„Können wir, Remus?" Tonks sah interessiert zu ihrem Partner, der sich gerade verzweifelt im Spiegel die Haare zu richten versuchte. Es war Sonntag und da die Wohnungsbesichtigung weggefallen war, hatte Tonks entschlossen, dass es Zeit war, Remus ihren Eltern vorzustellen, die sie heute ohnehin besucht hätte.
„Gleich", antwortete Remus nervös und richtete seine besten Kleider – die offen gesagt immer noch sehr abgetragen, alt und billig aussahen.
„Kein Grund, aufgeregt zu sein – es sind nur meine Eltern", sagte Tonks aufmunternd, nicht allerdings, ohne leise mit ihren Fingern auf der Wand in ihrem Rücken herumzutippeln. Ihre Mutter hatte, als sie sich gestern über den Kamin unterhalten hatten, nämlich gar nicht erfreut darüber geklungen, dass der Freund ihrer Tochter merklich älter war als sie. Darüber, dass er darüber hinaus ein mittelloser Werwolf war, hatte sie noch kein Wort verloren.
„Gut." Remus schluckte schwer und griff nach Tonks' Hand.
„Hör zu, Remus – was auch immer sie sagen, das ändert nichts zwischen uns beiden – verstanden?"
Er schenkte ihr ein dankbares Lächeln. Tonks erwiderte es und drückte ermutigend seine Hand, ehe sie nach draußen traten, sich auf der Stelle drehten und verschwanden.~
Das Haus von Tonks' Eltern stand einsam aber freundlich auf einer weiten Grasfläche. Zu ihrer Rechten lag ein Teich und statt zu der recht modernen Tür zu gehen, wäre es Remus in diesem Moment lieber, in den Tiefen des Gewässers zu versinken.
Tonks jedoch schritt zielstrebig auf den Eingang zu und Remus ergab sich seinem Schicksal. Das Klingeln erschien ihm wie ein Alarmschrei, doch er wusste, dass Flucht das denkbar Dämlichste war, was er nun tun konnte.
„Ich mach schon auf, Ted!", rief eine Stimme und kurz darauf wurde die Tür geöffnet.
„Nymphadora! Es ist so schön, dich zu sehen!", rief Mrs. Tonks und erstickte ihre Tochter unter einem Haufen ihrer braunen Haare. Remus bekam nur am Rande mit, wie Tonks kurz schauderte und die Umarmung schließlich erwiderte, da Mrs. Tonks nunmehr dazu übergegangen war, ihn kritisch zu mustern.
Für einige Augenblicke überspielte Remus seinen Unmut mit einem Lächeln und vertrieb die unhöflichen Gedanken, dass Tonks' Mutter eine äußerste Ähnlichkeit zu Bellatrix aufwies, auch wenn ihre Augen wenige Sekunden zuvor gleich viel offener und freundlicher geleuchtet hatten. Nun wirkten sie abschätzend und ließen keinen Zweifel daran, dass sie die Partnerschaft der beiden schon jetzt nicht gut hieß – wo sie die schlimmsten Details noch nicht einmal kannte.
Um die unangenehme Stille zu durchbrechen, streckte Remus seine Hand aus und neigte leicht seinen Kopf. „Remus Lupin. Freut mich sehr, Ihre Bekanntschaft zu machen." Mrs. Tonks schüttelte sie mit einem Lächeln, das wohl herzlich sein sollte, aber sehr gezwungen wirkte. „Andromeda Tonks. Die Freude ist ganz meinerseits."
Einen weiteren unangenehmen Moment herrschte Schweigen und etwas in Remus wollte ihn dazu bringen, Mrs. Tonks auf die vergessene Sicherheitsabfrage hinzuweisen, als sie schließlich das Wort ergriff: „Dann kommt mal rein – Ted macht gerade Tee, wollt ihr auch etwas?"
„Klar!", rief Tonks.
„Gerne." Vielleicht würde er notfalls einen Schluck trinken können, um Zeit zu gewinnen...
Andromeda Tonks führte sie ins Wohnzimmer. Obwohl es von Licht durchflutet wurde und auch durch einige Palmen und schön dekorierte zierliche Tische sehr einladend wirkte, fühlte Remus sich alles andere als willkommen.
Sie ließ sich auf einem bequemen cremefarbenen Sofa nieder. Tonks zog ihn mit sich zu der Couch gegenüber und gebot ihm mit einem halb belustigten, halb strengen Kopfnicken, sich zu setzen.
