„Wer begleitet Tonks zur nächsten Wache?", fragte Mad-Eye beim nächsten Ordenstreffen in die Runde.
Der Vorschlag mit dem Kitzelfluch und der automatischen stündlichen Vibration der Uhr war mit Begeisterung aufgenommen worden und da es sonst nicht viel zu besprechen gab, wurden vorsorglich die Wachen für die kommenden Wochen verteilt.
„Ich kann das übernehmen", meldete sich Remus.
„Merlin, Remus, kommt überhaupt nicht infrage!", empörte sich Molly. „Du bist ja jetzt schon ganz blass und in ein paar Tagen wirst du jede Sekunde Schlaf, die du bekommen kannst, brauchen!"
Es war überhaupt nicht seine Art, das zu vergessen, genau genommen verstand er selbst nicht, warum er sich eigentlich gemeldet hatte. Tonks war nett und er mochte sie wirklich, aber das traf auf die meisten Ordensmitglieder zu. Und nun würde sie sich garantiert fragen, warum er den Schlaf bräuchte und so intelligent, wie sie war, würde sie wohl dahinter kommen, dass er ein Werwolf war und wenn sie das nicht durch ihn selbst erfuhr ... Er musste es ihr sagen, am besten noch heute.
„Dann übernehm' ich das", rief Sirius aus, kaum hatte Molly zu Ende gesprochen.
„Bist du von allen guten Geistern verlassen?! Du wirst das Haus nicht verlassen, das weißt du doch!"
„Aber unter dem Tarnumhang..." begann Sirius.
„Sirius." Es war nun Dumbledore, der mit seiner ruhigen Stimme sprach. „Ich weiß, dass du hier nicht gerne festsitzt, aber wenn du ertappt werden würdest, wäre das eine Katastrophe."
„Ich gelte doch ohnehin als Massenmörder, ich habe nichts mehr zu verlieren, bei jedem anderen von euch wäre euer Ruf für immer geschädigt und-"
„Alle außer dir, Sirius, würden allerdings nach Askaban geschickt werden oder sogar einen Prozess erhalten, wohingegen du unverzüglich dem Kuss des Dementoren ausgesetzt werden würdest. Und so talentiert du auch sein magst, gegen eine Übermacht von Ministeriumsangestellten, von denen einige Auroren sein dürften, hättest selbst du keine Chance."
„Ich habe in meinem Leben so viele heikle Situationen überstanden und ich war fast ein Jahr auf der Flucht, ich konnte selbst in Hogwarts eindringen und wurde trotzdem nicht gefasst. Außerdem würde ich ja mein Äußeres verändern. Und ich denke, ich kann sehr wohl ...!!"
Die Diskussion nahm noch ein paar Minuten in Anspruch, doch Lupin wusste, worauf Sirius wirklich aus war. Es war ihm von Anfang an klar gewesen, dass er eine Wache nicht durchsetzen können würde, das Thema war schon oft genug besprochen worden und jedes Mal war das Resultat dasselbe gewesen.
Viel mehr wollte Sirius Mollys' Worte, durch die Tonks auf sein Werwolf-Dasein schließen könnte, in den Hintergrund schieben, indem er sich selbst so vordergründig präsentierte. Solche Methoden hatte er bereits im Schulalter liebend gerne angewandt, um seine Fehler zu vertuschen.
Und nun wollte er ihm die Möglichkeit geben, selbst zu entscheiden, wann er bereit war, ihr zu sagen, was genau es mit ihm auf sich hatte und dafür war er ihm wieder einmal sehr dankbar.
Letzten Endes übernahm Molly Tonks' Begleitung und die Versammlung war beendet.
„Danke für vorhin", raunte Remus Sirius unauffällig zu.
Er grinste ihn nur an. „Oh, du hast es also gemerkt?" „Natürlich, man sollte doch meinen, dass ich dich nach all den Jahren kenne, oder etwa nicht?"
„Molly hat Recht, du siehst wirklich blass aus!", stellte Tonks erschrocken fest.
