Von Gefühlen und Bällchenflüssen

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Einen Augenblick lang starrte Tonks Sirius in die Augen.
„W – Wie?", krächzte sie völlig perplex und schalt sich dafür, nicht sensibler geantwortet zu haben.
Wenn Sirius behauptete, etwas ernst zu meinen, dann meinte er das auch, das hatte sie gelernt. Hieß das, dass Sirius tatsächlich in sie...?!

Unwillkürlich flackerte ein Bild in ihrem Kopf auf. Da stand Sirius, auf die lässige Weise, wie er es immer tat und sie stand vor ihm, die Arme um seinen Nacken gelegt... Sirius nahm seine Hände und strich ihr behutsam über den Rücken, ehe er sich zu ihr hinunterbeugte und sie zuerst vorsichtig, dann leidenschaftlich küsste.
Wie sich seine Küsse wohl anfühlen mochten?
Aber – war es das, was sie wollte?

Sie konnte es unmöglich sagen, noch nie hatte sie darüber nachgedacht. Und jetzt, wo es so im Raum stand... so abwegig war es gar nicht. Wenn sie richtig informiert war, dürfte er... etwa zwölf Jahre älter sein.
‚Daran soll's nicht scheitern', dachte sie und versuchte eilends, noch weiter ihre Gefühle zu durchforsten.

Wie war das eigentlich mit ihrer Verwandtschaft? Waren sie weit genug auseinander, damit es legitim wäre? Würde es sie stören, wenn es nicht legitim wäre? ‚Nun, ja, das würde es', beantwortete sie sich die Frage selbst. ‚Aber nicht wegen irgendwelcher gesellschaftlicher Vorgaben, sondern einfach, weil das nicht in meinen eigenen Moralkodex passen würde.'
Doch das war immer noch nicht die Antwort, die sie eigentlich suchte. Genauer gesagt hatte sie nach Jay nicht einmal ernsthaft über eine Liebesbeziehung nachgedacht.
Also – was beim Fangzahn einer pinken Acromantula sollte sie nur antworten?

Eine Möglichkeit, sensibler zu reagieren, wurde ihr jedoch verwehrt.

„Na, du bist doch eine Frau und eben innerhalb der letzten Monate zu einem wirklich bedeutsamen Teil meines Lebens geworden", lachte Sirius. „Du, und Molly, und Hermine, und Ginny..." Er runzelte unsicher die Stirn und neigte seinen Kopf, ehe er fortfuhr: „...wobei Ginny vielleicht noch eher ein Mädchen ist."

Und endlich verstand Tonks. „Duuuuu...!", rief sie mit offenem Mund aus, „- ooh, du weißt genau, wie ich das gemeint habe!" Sie versetzte Sirius einen mächtigen Seitenhieb in die Schulter.
„Autsch! Schon gut, schon gut!"
„Hey, ich war echt panisch!", beschwerte sich Tonks, „ich hatte keine Ahnung, wie ich antworten sollte! Ich hatte mich mit dem Gedanken noch nie auseinandergesetzt und plötzlich –"
„Tut mir wirklich furchtbar Leid", antwortete Sirius, grinste jedoch übers ganze Gesicht. „Aber um dir mal einen Ratschlag zu geben: Wenn dir je ein Mann seine Gefühle gesteht und du dir über deine nicht hundertprozentig im Klaren bist, bitte einfach um ein bisschen Zeit und schwupp" – er schnipste mit den Fingern – „schon ist der Druck so ziemlich raus."
„Jaaah, das wäre echt mal eine Idee", entgegnete Tonks beruhigt, „bin aber eben zu geschockt gewesen, um darauf zu kommen."
„Verständlich." Sirius grinste. „Ach, und im Übrigen: Aus dem Zeitalter, in dem immer der Mann seine Gefühle gestehen muss, sind wir eigentlich ohnehin draußen – also, wenn du mal jemanden liebst, sag's ihm einfach."
„Ja ja, ich weiß schon", antwortete Tonks, „aber um ehrlich zu sein hab ich mir einfach ewig lange schon keine Gedanken mehr über die Liebe gemacht. In dieser Zeit – ich weiß nicht..."
„Solltest du aber – nicht, dass du unbedingt einen Freund bräuchtest oder so, aber die Zeit zumindest sollte dich nicht davon abhalten. So bedauerlich das auch ist – wir wissen nie, wann das alles hier zu Ende sein wird."
„Ich schätze, du hast recht", murmelte Tonks nachdenklich. „Und ooooooooh nein, so leicht kommst du mir nicht davon!"
„Was?", fragte Sirius völlig verdutzt.
„Du hast meine eigentliche Frage nicht beantwortet!", entrüstete sich Tonks, „und ich rede von Frauen in nicht-freundschaftlicher Hinsicht wohl gemerkt!"
„Nun, mit den Slytherin-Frauen konnte ich eigentlich nie viel anfa–"
„Sirius!"
„Nur Spaß, nur Spaß! ... also offen gesagt, ich war in Hogwarts ein ziemlicher Schürzenjäger."
„Du hast eine Frau nach der nächsten flachgelegt oder was?"
„Ganz so schlimm war ich dann doch nicht", wehrte Sirius lachend ab. „Nein, nein, in den allermeisten Fällen blieb es beim Rumknutschen."
„Aha.", gab Tonks knapp kund. Offensichtlich war sie nicht sonderlich überzeugt.
„Wirklich!", beschwor Sirius.
„Na schön, dann will ich dir ausnahmsweise mal glauben." Sie grinste.
„Oh, wie zuvorkommend von dir."
„Und... hattest du nie eine ernsthafte Beziehung – also... hast du nie jemanden ... jemanden wirklich geliebt?"

