Familienleben

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Teddy war wie sich herausstellte ein Vollzeitprojekt. Obwohl Tonks sich neben dem Desillusionierungszauber auch an Haushaltszaubern versucht hatte – mit mäßigen Resultaten – dauerte der Haushalt beinahe so lange, als ob sie Muggel wären, bis Remus sich erbarmte und die Zauber selbst einstudierte. Nichtsdestotrotz war Teddy ein anspruchsvolles Kind und besonders Remus hatte Schwierigkeiten damit, den Grund für sein Geschrei richtig zu deuten. Ob volle Windeln, Hunger, Schmerzen oder schlichtweg das Bedürfnis nach Aufmerksamkeit – alles hörte sich für ihn gleich an.

„Du bist der Analytiker von uns beiden, das müsste eigentlich ein Kinderspiel für dich sein!", wiederholte Tonks, die sich der Unterschiede im Gegensatz zu ihm viel schneller bewusst wurde, stetig.
„Du bist die Frau, wieso kannst du keine Haushaltszauber?", konterte Remus und kassierte einen schmerzhaften Stoß mit dem Ellbogen.

Tatsächlich sparten sie durch Remus aber eine Menge Zeit, sodass sie trotz Stillen, Wickeln und dem Quengeln des Kindes noch Raum für sich fanden. Tonks hatte offenbar Gefallen am Lesen gefunden und Remus munkelte, dass sie Strategiebücher über Zauberschach las, weil sie ihn doch tatsächlich einmal geschlagen hatte.

Selbst Andromeda blühte in ihrer Rolle als Großmutter auf – Remus hätte der toughen Frau nie eine derart zuckersüße Sprache und Art zugetraut. Auch Teddy hatte einen guten Bezug zu seiner Oma und schien das Loch in ihrem Herzen zu füllen. Zwar waren Remus und Tonks wieder in ihr eigenes Heim gezogen, das nunmehr ebenfalls über ein Frühwarnsystem verfügte, doch schon, um Andromedas Einsamkeit zu bekämpfen, statten sie ihr häufig Besuche ab.

Durch den Kleinen besserte sich außerdem ihr Verhältnis zu Remus sehr, der sogar selbst den Eindruck erhielt, dass Andromeda ihn nunmehr mochte und die Entscheidung ihrer Tochter bedingt nachvollziehen konnte.
Remus war ganz aus dem Häuschen, wann immer der Kleine etwas Neues lernte oder sein Aussehen veränderte.

Kurz vorm 22. April vergaßen sie ihr Glück erstmalig, denn nun würde sich entscheiden, ob Teddy tatsächlich ein Werwolf war. Zwar hatte es an den Vollmonden im Bauch keine Veränderungen gezeigt, doch war das Wissen über die Vererbung dieses Zustandes so begrenzt, dass das nichts heißen musste. Remus war unfassbar nervös – all seine Sorgen könnten sich in dieser Nacht bestätigen. Der Mond hing über ihnen am Himmel wie ein Damokles-Schwert, bereit, jede Sekunde auf sie herabzustürzen.

„Pass auf Teddy auf", beschwor Remus Tonks zum zehnten Mal, „und auf dich. Sei immer bereit, dass etwas passiert, wir wissen nicht, ob sich Neugeborene mit den ersten Strahlen des Mondes auch wirklich verwandeln."
„Geben wir unser Bestes", sagte Tonks nervös. „Du schaffst die Nacht ohne mich?"
„Natürlich. Du ahnst nicht, wie viel besser es durch den Wolfsbanntrank geworden ist. Mach dir keine Sorgen um mich – du und Teddy, ihr seid viel wichtiger."
Tonks lächelte Remus aufmunternd zu und gab ihm einen sanften Kuss auf die Wange, ehe er hinter die Schutzzauber trat und apparierte. Tonks sah ihm noch eine ganze Weile nach, dann machte sie kehrt und betrat das Haus ihrer Mutter, das für diese Nacht leer stand.