„Scheinbar war es wohl aber nicht sehr erfolgreich", wisperte Sirius so leise, dass nur Lupin es hören konnte.
„Der Gute hat kein sonderlich gutes Immunsystem, wird ständig krank und liegt dann erst einmal tagelang im Bett", sagte Sirius laut und klopfte fest auf Remus' Rücken.
Er hatte es klugerweise vermieden, Tonks nochmal auf Lupins Spitznamen „Moony" aufmerksam zu machen.
„Danke Sirius, aber ich denke, das ist nicht mehr nötig. Würdest du mich kurz begleiten Tonks? Ich möchte das nicht hier klären und bis zum Essen wird es wohl noch ein wenig dauern."
„Viel Glück", raunte Sirius kaum hörbar und als Antwort nickte Lupin im Hinausgehen.
Tonks folgte ihm die Treppe hinauf in ein kleines Zimmer und ließ sich neben ihm auf einem Bett nieder.
„Also", begann Lupin und holte tief Luft. „Bevor ich anfange, möchte ich dich vorwarnen. Das, was ich jetzt erzähle, könnte dich erschüttern, verängstigen oder zutiefst verstören. Ich wünschte so sehr, dass es nicht so ist, aber ich habe nicht die Macht, es zu ändern."
Tonks schaute ihm direkt in die Augen und obwohl sie ein wenig Angst hatte vor dem, was sie gleich erfahren würde, brannte sie nun geradezu vor Neugier.
„Ich war damals noch ganz jung. Mein Vater, Lyall Lupin, arbeitete zu der Zeit im Zaubereiministerium und hatte dienstlich mit einer bestimmten Person zu tun: Fenrir Greyback."
Tonks stockte der Atem. Der Fenrir Greyback, der Jay auf dem Gewissen hatte, hatte auch Remus etwas angetan? Hatte er etwa seinen Vater getötet? Oder-?
„Er provozierte ihn jedenfalls, indem er sagte, dass alle Werwölfe getötet werden müssten und daraufhin wollte Greyback Rache – und er beschloss, dass es meinen Vater am meisten verletzten würde, wenn – wenn ich das Opfer wäre. Ich war noch sehr jung, keine fünf Jahre alt, als er plötzlich durch mein Zimmerfenster gebrochen ist. Als mein Vater den Lärm mitbekommen hatte und herbeigestürmt war, konnte er Greyback mit einigen Zaubersprüchen davonjagen, doch – es war bereits zu spät. An diesem Tag ... bin ich ein Werwolf geworden."
~
Lupin sprach weiter, ohne Tonks anzusehen. Er wusste, dass es ihm sehr zusetzen würde, wenn er sie entsetzt, vielleicht sogar verachtend dreinblicken sah. Er wollte es nicht glauben und hatte dennoch Angst davor. Stattdessen betrachtete er den Teppichboden zu seinen Füßen.
„Meine Eltern brachten mich zu den verschiedensten Heilern, doch es gab keine Aussichten auf eine Genesung ... nicht eine Möglichkeit. Ich spüre es nicht nur in den Vollmondnächten und kurz davor und danach, sondern immer. Seit dem Biss fühle ich mich nachts wacher und meine Sinne sind schärfer als die eines normalen Menschen. Und auch die Narben, die ich mir bei meinen Verwandlungen zugefügt habe... sie werden für immer bleiben."
Lupin hielt kurz inne. Tonks hatte sich noch immer nicht bewegt. Sie war jedenfalls noch nicht aus dem Zimmer gelaufen. Das war ein gutes Zeichen ... zumindest könnte es schlechter sein ... wahrscheinlich jedenfalls.