Der Dunkelhaarige schwieg für einen Moment.
„Doch. Eine Person gab es", antwortete Sirius leise.
Tonks blickte ihn neugierig an. Sie wollte es wirklich unbedingt wissen, doch andererseits schien Sirius nicht sonderlich erpicht auf dieses Thema... es schien ihn irgendwie zu belasten. Vielleicht wäre es besser, wenn sie es auf sich beruhen ließe...
„Schon gut, Sirius, du musst es mir nicht erzählen."
Er seufzte. „Ich rede wirklich nicht so gerne über meine Gefühle - aber ich schätze, du bist neugierig?"
Tonks nickte verlegen.
„Auf einer Skala von 1 bis 10, wie sehr willst du es wissen?"
„10!", platzte es ungehalten aus ihr heraus.
Sirius brach in bellendes Gelächter aus. „Okay, okay, das sollte reichen!"

Tonks jubelte innerlich auf. Wie lange hatte sie das schon erfahren wollen?

Sirius schwieg einen Moment. „Sie heißt Chloe", begann er leise und bei der Erinnerung an sie umspielte ein fast glückseliges Lächeln seine Lippen.
„Es war am Anfang unseres sechsten Schuljahres, als ich ihr das erste Mal begegnet bin – oder sie zumindest das erste Mal bewusst wahrgenommen habe. Äh, lass mich am besten von vorne anfangen, sonst wird das wohl zu verwirrend.
Also: Wie du ja weißt, haben wir am Beginn eines jeden Jahres einen ordentlichen Willkommensstreich abgezogen, um der Welt zu zeigen, dass wir da waren und so eben auch in diesem Jahr.
Warst du mal in einem Kaufzentrum für Muggel? Die haben da scheinbar manchmal so ganz viele kleine bunte harte Bälle auf einer Fläche, die sich wohl „Bällchenbad" nennt. Moony hatte uns davon erzählt und wir fanden die Idee genial... nun ja, so einige Korridore und Büros in Bällchenflüsse zu verwandeln."

Tonks begann bei der Vorstellung, wie Filch laut fluchend in einem solchen Bällchenfluss zu ertrinken drohte, lauthals loszuprusten.

„Halt, halt, wir sind dann doch noch ein bisschen origineller", fuhr Sirius mit einem breiten Grinsen auf den Lippen fort, „in den bunten Bällchenflüssen haben wir noch allerlei Extras eingebaut – so bildeten manche bunten Rauch, wenn man sie berührte, manche setzten kleinere Feuerwerke frei, andere machten lustige Geräusche und wieder andere setzten den ganzen Fluss in Bewegung, sodass man praktisch mitgetrieben wurde."

Tonks lachte abermals auf.
„Och Maaaaann, ich wäre so gerne mit euch zur Schule gegangen, wie genial wäre das denn bitte gewesen?!"