„Wir brauchen drei Tassen, Ted, ich trinke nicht!" rief Mrs. Tonks über ihre Schulter und kurz darauf kam ein blondhaariger Mann mit dickem Bauch und freundlichem Gesicht ins Wohnzimmer gelaufen, ein Tablett mit drei dampfenden Tassen in der Hand haltend.
Remus stand instinktiv auf und so vergingen einige peinliche Augenblicke, in denen Ted das Tablett auf dem gläsernen Wohnzimmertisch zwischen ihnen abstellte.
„Guten Tag", sagte Remus und räusperte sich, als ihm die Stimme zu versagen schien. „Re-remus Lupin."
„Ted Tonks", entgegnete der Mann einen Händedruck später und wandte sich sogleich seiner Tochter zu. „Oh Dora, es ist so schön, dich zu sehen!"
„Hey, Dad." Tonks schloss ihren Vater in eine Umarmung und setzte sich dann wieder neben Remus.
Mr. Tonks ließ sich neben seiner Frau fallen und musterte Remus kurz. „So. Dann erzählt mal, ihr beiden."
Tonks nahm sich eine Tasse Tee und reichte Remus eine andere. „Danke", sagte er steif und fühlte sich unter den stechenden Blicken von Mr. und Mrs. Tonks mehr als nur unwohl.
„Ähm, was genau meinst du jetzt, Dad?", fragte Tonks unsicher.
„Du meintest gestern, ihr wärt zusammengezogen?", hakte Mrs. Tonks nach, fast in der Hoffnung, als hätte sie etwas falsch verstanden. Remus verschluckte sich an seinem Tee und hustete kräftig. Warum in aller Welt hatte Tonks das schon erzählt?
„Alles in Ordnung?", fragte sie besorgt. Remus nickte steif. „V-verzeihung." Er würde sich am liebsten selbst ohrfeigen – mit allem, was er tat, machte er den Eindruck von sich nur noch schlechter. „N-nun, ja, wir sind gestern zusammengezogen."
„Ah, schön!" Mr. Tonks bemühte sich um ein offenherziges Lachen, das ihm aber nur in Maßen gelang. „Und seit wann seid ihr beide zusammen? Ähm – du bist sicher, dass du keinen Tee möchtest, Dromeda, Liebling?" „Ganz sicher, Schatz."
„Nun... seit dem 28. Juni."
„Ihr seid schon über ein Jahr zusammen? Warum wissen wir denn nichts davon?", fragte Mr. Tonks überrascht.
„Diesen Jahres", fügte Remus gequält hinzu.
„Oh."
Das Gespräch verlief wirklich haargenau wie befürchtet. Wie hatte er sich nur dazu hinreißen lassen können – und auch noch so kurz nach Vollmond?
„Dad, wir hätten das nicht getan, wären wir uns nicht absolut sicher gewesen!", warf Tonks ein, „Remus liebt mich seit eineinhalb Jahren und ich bin auch schon über ein Jahr in ihn verliebt!"
Remus senkte betreten den Blick.
„Warum genau seid ihr dann erst jetzt zusammengekommen, ihr zwei?", wollte Mr. Tonks wissen.
„Das ist meine Schuld", antwortete Remus geradeheraus und blickte ihm direkt in die Augen. „Ich – wollte, dass Ihre Tochter jemanden findet – der ... jünger ist."
„Wie alt sind Sie genau, wenn ich fragen darf, Mr. Lupin?"
„Dad!", rief Tonks entrüstet, aber Remus lächelte nur milde. „Ich bin 37. Ich weiß, ich sehe um einiges älter aus – aber leider steht es nicht in meiner Macht, das zu ändern. Ich kann von großem Glück reden, dass Ihre Tochter nicht oberflächlich ist, Mr. Tonks."
„Ich finde immer noch, dass du gut aussiehst, Remus." Tonks blickte ihn eindringlich an und für einen Moment war er ehrlich verwirrt, ehe ihm klar wurde, dass sie sich wohl schon angewöhnt hatte, ihm zu widersprechen, wenn er schlecht von sich sprach.
„Ist schon in Ordnung, Tonks – ich weiß, dass die grauen Haare und Narben mir nicht bekommen sind. Und ein wenig Farbe könnte ich wohl auch vertragen – würde mich nicht wundern, wenn mich nochmal jemand für einen Vampir hielte." Er schloss kurz mit dem Anflug eines Lächelns die Augen und wandte sich wieder den Menschen zu, die ihm gegenübersaßen. „Sie brauchen im Übrigen nicht so förmlich zu sein, Mr. Tonks. Remus genügt."