Also fuhr er fort. „Als ich alt genug war, das zu begreifen... es war ein unglaublicher Schock für mich. Ich würde als Ausgestoßener der Gesellschaft leben müssen. Und ich würde niemals lernen, meine magischen Fähigkeiten zu kontrollieren – schließlich würde mich keine Schule annehmen. Doch wider Erwarten erhielt ich mit elf Jahren dann den Brief. Ich dachte zuerst, es müsse ein Fehler sein, doch in dem Brief wurde deutlich, dass Dumbledore von meinem... ‚pelzigen Problem', wie James es später nannte, wusste. Er kam sogar persönlich vorbei und sprach mit mir über die Vorkehrungen, die getroffen wurden! Und so fuhr ich schließlich überglücklich, aber dennoch besorgt nach Hogwarts."
Noch immer betrachtete Lupin den Teppich zu seinen Füßen. Er war stellenweise stark abgenutzt, wie vieles in diesem Haus. Das Muster war ziemlich prunkvoll, viel zu prunkvoll für seinen Geschmack. Er mochte es nicht. Aber zu Tonks zu schauen wollte er noch weniger. Also starrte er weiter nach unten und fuhr fort:
„Ich habe in Hogwarts dann tatsächlich Freunde gefunden; die ersten, die ich je hatte. James und Sirius und Peter... Ich verheimlichte meine wahre Natur, doch Krone und Tatze waren viel zu klug, um sie so einfach zu täuschen."
Lupin wusste, dass Tonks durch Sirius' Geschichte mit den Spitznamen etwas anfangen konnte.
„Sie stellten bald schon fest, dass ich vor und nach Vollmond am stärksten mitgenommen war und dass ich zu Vollmond immer aus dem Schlafsaal verschwand, unter den verschiedensten Vorwänden.
Und als sie Wurmschwanz dann eingeweiht hatten, stellten sie mich zur Rede. Ich bekam Panik – ich war mir sicher, es sei das Ende unserer Freundschaft... aber sie blieben bei mir, mehr als das – sie wurden für mich zu Animagi und da Werwölfe nur für Menschen gefährlich sind, stellte ich insofern keine Gefahr mehr für sie dar. Es hat drei Jahre gedauert, aber dann ist es ihnen gelungen. Es war das größte Geschenk, das sie mir machen konnten, es war – Wann immer es soweit war, begleiteten sie mich in einigem Abstand und durch einen Tarnumhang unsichtbar, als Madam Pomfrey mich durch einen Geheimgang in der Peitschenden Weide, die man für mich gepflanzt hatte, zur Heulenden Hütte führte. Man hatte sie extra gebaut, dass ich darin die Vollmondnächte verbringen konnte... Dennoch... wir verließen sie manchmal zu Erkundungstouren, denn wenn ich mit den Dreien zusammen war, behielt ich beinahe vollständig die Kontrolle über mein Handeln, solange kein Mensch in der Nähe war.
Aber im Nachhinein...ich bereue zutiefst, so unverantwortlich gewesen zu sein ... manche Menschen entkamen mir wirklich nur um ein Haar ... aber trotzdem war es für mich so unglaublich viel schöner, die Zeit mit ihnen zu verbringen..."
Einige Sekunden herrschte Stille und Lupin war sich nicht einmal sicher, ob Tonks überhaupt zugehört hatte. Dann durchbrach sie das Schweigen schließlich. „Wahnsinn ... das ist ... absoluter Wahnsinn!"
Verwirrt drehte Lupin sich zu ihr um. In ihren Augen spiegelte sich nicht das blanke Entsetzen wider ... im Gegenteil – es glitzerte Begeisterung darin. „Die Peitschende Weide wurde nur deinetwegen gepflanzt? Damit du, ohne Menschen zu begegnen, zur Heulenden Hütte gelangen konntest? Die Heulende Hütte wurde auch nur wegen dir gebaut? Und heißt das, dass du für den Spuk in der Heulenden Hütte verantwortlich warst?"
Lupin nickte langsam. Er verstand gar nichts mehr. Für gewöhnlich wurde die Nachricht, dass er ein Werwolf war, mit Entsetzen aufgenommen, teils mit Mitleid. Aber noch nie, in all den Jahren, hatte er es erlebt, dass eine Person davon erfreut, ja, geradezu hellauf begeistert war.
