Als Remus am nächsten Morgen erwachte, war das Erste, das er wahrnahm, nicht etwa Tonks, die friedlich neben ihm schlummerte, sondern sein Rücken, der sich anfühlte, als hätte er auf einem Betonklotz übernachtet.
Verwirrt blinzelte er dem hellen Licht entgegen, das zu ihm schien und stellte völlig verdutzt fest, dass er auf einen See blickte, in dem sich die roten Farbnuancen des Sonnenaufgangs widerspiegelten. Erst nach und nach begriff er, was vor wenigen Stunden vorgefallen war. Unwillkürlich schlich sich ein Lächeln auf sein Gesicht. Dort lag Tonks auf einem flauschigen Kissen und einem Haufen voll Decken, den sie sich beschworen hatten, und ihr kaugummipinkes Haar schillerte im Licht der aufgehenden Sonne.
Eine Woge des Glückes durchflutete ihn, und obwohl sein Rücken schmerzte, wusste er nicht, wann er sich das letzte Mal so zufrieden gefühlt hatte.
Ein unverkennbares Lächeln stahl sich auf seine Lippen, als er sie so friedlich vor sich hin schnarchen sah. Remus betrachtete seine Uhr und hauchte Tonks zärtlich einen Kuss auf den Scheitel. Es war so ein wunderbares Gefühl, diesen spontanen Impulsen einfach so nachkommen zu können.
„Wann musst du heute arbeiten, Tonks?" Mit dem unverständlichen Gemurmel, das sie von sich gab, konnte er nicht viel anfangen. „Tonks? Wann musst du zur Arbeit?", wiederholte er grinsend.
„Lass mich... mitten... inner Nacht..."
„Du verpasst gerade einen ausgezeichneten Sonnenaufgang."
„Mhhh..."
„Tonks?"
„Hmmm..."
„Nur, um dir das mal klarzumachen, du schläfst gerade – ja, das kann man getrost noch als ‚schlafen' bezeichnen – auf den Ländereien von Hogwarts und hast damit einen alten Wunsch wahrgemacht."
„Schön..."
Remus grinste. Wie verschlafen konnte man morgens eigentlich sein?
„Wenn du jetzt nicht sofort aufstehst, werfe ich dich in den Schwarzen See, Tonks", drohte Remus lachend.
„Mhhhh..."
Wenn nicht einmal das funktionierte, musste er eben doch zu härteren Mitteln greifen.
„Aufwachen, Nymphadora."
„Nenn mich NIEMALS Nymphadora!", mahnte eine plötzlich viel muntere Stimme. Endlich schlug Tonks die Augen auf. „Remus? Was...?"
„Noch einmal, wir liegen gerade beide draußen an der frischen Luft und auf einem Boden, der sich gestern noch merklich weicher angefühlt hat, weil du unbedingt hier übernachten wolltest."
„Oh", machte Tonks und setzte sich mühevoll auf.
„Guten Morgen, du Schlafmütze", begrüßte Remus sie lächelnd.
„Wie lang haben wir denn geschlafen?", murmelte Tonks und rieb sich die Augen.
„Bei dir werden es etwa vier Stunden gewesen sein."
„Vier Stunden? Merlin, gönn mir noch ne Mütze... ich muss erst um zehn arbeiten..."
„Dann verpasst du aber einen ziemlich ansehnlichen Sonnenaufgang – und zugegeben, so gerne ich dir auf beim Schlafen zusehe, ein bisschen Interaktion ist mir doch lieber."
„Gibt gerade Dinge, die wichtiger sind als ein Sonnenaufgang...", grummelte Tonks und gähnte ausgiebig.
„Welche denn?", fragte Remus, in der festen Annahme, ein ‚dich zum Beispiel' als Antwort zu erhalten.
„Schlafen zum Beispiel..." Sie packte ihr Kissen, drückte es an seine Schulter und lehnte sich mit geschlossenen Augen an ihn. „Also... gute Nacht."
„Gute Nacht", antwortete er und kam nicht umhin, grinsend den Kopf zu schütteln, während er einen Arm um sie legte. Zumindest hatten sie so mit ein paar Klischees gebrochen.~
Obwohl sie in der vergangenen Nacht nicht sonderlich viel Schlaf gehabt hatte, erging es Tonks bei der Arbeit besser als im gesamten letzten Jahr. Es war zwar ein wenig umständlich, den Stimmungsumschwung zu erklären, ohne die Beziehung zu erwähnen, aber dennoch wollte ihr das Lächeln einfach nicht vergehen. Welchen Einfluss er doch auf sie hatte...