Aus irgendeinem Grund schienen die Blicke der beiden milder geworden zu sein – vielleicht bildete er es sich aber auch nur ein.
„Oh, natürlich, mein Sohn, natürlich – du darfst mich auch gerne Ted nennen – und das ist meine Frau –" „Wir haben uns doch vorhin schon vorgestellt, Ted", lachte Mrs. Tonks mit einem Kopfschütteln und wandte sich schließlich von ihrem Mann ab, „aber er hat schon Recht, Andromeda genügt."
Für eine Sekunde war Remus überrumpelt von der Herzlichkeit, die plötzlich aufrichtiger wirkte, als ihm klar wurde, dass Tonks ihren Eltern wohl einen ermahnenden Blick zugeworfen haben musste.
„Was machst du so beruflich, Remus?", fragte Andromeda und musterte ihn interessiert.
„Ähm...", antwortete Remus verlegen, ahnungslos, wie viel sie über den Orden wussten.
„Ist schon gut, Liebling", sagte Tonks zu seiner Seite und drückte beruhigend seine Hand. „Mum, Dad – Remus arbeitet im Widerstand und ist dort einer der besten Leute, wenn nicht sogar der beste."
„Soweit würde ich nicht gehen", widersprach Remus, „Mad-Eye ist weit fähiger als ich."
„Und du bist mal wieder bescheiden", entgegnete Tonks schmunzelnd. „Ganz ehrlich gesagt, ich habe absolut keine Ahnung, wer von euch gewinnen würde. Vor allem, wenn du noch ein paar Jahre mehr Erfahrung hast."
„Nun, ich habe nicht vor, mich mit ihm anzulegen – bekäme schätzungsweise keinem von uns gut." Mit einem leisen Lächeln wandte er sich wieder Ted und Andromeda zu. Zu seiner Überraschung sah Andromeda auf recht offenherzige Art interessiert und Ted ziemlich beeindruckt aus.
„Meine Eltern sind zwar nicht im Orden, aber sie wissen darüber Bescheid und haben auch schon bei einigen Missionen geholfen", fügte Tonks erklärend hinzu. Ted und Andromeda lächelten stolz.
„Und was machst du außer der Arbeit für den Widerstand, mein Sohn?" Remus wusste genau, worauf Ted hinauswollte und spürte leichte Übelkeit in sich aufsteigen. Fast alle Ordensmitglieder hatten noch einen primären Beruf – irgendwie mussten sie schließlich zu ihrem Geld kommen. Er jedoch bekam – wenn überhaupt – nur miserable Aushilfsjobs – seinem exzellenten Zeugnis zu trotz. Natürlich würde das die Frage nach dem Warum aufwerfen...
„Remus führt nicht nur Missionen aus, er hilft auch sehr viel bei der Planung", antwortete Tonks an seiner Stelle. „Er ist wie gesagt einer der Wichtigsten im Orden – deswegen macht er zeitweise nur kleinere Nebenjobs."
„Und das reicht, um über die Runden zu kommen?", fragte Ted mit einer Mischung aus Anerkennung und Mitgefühl. „Wenn du so talentiert bist, wie Dora sagt, müssten die Arbeiten dich ja ziemlich unterfordern – ich will mich natürlich nicht einmischen, aber ist es nicht einfach, in einem besser bezahlten Job wenige Stunden die Woche als Teilzeit zu arbeiten?"
Andromeda versetzte ihrem Mann einen Stoß in die Rippen. Er kratzte sich verlegen am Kopf, rieb sich die schmerzende Stelle und sah Remus mit entschuldigendem Lächeln an.
Tonks machte schon den Mund auf, aber in diesem Moment wäre Remus jeder Satz, mit dem er seinen Zustand umging, wie eine Lüge vorgekommen. Wenn er die nächsten Tage nicht von einem schlechten Gewissen geplagt werden und nicht zulassen wollte, dass sich diese Beziehung zu Ted und Andromeda auf falschen Glaubenssätzen aufbaute, blieb ihm nichts anderes übrig, als die Wahrheit zu erzählen.
„Es wäre sicherlich einfacher. Das Problem liegt darin, dass mich niemand einstellen wird, ganz gleich, wie mein Zeugnis aussieht und unabhängig von meinen Qualifikationen." Er räusperte sich vernehmlich und zwang sich, nicht zu Boden zu sehen, als er die Worte aussprach, die ihm schon so viel Kummer und Leid gebracht hatten: „Ich bin ein Werwolf."