„Ich bin mit einem Werwolf befreundet!", rief Tonks aus. „Und der Person, die für die Gerüchte der Heulenden Hütte verantwortlich ist!" Sie sprang auf und stieß dabei eine Vase von dem Regal, neben dem sie saß. „Oh. Reparo!"
Lupin raufte sich die Haare. Er begriff wirklich gar nichts mehr. „Aber ich...verstehst du denn nicht ... ich ... bin ein Werwolf! Eine Gefahr, für jeden in meiner Nähe!", rief er verzweifelt. „Nun, die restlichen Ordensmitglieder würden wohl kaum mit dir am Tisch sitzen, wenn du nicht die notwendigen Vorkehrungen treffen würdest, oder? Außerdem bist du nicht der Typ dafür." Sie grinste schalkhaft.
„Aber ... ich ... du ... dein Freund Jayson, er wurde doch...!" Tonks' Grinsen erstarb und auch ihr Tonfall wurde ernst. „Ja, Jay... wurde von einem Werwolf benutzt und getötet. Aber wenn ich – ich kann deshalb nicht alle Werwölfe einfach so hassen, Remus! Wenn... wenn er von einem nicht-werwölfischem – oder wie auch immer man das nennt – Zauberer getötet worden wäre, hätte ich doch auch nicht gleich einen Hass auf alle Zauberer! Ich meine – Hör zu, Remus. Ich denke, du bist ein herzensguter Mensch, der einfach viel zu wenig von sich hält. Du bist nicht weniger wert als die anderen Ordensmitglieder und sicherlich tausend Mal wertvoller als die Todesser da draußen. Es ist sicher nicht einfach, ein Werwolf zu sein, aber du bist bewundernswert mutig und unglaublich stark – ich weiß, du schaffst das. Okay?"
„Ich ... danke ...". Er lächelte matt.
„Du hast echt geglaubt, ich würde jetzt Angst vor dir haben oder so, oder?" Tonks schüttelte ungläubig den Kopf. „Dann hoffe ich mal, dass das als Gegenbeweis genügt." Sie ging auf ihn zu und nahm ihn ohne Vorwarnung in die Arme.
Lupin war vollkommen perplex und einen Moment zögerte er, ehe er sich fallen ließ und die Umarmung erwiderte. „Danke", wisperte er abermals.
„Ich habe zu danken. Dafür, dass du mich ins Vertrauen gezogen und mir deine Geschichte erzählt hast."
Lupin schloss die Augen und genoss es aus vollem Herzen, nun einen weiteren Menschen bei sich zu haben, der ihn akzeptierte, so, wie er war. Er erinnerte sich nicht daran, dass er sich schon einmal so wohl gefühlt hatte wie in diesem Moment._________________
Bertie Botts Bohnen gehen diesmal nur an twinkywinkyblinki - danke dir und an den Rest: Ich freue mich echt über jeden Kommi - gebt mir positive Kritik, negative Rückmeldung, einfach, was euch in den Sinn kommt! Entweder motiviert es mich oder ich kann mich verbessern ;)
Schokofrösche fürs Voten dagegen gibts ziemlich zahlreich - guten Hunger, AlexandraMona_05, nikotaku7, ravenclawclaudia, Irres_Irrlicht und PottiSo!
Zweifach Bubbels Bester Blaskaugummi für Tagtraumgedanken, weil sie die FF und meinen Oneshot "Unter den Sternen" zur Leseliste hinzugefügt hat :)
Rumdum-Pakete fürs Folgen habe ich diesmal keine zu verteilen ;P
Macht's gut und man liest sich ;)
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Weil du mich zum Menschen machst
FanfictionRemus Lupin X Nymphadora Tonks. Als Remus Lupin im Kindesalter mit Lykanthropie infiziert wurde, änderte sich sein Leben schlagartig: Er musste sich fortan damit abfinden, sein Leben als Monster, als Ausgestoßener der Gesellschaft zu fristen. Nie...