~
Für Remus verlief der Tag nicht so wohlig, wie der Morgen es verkündet hatte. Kaum hatte er sich zu Minervas Büro aufgemacht, schon war ihm wieder in den Sinn gekommen, was er in der Nacht und vor ein paar Minuten noch vollständig verdrängt hatte – der Tod von Albus. Dennoch, trotz aller Trauer und Sorgen um die Zukunft, schien die Wunde schon langsam zu heilen. Er wusste, es war ein schwerer Schlag, aber es konnte von nun an wieder aufwärts gehen – und ebenso wusste er, wem er diese optimistische Einstellung zu verdanken hatte.
~
Obwohl Tonks bei der Arbeit mehr Freude hatte als all die Monate zuvor, konnte der Feierabend gar nicht schnell genug kommen. Nicht einmal das Zertifikat zur bestandenen Aurorenprüfung hatte sie sich so sehr ersehnt. Als es endlich so weit war, machte sie sich auf den Weg zu den drei Tannen, bei denen sie sich heute wieder treffen wollten. Ihr Herz hüpfte in freudiger Erwartung und egal, wie sehr sie sich bemühte, nach außen hin ruhig und ausgeglichen zu wirken – das Lächeln auf ihren Lippen weigerte sich zu verschwinden.
Sie schob die grünen Zweige fröhlich beiseite und kämpfte sich zwischen den Bäumen hindurch. Remus saß schon dort, mit einem nachdenklichen Ausdruck auf den Lippen.
„Hey, Remus", begrüßte Tonks ihn zärtlich, doch er brachte nur ein Lächeln zustande, das irgendwie gezwungen wirkte. Mit einem Mal befürchtete sie das Schlimmste – er würde seine Entscheidung doch nicht zurücknehmen, oder? Das – das konnte er ihr unmöglich – oder war etwas anderes vorgefallen oder –
„Was ist los?", fragte sie mit einem Anflug von Panik in der Stimme.
Sie sah seinen nervösen Blick und ihr ungutes Gefühl nahm zu. „Wegen uns – dieser Beziehung – wir müssen reden."
„Nein, Remus, das kannst du mir nicht antun!", rief Tonks außer sich. Wut, Schock, Entsetzen mischten sich mit dem stummen Flehen in ihrer Stimme. Er hatte den Satz ausgesprochen, der für jedes Paar das Aus bedeutete.
Aber hatten sie nicht erst in dieser Nacht alles geklärt? Hatte nicht er gesagt, sie sollten versuchen? Die Nacht – der Morgen – sie waren so schön gewesen – er konnte nicht einfach alles wieder zunichtemachen! Nicht, nach allem, was sie bereits durchgemacht hatte... „Du kannst nicht – nicht nach alle dem – ich dachte, wir wollten – wollten – bitte Remus, bitte bitte nicht!" In ihren Augen brannten Tränen und Furcht schnürte ihre Kehle zu.
„Tonks, beruhige dich, lass mich erklären –"
„Spar dir deine Erklärungen – du kannst nicht – nicht nach allem –"
„Tonks, hör mir zu, ich möchte die Beziehung auf Probe beenden, weil –"
„Ich sagte: SPARS DIR!"
„Weil ich eine richtige Beziehung mit dir möchte! Nichts Heimliches, kein ‚Vielleicht'! Das ist mir heute klargeworden!"
Tonks verstummte mit einem Mal und sah Remus irritiert an. Er raufte sich ein wenig hysterisch die Haare und lächelte sie unsicher an.
„Was?" Ihre Augen blickten völlig perplex in die seinen.
Remus seufzte leise. „Um ehrlich zu sein, meine Schauspielkünste waren miserabel. Minerva hat sofort geschalten und den Nagel auf den Kopf getroffen. Ich konnte es nicht leugnen."
„Heißt das – wir sind noch –?", fragte Tonks völlig überrumpelt.
Remus nickte lächelnd. „So leichtfertig zerstöre ich so etwas nicht. Vor allem nicht nach den vergangenen Stunden. Um keinen Preis."