Für den Bruchteil einer Sekunde sah er, wie Ted ihn entgeistert musterte und sich Entsetzen über Andromedas Gesichtszüge ausbreitete. Nun senkte er doch den Blick und wünschte sich nichts sehnlicher, als aus diesem Haus verschwinden zu können.
Ted hustete hörbar, womöglich hatte er sich an seinem Tee verschluckt. Nach einigen Sekunden grauenerweckenden Schweigens ergriff Andromeda das Wort. „Ah – ich verstehe. Nymphadora, Schatz, hilfst du mir, neuen Tee zu machen?"
Remus sah aus dem Augenwinkel, wie Tonks entgeistert den Mund öffnete, ihrer Mutter aber schließlich doch aus dem Raum folgte.
Die Tür schlug zu, doch die hitzigen Stimmen von draußen drangen trotzdem hindurch.
„Ma, er ist doch nicht freiwillig – Mum! Er kann nichts dafür!! Er wurde gebissen, als er vier war – er hat die ganze Zeit seine Gefühle zurückgestellt, damit mir nichts passiert und außerdem ist es meine Sache, wenn ich ihn heira–"
Tonks' Worte ließen sein Herz eine Spur höher schlagen, doch der Streit untergrub die Glücksgefühle.
Eine weitere Tür schlug zu und Remus bemühte sich nach allen Kräften, seine Aufmerksamkeit etwas anderem zu widmen, dem leisen Plätschern des Teiches vielleicht, doch draußen war es still.
Für eine Weile regte sich niemand, ehe auch Ted sich vom Sofa hochhievte. „Verzeihung", murmelte er und es war nicht zu überhören, wie gequält seine Stimme klang, „ich werde auch mal kurz – mach es dir einfach bequem..."
Remus blickte auf seine vernarbten Hände und schluckte schwer. In den letzten Jahren hatte er so viele positive Reaktionen auf sein... Dasein erhalten, dass sich das Gefühl der Abweisung schon in den Hintergrund gestellt hatte. Tatsächlich aber reagierten Mr. und Mrs. Tonks verglichen mit anderen Leuten noch ausgesprochen aufgeschlossen – kein Spott, kein Hohn und zumindest der Versuch, das Entsetzen zu verbergen und die freundliche Fassade aufrechtzuerhalten.
Es vergingen fünf Minuten der Stille – ein gnädiger Zauber hatte verhindert, dass er ihre Worte hatte verstehen können – ehe Tonks mit ihren Eltern zurückkehrte.
Mr. und Mrs. Tonks wirkten beide auf ähnliche Art unangenehm berührt. Ihre Tochter im Gegenzug hatte vor Wut rote Haare bekommen, die gerade wieder einen violetten Farbton annahmen. Ihr strenger Blick sprach Bände und obwohl Remus sich etwas unbehaglich fühlte, weil Tonks seinetwegen Streit mit ihren Eltern angefangen hatte, war er ihr sehr dankbar dafür.
„Entschuldigung", sagte Mrs. Tonks, der sichtlich unbehaglich zumute war, „wir wollten nicht unhöflich sein." „Unsere Tochter hat sich für dich entschieden, Remus", fügte Mr. Tonks seicht lächelnd hinzu. „Sie ist ein kluges Mädchen und wird sich bei ihrer Wahl ganz sicher etwas gedacht haben."
Remus nickte ihnen zu, dankbar für ihre Worte, die versteckten, wie angewidert sie waren und die zukünftige Beziehung etwas erleichtern würden, auch wenn er wusste, dass sie nicht aus Eigeninitiative entstanden waren und sie sich für Ihre Tochter nichts sehnlicher wünschten als einen jungen und gesunden Mann.
„Mum, Dad – wir müssen dann los, ich muss noch Zeug für die Arbeit machen." Tonks, nahm Remus Hand, verabschiedete sich von ihren Eltern und ging mit ihm hinaus.
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Frage an EUCH: Habt ihr euch das Gespräch so oder so ähnlich vorgestellt und hattet ihr mal eine ähnlich unangenehme Vorstellung bei irgendwem?
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Weil du mich zum Menschen machst
FanfictionRemus Lupin X Nymphadora Tonks. Als Remus Lupin im Kindesalter mit Lykanthropie infiziert wurde, änderte sich sein Leben schlagartig: Er musste sich fortan damit abfinden, sein Leben als Monster, als Ausgestoßener der Gesellschaft zu fristen. Nie...