„Tja – wir sind halt genial", lachte Sirius. „Jedenfalls war das ein ziemlich aufwendiges Projekt, wie du dir denken kannst, zumal wir es noch mit einem bestimmten Illusionszauber versehen haben, sodass die Bällchenflüsse, bevor jemand drin ist, wie ganz normaler Boden aussahen und noch dazu hatten sie eine zeitverzögerte Wirkung, sodass sie eigentlich erst am nächsten Morgen einsetzen sollten, damit Filch sie bei seinen Rundgängen in der Nacht nicht zufällig entdeckte – es war ein richtig großes Unterfangen und du ahnst nicht, wie viel Zeit wir am Ende des Schuljahres in die Vorbereitungen gesteckt haben – bis wir die ganzen Zauber herausgefunden und geübt hatten – na ja, jedenfalls hatten wir das Problem, dass wir halt ziemlich lange zum Verzaubern einer Stelle brauchten – zu viert hat es etwa zehn Minuten für eine Strecke von annähernd fünfundzwanzig Quadratmetern benötigt – und da Filch irgendwann mal erkannt hat, dass wir seine Rundgangsstrecken kennen und dementsprechend begonnen hat, wahllos durchs Schloss zu streifen, um ja unberechenbar zu sein, mussten wir verdammt aufpassen, um ihm nicht über den Weg zu laufen.
Deswegen gaben wir Wurm- ... Peter den Tarnumhang von James und die Karte des Rumtreibers, mit der Aufgabe, er solle gelegentlich Lärm machen und Filch von uns weglocken. Zu dritt brauchten wir für die Zauber kaum länger als zu viert, weil Peters Anteil ohnehin sehr gering gewesen war und so sollte eigentlich alles glatt gehen. Es hat eigentlich auch ganz gut funktioniert, nur hätten wir vielleicht etwas früher als um 23.00 Uhr anfangen sollen, denn wir gerieten zeitlich in Verzug und wir wussten, dass jede Sekunde die ersten Schüler durchs Schloss zur großen Halle stürmen würden und das wollten wir natürlich nicht verpassen... na ja, in jedem Fall wurden wir in der Hektik etwas schlampiger und einer der Knallbälle ging hoch – zwar war Filch wohl noch recht weit entfernt, aber Peeves war in der Nähe und der kam zu uns rüber und brüllte die ganze Zeit wie am Spieß rum..."

„Oh je", kicherte Tonks, „und das hat Filch gehört und er kam angerannt mit seinem – warte: ‚Schüler außerhalb der Betten! Schüler außerhalb der Betten!'?", wollte sie wissen und verwandelte für die Imitation ihren Kopf in den des unbeliebten Hausmeisters.

Sirius ließ sein bellendes Lachen verlauten. „Nicht ganz", verneinte er lachend. „Er hatte sich das bei uns abgewöhnt, weil uns das immer Auskunft über seinen Aufenthaltsort gab und uns genügend Zeit zur Flucht verschaffte – und Peeves konnten wir nach einiger Zeit auch irgendwie aufhalten, aber Filch kannte nun wohl wirklich ziemlich genau die Richtung, in die er laufen musste.
Auch noch ein Problem war, abgesehen davon, dass eben... Peter den Tarnumhang und die Karte hatte, dass wir so spät dran waren und die Flüsse gerade aktiviert wurden – wir mussten sie also meiden. Dadurch fielen aber sehr viele Fluchtwege weg und wir hatten keine Ahnung, wo Filch war, also rannten wir praktisch blindlings durchs Schloss.
Natürlich war uns klar, dass diese ganze Aktion ne ordentliche Strafe nach sich ziehen würde, wenn er uns erwischte – und tja, da er und auch die ganzen Lehrer innerhalb der letzten Jahre gelernt hatten, dass wir uns eben so manches Mal einen Streich erlaubten, so ein Willkommensstreich ohnehin ein Ritual war und außer uns wohl auch niemand solche Ideen hätte und die verwirklichen könnte, wäre es eben aus, sobald Filch uns sehen würde. Die Möglichkeit einer Strafe zu entgehen, hatten wir also nur, wenn wir sicher davonkämen."

„Hmm, verstehe...", murmelte Tonks nachdenklich, doch ihr Blick fieberte schon der weiteren Geschichte entgegen.

„Da Filch auch mit den allermeisten Geheimgängen im Schloss vertraut war, käme einfaches Verstecken darin auch nicht infrage, weil es zu riskant wäre und er wohl sogar besonders dort nach uns suchen würde... wir konnten also nur hoffen, dass er uns nicht entgegenkommen würde und dann, in einem der nicht verzauberten Flure, stand sie.
Chloe."
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Frage an EUCH: Könnt ihr euch denken, warum Sirius zuerst „Wurmschwanz" sagen möchte, dann aber doch „Peter" verwendet? Jetzt könnt ihr mal schön interpretieren xD
Und Nummer zwei: Habt ihr geglaubt, dass Sirius Gefühle für Tonks hat oder nicht? :D

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