Tonks legte ihren Kopf in den Nacken und atmete einmal tief durch. „Du hast mir gerade echt Sorgen bereitet. Merlin! Du warst auch so nervös und so... ich dachte echt... Aber wie auch immer, sie wird es doch bestimmt nicht weiter sagen? Wieso der plötzliche Meinungswechsel? Verdammt. War hoffentlich nicht blöd, das zu fragen."
Remus nahm ihre Hand und setzte sich mit ihr aufs Gras, während ein wenig Sonne ihre Gesichter kitzelte. „Keine Sorge, der Entschluss steht fest. Es war nur... wir hatten etwas ausgemacht und ich habe dagegen verstoßen. Daher fühlte ich mich schuldig und das – nun, ich habe vermutet, dass du es nicht schlecht aufnimmst, aber trotzdem..."
„Idiot", murmelte Tonks in gespielter Verärgerung und rollte mit den Augen. „Hättest du dabei gelächelt, hättest du mir nen halben Herzinfarkt erspart!"
Remus lächelte sie entschuldigend an. „In jedem Fall hast du wohl Recht damit, dass Minerva das nicht weitersagen würde. Aber weißt du, was ihre Worte waren? ‚Im Übrigen, Remus, scheint Nymphadora dir sehr gut zu bekommen.'" Er kratzte sich verlegen am Kopf, ehe er fortfuhr. „Nun, ich denke, wenn sie schon so schnell und sicher darauf kommt, würden ohnehin Gerüchte entstehen, die ich vermeiden möchte... und abgesehen davon... ich glaube, die Beziehung auf Probe habe ich nur vorgeschlagen, weil ich mir zu unsicher war. Der Weg von ‚Nein' hin zu ‚Ja' war zu lang und dieser Zwischenschritt... ich schätze, er hat mir die nötige Sicherheit mitgegeben."
„Das heißt, wir sind jetzt offiziell – so richtig – komplett zusammen?" Ein hoffnungsvolles Funkeln lag in Tonks' sturmgrauen Augen.
„So richtig", bestätigte Remus mit einem wundervoll warmen Lächeln. Augenblicklich stürzte Tonks nach vorne und fiel ihm um den Hals. „Oh Remus! Ich bin – das ist –!!" Heiße Schauer des Glücks durchfluteten Tonks und all die Zeiten, in denen sie sich so miserabel gefühlt hatte, schienen mit einem Mal vergessen.
„Ich weiß", wisperte Remus und schob seine Hand in ihren Nacken. Eine prickelnde Gänsehaut breitete sich auf ihrem Körper aus. Als Remus seine Lippen endlich auf ihre legte, schloss sie ihre Augen und erwiderte den Kuss gefühlvoll.
„Wow", flüsterte Remus, als er seine linke Hand sanft über ihren Rücken gleiten ließ, während er mit seiner rechten ihr Haar durchkämmte, „Das hätten wir schon viel früher machen sollen."
„Hör auf zu reden", murmelte Tonks und küsste ihn von Neuem.
Einige schimmernde Strahlen der untergehenden Sonne lagen auf dem See, den sie über das Schloss hinweg beleuchtete.
„Es ist wundervoll", flüsterte Tonks, „das alles." Sie strich Remus vorsichtig über seine Wange und hauchte ihm einen Kuss auf die Lippen.
Auch als die Sonne ihr letztes Licht verschenkt hatte und die Nacht über sie hereinbrach, waren ihre Arme immer noch umeinander geschlossen.
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Frage an EUCH: Was mögt ihr an Tonks nicht? Überlegt mal und nennt mindestens eine Eigenschaft :)
Frage an EUCH2: Habt ihr geglaubt, dass ich euch foltere und Remus Schluss macht?
Funfact: Die Trennung ~ wurde verwendet, wenn (einigermaßen) Harmonie zwischen Remus und Tonks herrschte, wohingegen das Minus (–) in Krisenzeiten zum Einsatz kam.
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Weil du mich zum Menschen machst
ФанфикRemus Lupin X Nymphadora Tonks. Als Remus Lupin im Kindesalter mit Lykanthropie infiziert wurde, änderte sich sein Leben schlagartig: Er musste sich fortan damit abfinden, sein Leben als Monster, als Ausgestoßener der Gesellschaft zu fristen. Nie...