Unvorhergesehen

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„Wie geht es ihm?", fragte Kingsley mit seiner beruhigenden Stimme, als Lupin die Küche betrat. Offenbar hatten alle Anwesenden bemerkt, was vor sich ging.
„Zu behaupten, dass es ihm gut ginge, wäre eine Lüge", antwortete Lupin wahrheitsgetreu, „aber es geht ihm besser als vorhin und er wird versuchen, sich zu bessern. Er braucht noch einen Moment, um sich zu sammeln, dann wird er herkommen."
„Du konntest ihn da aber ziemlich schnell überzeugen", bemerkte Tonks verblüfft.
„Das liegt daran, dass er es eigentlich schon fast allein geschafft hat", antwortete Lupin mit einem Hauch von Stolz in seiner Stimme. „Gefehlt hat nur ein kleiner Schups in die richtige Richtung."

~
Tatsächlich wirkte Sirius in den kommenden Tagen viel lebensfroher und aufgeschlossener. Tonks war seit dem letzten Ordenstreffen nicht mehr aufgetaucht und Lupin war sich sicher, dass sie gerade ihre Geheimmission durchführte. Am liebsten würde er Dumbledore fragen, wie gefährlich ihre Mission war, doch da es merkwürdig erschiene, wenn er diese Frage stellte, schwieg er nur.
Lupin machte sich wirklich sichtliche Sorgen um Tonks' Wohl, doch als er Sirius darauf ansprach, grinste er nur und als Lupin ihn mit hochgezogenen Brauen darauf hinwies, dass er in solchen Situationen wirklich keine Fröhlichkeit vorspielen müsse, entschuldigte er sich nur kurz für sein mangelndes Taktgefühl, um dann weiter vor sich hin zu grinsen.
Seitdem vermied der Werwolf es, seine Sorgen um die junge Aurorin mit jemandem zu teilen.
Selbst, als Tonks beim nächsten Ordenstreffen wieder erschien und ihm war, als würde er in einem See aus Erleichterungsgefühlen schwimmen, begrüßte er sie, wie er es immer tat.
Auf die Frage, wie ihre Mission verlaufen sei, berichtete Tonks, dass sie nicht wisse, ob sie etwas Derartiges überhaupt verraten dürfe, weshalb sie lieber nichts erzählen wolle und da es für Lupin das Wichtigste war, dass sie gesund und wohlauf war, ging er auch nicht weiter darauf ein.

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„Hallo Sirius", begrüßte Tonks ihren Verwandten lächelnd, als sie die Küche des Hauptquartiers betrat.
Ihre Haare waren wie so oft unverkennbar violett und ihre Augen schimmerten heute in einem smaragdgrünen Farbton.
Sirius' Blick fiel zur Tür. „Oh Tonks, was für eine schöne Überraschung!"
„Wo ist Remus?", erkundigte sie sich ein wenig nervös.
Der Schwarzhaarige setzte ein breites Grinsen auf. „Er ist oben und erholt sich vom letzten Vollmond. Könntest du das Buch hier vielleicht mit hoch nehmen?", fragte Sirius und deutete auf einen blauen Wälzer, der vor ihm auf den Tisch lag. „Er wollte es lesen, wenn ich fertig bin."
Tonks schaute ihn für einen Moment irritiert an. „Ach so, nein, ich wollte nicht zu ihm. Eigentlich... wollte ich zu dir."
„Zu mir?" Sirius zog fragend die Brauen hoch.
„Ja, zu dir", bestätigte Tonks nervös und ging auf ihn zu.
„Und ... was kann ich für dich tun?"
„Nun, es ist folgendermaßen: Remus meinte vor einiger Zeit, dass du versuchst, den Wolfsbanntrank zu brauen und da wollte ich fragen, ob du es mittlerweile hinbekommst oder ob du schon irgendwelche Fortschritte gemacht hast und so und ja..."
Es ging also doch um Remus. Sirius kam nicht umhin zu grinsen.
„Du glaubst doch nicht ernsthaft, dass ich bei einem Trank, den Schniefelus hinbekommt, scheitern würde, oder? Nein, nein, den hab ich schon vor Eeeewigkeiten gemeistert."
„Oh, gut", sagte Tonks erstaunt und etwas unsicher zugleich, ehe sie einen Moment inne hielt. „Also, ähm – könntest du ihn mir vielleicht beibringen? Ich würde ihn wirklich wahnsinnig gerne auch beherrschen – also, du musst mich jetzt nicht dauernd unterrichten, ein paar Tipps würden schon reichen, ich war zwar oft tollpatschig in Zaubertränken und hab alles zum Explodieren gebracht, aber das ist ja wichtig und demnach sollte es mir auch gelingen und –"
„Tonks."
„- an sich war ich ja gar nicht so arg unfähig und wie gesagt, ein bisschen Input und so würde schon genügen und –"
„Tonks!"
„Ja?"
„Du ahnst gar nicht, wie froh ich bin, einer sinnvollen Beschäftigung nachgehen zu können. Also ja, ich bringe es dir sehr gerne bei."

