Als Tonks' am nächsten Morgen erwachte, verfluchte sie in ihrem allmorgendlichen Ritual ihr Leben und rappelte sich in der Gewissheit auf, dass ihr Tag durch weniger als vier Stunden Schlaf wohl zur Hölle werden würde.
Seltsamerweise schien sie bei der Arbeit aber mindestens genau so fit wie üblich zu sein, fast, als wären die wenigen Stunden Schlaf auf eine sonderbare Weise besonders erholsam gewesen.
Vielleicht hatte ihr das Tanzen einfach gut getan oder ihr Körper war einfach überraschend effizient darin geworden, Schlaflosigkeit wegzustecken – immerhin hatte sie durch die Nachtschichten vor der Mysteriumsabteilung nicht gerade wenig Übung darin. Doch ob es nun vom Tanzen her rührte oder nicht, sie war sich sicher, dass sie das unbedingt noch einmal wiederholen wollte.~
Der März zog schnell von dannen und auch der April schien im Nu vorüberzuziehen, ohne, dass es etwas Bemerkenswertes zu berichteten gegeben hätte. Bis zu jenem Tag. Jenem Tag, an dem ihr Konzept vollends durcheinandergebracht wurde.
Obwohl die Küche der Blacks beinahe voll war, war es totenstill. Sie standen alle unter Schock.
Keiner von ihnen hatte erwartet, dass Dumbledore von der Schule fliehen würde müssen, keiner hatte geahnt, dass man Dumbledore fälschlicherweise einer Verschwörung gegen das Ministerium bezichtigen könne, keiner hatte auch nur in Erwägung gezogen, dass Dumbledore sich plötzlich wie Sirius auf der Flucht befinden würde, auf der Flucht vor dem Gesetz.
Doch war die Sache mit der Schülervereinigung, die das goldene Trio gegründet hatte, um Verteidigung besser erlernen zu können, derart eskaliert, dass nun genau jenes Alptraum-Szenario eingetreten war:
Das Ministerium, schlimmer noch, eine fürchterliche Abgesandte des Ministeriums, hatte Hogwarts in ihrer Gewalt und tyrannisierte es fast ungehalten.
Dumbledore ermutigte sie, indem er ihnen immer wieder vor Augen führte, dass Minerva noch dort war und auch Filius und einige andere Lehrer ein wenig gegen die Taten von Umbridge unternehmen konnten.
Doch auch das konnte sie nur ein bisschen beruhigen.
Würde sich das Ministerium wirklich weit genug ins Negative entwickeln, damit es zu einem weiteren Feind werden konnte?
Als die Mitglieder des Phönixordens erfahren hatten, dass eine kurzfristige Sitzung angesetzt worden war, hatten die meisten schon eine schlechte Vorahnung, da die Gespräche nur selten einem positiven Ereignis zu verdanken waren.
Nichtsdestotrotz waren sie alle recht bleich, als sie mit der neuen Information das Hauptquartier verließen.
~
Lupin seufzte. Die Missionen der vergangenen Tage waren wirklich anstrengend gewesen und er war fürwahr froh, jetzt wieder an den Grimmauldplatz zurückkehren zu können.
Fast zwei Wochen war es nun her, seit Umbridge die Schule übernommen hatte und obwohl es ihm schwer gefallen war, hatte er es nunmehr realisieren und irgendwie akzeptieren können.
Ihm war nichts anderes übrig geblieben, als so gut wie möglich das auszuführen, was noch zu retten war und ebendies hatte er bei seinen Missionen versucht. Als Ergebnis war er zwar recht erfolgreich gewesen, aber dafür auch sehr erschöpft.
Der Braunhaarige drehte sich auf der Stelle und kam mit dem gewohnten leisen „Plopp" bei der Nummer zwölf an.
Er gähnte ausgiebig. Jetzt erst einmal etwas essen, und dann ins Bett... ja, ein bisschen Ruhe wäre jetzt sicherlich angebracht.
Beinahe geräuschlos zog er seinen Zauberstab, klopfe sanft gegen die Eingangstür und murmelte das Passwort. Die Tür schwang auf. Lupin glitt stumm durch den Flur und schlich an dem Portrait von Sirius' Mutter vorbei.
Aus der Küche drangen gedämpfte Stimmen zu ihm hindurch.
„Sirius, ich wollte dich das schon länger fragen, aber habe mich irgendwie nie getraut... ähm..." Tonks verstummte peinlich berührt. „Nun frag schon!", ermunterte Sirius sie, „ich reiß dir schon nicht den Kopf ab – und selbst wenn doch, als Metamorphmagus dürftest du den schnell wieder nachwachsen lassen können, nicht wahr?"
Lupin sah Sirius' grinsendes Gesicht so deutlich vor sich, als stünde er schon in der Küche, obwohl das Gespräch ihn dazu veranlasst hatte, seine Schritte zu verlangsamen.
Die Jungaurorin lachte kurz und fuhr dann zögernd fort:
„Nun... ähm - gab es eigentlich jemals eine... eine Frau in deinem Leben?"