Die Steinstufen in den Keller waren abweisend und dreckig und jede einzelne rief Tonks die Kälte ins Bewusstsein, die dieser Raum ausstrahlte. Wenn Remus recht behielt und es nicht nur Einbildung war, dass Teddy ein wenig kränklich aussah, war die Gefahr, dass er ebenfalls ein Werwolf war, enorm groß. Ihre Unwissenheit jagte ihr einen Schauer über den Rücken. Sie wusste nicht, ob er ein vollständiger Werwolf sein würde oder vielleicht ein halber, ob er sich verwandeln und harmlos oder gar noch stärker als ein richtiger Werwolf sein würde.
Tonks behielt unentwegt die Uhr im Blick; den Mond konnte sie von dem finsteren Ablageraum, in dem sie sich befand, nicht sehen. Die Minuten schritten quälend langsam voran und Tonks' Herz raste unaufhörlich. Ihre Gedanken wanderten von Teddy zu Remus, dem es bestimmt ähnlich erging und wieder zurück zu Teddy. Dann war die Uhrzeit gekommen. Die Minute, in der sich vielleicht schon alles entscheiden, sich zeigen würde, ob Teddy sich mit den anderen Werwölfen verwandelte – doch nichts geschah. Er lag nur still in Tonks' Armen und schlief friedlich.

Tonks war übel. Ein leiser Schauer der Erleichterung durchflutete sie, doch sie durfte ihm nicht nachgeben. Jeden Sekundenbruchteil saß sie konzentriert da, in Erwartung, dass noch etwas geschehen könnte. Die Befürchtung, sie könne müde werden, blieb durch das Adrenalin, das ihr Körper stetig durch sie pumpte, aus.

Erst, als die Sonne am nächsten Morgen aufgegangen und Remus vollends erledigt nach Hause gekommen war, atmete Tonks auf und weinte vor Glück. Ihr Sohn war kerngesund. Kein Werwolf. Kein Leiden.
Auch von Remus war eine riesige Last abgefallen. Er schüttelte immer wieder ungläubig den Kopf und kämpfte selbst mit Freudentränen, weil nun wirklich alles perfekt schien.

~
„Ich habe es ihm nicht übertragen. Er ist kerngesund. Kerngesund!", murmelte Remus unablässig vor sich hin.
„Er hat sicher nur das Beste von dir", wisperte Tonks, setzte sich neben ihn aufs Sofa und legte ihren Kopf auf seine warme Schulter. „Nur das Beste – also so ziemlich alles."
Remus lächelte sanft. „Danke, Dora. Du übertreibst zwar wie immer, aber ich schätze, du hast recht damit, dass er einen schlimmeren Vater erwischt haben könnte."
„Warte!" Tonks setzte sich aufrecht hin und nahm Remus' Gesicht in ihre Hände. „Heißt das, du siehst endlich ein, dass du großartig bist?"
Remus schloss für einen Moment die Augen. „Ich ... großartig ist zu viel. Du bist großartig, mehr als nur großartig. Sirius und James waren großartig, und Molly und Arthus und – ich bin... ich weiß nicht. Es mag daran liegen, dass ich mich in meiner Vaterrolle so fürsorglich erlebe oder daran, dass mir endlich klargeworden ist, dass ich wirklich, wirklich nichts für mein Leiden kann. Vielleicht ist es auch Teddy zu verschulden, der mich noch glücklicher macht oder der Tatsache, dass er kein Werwolf ist – aber ich schätze ... ich schätze, ich kann mich jetzt akzeptieren. Dank dir. Dank euch."
Tonks zog Remus mit einem Freudenschrei an sich, der ihren kleinen Sohn weckte. Mit einem entschuldigenden Blick lief Tonks zum Teddys Gitterbettchen, wiegte ihn noch immer stumm jubelnd in ihren Armen und lief zu Remus zurück. „Das ist – ich – oh Remus!"
Remus lächelte, als Tonks ihn und Teddy in die Arme schloss. Es war kein erzwungenes Lächeln, kein Lächeln, weil Tonks es ihm von ihm erwartete und es war kein Lächeln, um zu verstecken, dass er mit einer Lüge zu ihrem Glück beitragen wollte. Es war ein natürliches Lächeln voller Freiheit, weil es vollends der Wahrheit entsprach und er sich nach all diesen Jahren endlich selbst akzeptieren konnte – ganz so wie er war und in der Gewissheit, dass seine Dora ihn erinnern würde, wenn er dieses wundervolle Gefühl der Vollkommenheit je wieder vergessen sollte.

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Frage an EUCH: Glaubt ihr, Remus hätte sich (hätte er ein normales Alter erreicht)noch irgendwie selbst akzeptieren können, wäre Teddy ein Werwolf geworden?

Bin jetzt ne Woche weg, Einführungswoche vom Studium^^ - bis dann :3

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