~
Die darauffolgenden Monate vergingen wie im Flug und die warmen Tage wichen kälteren. Sie schienen fast schneller vorbeizuziehen, als ein Phönix zu Asche verbrennen konnte. Es war unbestreitbar, dass der Winter nahte.

Sirius' Zustand hatte sich tatsächlich anhaltend gebessert, auch, wenn seine Stimmung natürlich etwas tagesabhängig war.
Sturgis Podmore war bei seiner Wache erwischt worden und nach Askaban gekommen, was sie alle daran erinnert hatte, wie wichtig es war, wachsam zu sein.
Tonks, deren Sprachstil mittlerweile wieder ihrem alten glich, tauchte verhältnismäßig merklich seltener im Orden auf und als Lupin sie danach fragte, erklärte sie, dass sie zur Zeit sehr bemüht sei und allerlei um die Ohren hätte, nicht zuletzt, weil sie versuchen musste, das Vertrauen der Ministeriumsleute in sie zu stärken. Eigentlich war es bei dem anspruchsvollen Job, den sie als Auror ausführte, keinesfalls verwunderlich, dass sie nicht mehr so viel Zeit für den Orden fand und auch Dumbledore schien dafür Verständnis zu haben, da er ihr recht wenige Missionen zuteilte. Lupin vermutete, dass es auch für Dumbledore zurzeit oberste Priorität hatte, dass Tonks die Beziehungen im Ministerium möglichst gut ausbaute. Würde Kingsley enttarnt werden, wäre sie schließlich die beste Option, um zu erfahren, was dort gerade vor sich ging und das zu wissen war unerlässlich.

„Pass aber auf, dass du dich nicht überarbeitest", ermahnte Lupin sie, doch Tonks tat dies grinsend mit einem „Das wird schon irgendwie, ich halte schon einiges aus" ab.

~
Die Nachricht, dass Arthur Weasley lebensgefährlich verletzt worden sei, traf Tonks völlig unvorbereitet und für einen kurzen Moment nahmen ihre Haare vor Schreck einen weißen Farbton an.
„Er kommt durch", gab Moody kurzangebunden von sich und Tonks atmete erleichtert auf, ehe ihr Gesicht wieder ernst Züge annahm. Es hatte sie ziemlich verwundert, dass Mad-Eye sie nach langer Zeit wieder besuchen gekommen war, aber dennoch hatte sie mit so einer Nachricht nicht gerechnet.

„Aber Mad-Eye, wie – wie konnte das passieren?", fragte sie noch immer etwas geschockt, „die Zauber auf den Uhren sollten doch verhindern, dass man einnicken kann..."
„Hat sich wohl 'ne neue Uhr angeschafft und vergessen, sie zu verzaubern", grummelte Moody und schien sichtlich verstimmt, weil seine „Immer wachsam"-Botschaft in gewisser Weise missachtet worden war.
„Verstehe", antwortete Tonks grüblerisch. „Sich einen neue Muggelsachen anzuschaffen... ja, das sieht ihm ähnlich..."
„Wir haben den Auftrag", fuhr Moody unwirsch fort, „sollen Potter und die Weasleys ins Mungo's bringen. In 15 Minuten am Grimmauldplatz."

Augenblicklich machte Mad-Eye kehrt und humpelte geräuschvoll auf die Haustür zu.

„Äh", gab Tonks etwas überrumpelt von sich. Diesen Morgen hatte sie sich anders vorgestellt.
Moody öffnete unterdessen die Türe, sah misstrauisch in alle Richtungen und humpelte hinaus.
„Aber Mad-Eye, kannst du nicht erstmal erzählen, was genau passiert ist - und abgesehen davon wollte ich noch du-", rief Tonks ihm hinterher, ehe die Haustür schon zuschlug. „-schen", beendete Tonks ihren Satz augenverdrehend und seufzte angesichts dessen, dass ihr freier Tag wohl nicht besonders erholsam werden würde.

