du sicherer – aber ich war feige. Ich war so feige und ein unvergleichlicher Idiot! Ich habe einen Fehler gemacht, unüberwindbare Probleme vor mir gesehen und bin einfach abgehauen! Wenn Harry es mir nicht klar gemacht hätte - ich hätte dich mit den Problemen allein gelassen, aber glaub mir bitte – ich war mir dessen nicht bewusst! Ich wollte wirklich nur dein – euer Bestes, Dora! Wenn du mir irgendwie verzeihen kannst ... bitte...!"
–
Er wusste also, wie sehr er sie verletzt hatte. Es tat ihm leid. Er sah es ein.
Die Zeit ohne ihn war Tonks wie die Hölle erschienen. Es hatte keine einzige Minute gegeben, in der sie nicht an ihn gedacht hatte, ihn am liebsten hergewünscht und gleichzeitig ans andere Ende der Welt geflucht hätte.
Ein kleiner Gedanke in ihrem Kopf wisperte, dass sie ihn schlagen sollte, wegschicken, so, dass sie ihn nie wiedersehen müsste – aber ein anderer, mächtigerer wollte ihn nur in den Arm nehmen. Sie sehnte sich so sehr danach, ihn wieder in den Arm zu nehmen, seine Nähe zu spüren, ihn zu küssen, bei ihm zu sein – und obwohl sie so verletzt war, wusste sie, dass sie nicht umhin kam, ihm noch eine Chance zu geben. Obwohl sie noch nicht lange zusammen waren, war ein Leben ohne Remus ... undenkbar. Das Leid der vergangenen Tage hatte ihr das unumstößlich klargemacht.
Sein verzweifeltes Flehen auf Knien, die Tatsache, wie sehr ihn das alles quälte – sie vermochten es endgültig, Tonks das matte Lächeln zu entlocken.
~
„Ich werde es versuchen. Aber ich weiß nicht, ob ich etwas versprechen kann. Du hast mein Vertrauen gebrochen."
„Ich weiß", sagte Remus verzweifelt, „ich weiß. Und ich würde alles tun, um es wiedergutzumachen, alles. Bitte, bitte sag mir, was ich tun soll."
Es dauerte eine Weile, bis Tonks antwortete. „Setz dich neben mich."
Remus gehorchte. Seine Augen waren tränenfeucht und er schluckte schwer, den Blick abgewandt, damit Tonks nicht sah, dass er weinte.
„Sieh mich an", bat Tonks und Remus drehte langsam seinen Kopf.
„Ich werde alles daran setzen, dass ich dir komplett verzeihen kann, in Ordnung?" Sie lächelte Remus nachsichtig an und hauchte ihm einen Kuss auf den Mund. „Ich bin so froh, dass du zurück bist."
Remus schien es, als würde sich ein Teil des Etwas, das in ihm zerbrochen war, wieder zusammensetzen. Sie gab ihm eine Chance. Sie gab ihm tatsächlich eine Chance!
„Ich liebe dich, Dora. Ich liebe dich so sehr. Ich liebe dich." Remus umschlang ihren Hals und zog Tonks in einen verzweifelten Kuss. „Ich werde dich nie, nie mehr verlassen. Das verspreche ich dir. Bei meinem Leben."
___________________
Frage an EUCH: Welcher HP-Charakter ist in euren Augen am mary-sueigsten, also hat am wenigsten Schwächen, ist am perfektesten (dazu gehört Aussehen, Talent, Charakter und wenige Fehler machen im Laufe der Story)?

DU LIEST GERADE
Weil du mich zum Menschen machst
FanfictionRemus Lupin X Nymphadora Tonks. Als Remus Lupin im Kindesalter mit Lykanthropie infiziert wurde, änderte sich sein Leben schlagartig: Er musste sich fortan damit abfinden, sein Leben als Monster, als Ausgestoßener der Gesellschaft zu fristen. Nie...