Andererseits – sie würde Harry und die Weasleys wiedersehen, worauf sie sich zweifelsfrei freute. Dennoch bereitete es ihr ein wenig Sorge, dass Arthur so unvermittelt angegriffen worden war. Es führte ihr abermals vor Augen, wie gefährlich die Welt war, in der sie lebten und dass eben insbesondere die Mitglieder des Ordens in Gefahr waren.
Nichtsdestotrotz wollte sie unbedingt erfahren, was genau geschehen war und wie es möglich war, dass Harry eine solche Vision gehabt hatte. Ob er wohl Seherblut in seiner Familie hatte?

~
Arthur schien es glücklicherweise den Umständen entsprechend gut zu gehen. Zwar war es noch nicht möglich, dass sein Verband abgenommen wurde, da seine Wunde dann seinen eigenen Aussagen nach immer fürchterlich zu bluten begann, doch immerhin war er problemlos imstande, den Tagespropheten zu lesen und sich ohne Komplikationen zu unterhalten und auch sonst machte er einen sehr munteren Eindruck.

„Will hoffen, dass die Uhr mittlerweile mit dem Zauber versehen ist", grummelte Mad-Eye unleidig und fixierte den Rothaarigen mit beiden Augen. Arthur setzte ein schuldbewusstes Lächeln auf. „Äh – nun ja, ich hatte noch nicht die Gelegenheit -",. Molly schnaubte auf, ob der Unverantwortlichkeit ihres Mannes und öffnete den Mund, um sich lauthals zu entrüsten.
„Du hast auch keine Ahnung, wie die Schlange dort hineinkommen konnte, oder Arthur?", warf Tonks hastig ein, um einem Streit vorzubeugen.
Er schüttelte den Kopf.
„Ich verstehe das auch einfach nicht", fuhr Tonks kopfschüttelnd fort. „Im Ministerium haben sie das scheinbar auch nicht auf die leichte Schulter genommen, aber trotzdem, ich begreife schon nicht, wie es dazu kommen konnte... und Mad-Eye meinte, die haben den ganzen Bereich abgesucht, aber die Schlange nirgends gefunden. Sieht ganz so aus, als wäre sie nach dem Angriff auf dich verschwunden, Arthur... aber Du-weißt-schon-wer hat doch nicht im Ernst erwartet, dass eine Schlange dort eindringen kann?"

Mad-Eye begutachtete die anderen beiden Patienten argwöhnisch durch sein magisches Auge, ehe er knurrend weiter sprach.
„Ich schätze, er hat sie als Späherin geschickt, weil er bisher noch kein Glück gehabt hat. Nein, ich denk mal, er will sich ein klareres Bild von dem verschaffen, was ihn erwartet und wenn Arthur nicht da gewesen wäre, hätte das Viech viel mehr Zeit gehabt rumzuschnüffeln."
Noch immer hing sein magisches Auge an den beiden Zimmerbewohnern, als wolle er sichergehen, dass ihre Aufmerksamkeit sich auch nicht eine Sekunde ihnen widmete.

„Potter sagt also, er hat gesehen, wie alles passiert ist?", vergewisserte er sich.
„Ja", bestätigte Molly und hielt einen Moment inne. „Wisst ihr, Dumbledore scheint fast darauf gewartet zu haben, dass Harry etwas Derartiges sieht."
„Ja, sicher", entgegnete Moody mürrisch, „'s ist was Merkwürdiges an diesem Potter-Jungen, das wissen wir alle."
„Als ich heute Morgen mit Dumbledore gesprochen habe, schien er sich wegen Harry Sorgen zu machen", flüsterte Molly mit unheilverkündender Stimme.
„'türlich ist er besorgt", antwortete Mad-Eye knurrend, „der Junge sieht Dinge aus dem Inneren der Schlange von Du-weißt-schon-wem. Natürlich weiß Potter nicht genau, was das bedeutet, aber wenn Du-weißt-schon-wer von ihm Besitz ergriffen hat, hätten wir ein ernstes Problem."

Molly schlug sich entsetzt die Hand vor den Mund und auch Tonks hielt den Atem an. Daran hatte sie noch gar nicht gedacht. Hoffentlich wusste er noch nicht zu viel... hoffentlich würde er sie nicht aus dem Hinterhalt angreifen...

„Äh ... wir sollten vielleicht erstmal gründlich darüber nachdenken, bevor wir jetzt voreilig irgendwelche Schlüsse ziehen...", gab Tonks zu bedenken, als sie ihre Sprache wiedergefunden hatte.
„Hm", machte Moody mürrisch. „Geh'n wir. Arthur braucht Ruhe."

Ohne Widerworte zu dulden, packte Mad-Eye Tonks an der Schulter und bugsierte sie zum Ausgang.

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