„Natürlich, Tonks, nicht nur eine!", antwortete Sirius lässig, „manche waren mir egal, andere ... eben wichtig."
Seine Stimme hatte einen ernsthaften Tonfall angenommen. Sirius schwieg einen bedeutsamen Moment, ehe er fortfuhr:
„...und eine, die mir wirklich unheimlich wichtig ist, sitzt gerade vor mir. Ich ... meine dich, Tonks. Und ja. Ich meine das ernst."
Lupin erstarrte in der Bewegung.
Was – um alles in der Welt...?!
Sollte – sollte Sirius sich tatsächlich in Tonks verliebt haben?
Würde er es so unbefangen zugeben? Es sähe ihm schon ähnlich – und es war auch ziemlich eindeutig, da Sirius wohl niemals die Worte „Ich liebe dich" in den Mund nahm - aber würde er nicht auf eine günstigere Gelegenheit warten? Für gewöhnlich hatte er es immer auf eine extravagantere Weise verkündet, aber andererseits, ohne eine Möglichkeit, das Haus verlassen zu können, gäbe es überhaupt eine günstigere Gelegenheit als in einem solchen, scheinbar ungestörten Gespräch?
Doch vor ein paar Monaten hatte es doch so gewirkt, als wollte Sirius versuchen, ihn mit Tonks zu verkuppeln – und hatte er ihn vor einiger Zeit an seinem Geburtstag nicht extra mit Tonks allein gelassen? Hatte er das falsch verstanden? Oder hatten sich seine Gefühle geändert?
Ob nun das Erste oder Zweite der Fall war, es spielte keine Rolle. Sirius war in Tonks verliebt. Und Tonks höchstwahrscheinlich auch in ihn – warum sonst hatte sie ihm so zögerlich diese Frage gestellt? Er konnte es keinem der beiden verdenken.
Sirius war ein bewundernswert starker Mann, trotz allem, was er hatte durchmachen müssen. Er war witzig, charmant, intelligent und über alle Maßen talentiert. Zudem wurden Frauen durch seine Attraktivität schon immer magisch von ihm angezogen. Eigentlich war es Lupin sogar fast schleierhaft, wie man jemanden wie ihn nicht lieben konnte. Natürlich nicht zwangsläufig auf eine romantische Art, sondern einfach als Mensch, als Person.
Nun gut, jemand wie Snape hatte schon seine Gründe, doch aus dem kindischen Verhalten von damals war Sirius herausgewachsen. Der alte Hass gegen Snape blieb zwar bestehen, dafür war er zu tief verwurzelt, doch würde Sirius nun nicht mehr so vorgehen und bereute alles in allem seine Taten. Er hatte seine größten charakterlichen Schwächen eigentlich beseitigt – also war es wohl nur natürlich, dass sich jemand wie Tonks in eine nahezu perfekte Person wie ihn verliebte.
Und was Sirius' Gefühle für sie anging – Tonks war – schlichtweg fantastisch. Ihre einzigartige, unbedachte und irgendwie doch gewissenhafte Art, ihr Optimismus, ihre Neugierde, ihre glänzenden Augen, wenn sie sich für etwas begeistern konnte, ihre ständige Hilfsbereitschaft, ihre Offenheit... Es schien ihm, als könne er die Liste ewig fortführen.
Warum sollte Sirius sich zurückhalten, wenn er auch Gefühle für sie entwickelt hatte? Lupin hatte ihm unmissverständlich zu verstehen gegeben, dass für ihn als Werwolf keine Beziehung infrage käme, hatte ihm sogar verboten, darüber zu sprechen. Er hatte nie eine Chance gehabt, sein Leben auf diese besondere Weise mit ihr zu teilen, von Anfang an war es unmöglich gewesen und das wusste er. Er war ohnehin dazu verdammt, unglücklich zu sein, also warum sollte er zwei Menschen, die ihm so viel bedeuteten, nicht ihr Glück gönnen?
Gerade Sirius hatte es nach allem mehr als nur verdient.
Und doch – warum verkrampfte sich alles in ihm, als er diese Worte vernahm?
Warum fühlte es sich an, als würde seine Seele schreien, sein Herz zerbrechen?
Noch bevor jemand ein weiteres Wort sagen konnte, hatte Lupin auf dem Absatz kehrt gemacht und war kaum hörbar zur Tür hinausgestürmt.
Warum setzte ihm das so sehr zu?
Wieso war er so egoistisch, dass er sich nicht einfach aus vollem Herzen für die beiden freuen konnte?
Wieso schmerzte es so unerträglich, obwohl er glaubte, sich schon damit abgefunden zu haben, dass er nie mit Tonks zusammenkommen konnte? Obwohl er es gewusst hatte, nicht einmal einen Versuch unternommen hatte, um dem entgegenzuwirken?
Sämtliche Müdigkeit war verschwunden.
Er rannte die Straße hinab, hielt nur kurz an, wenn es nötig war, eine zu überqueren, rannte dann immer weiter, beachtete nicht, wo lang er lief.
Er rannte, rannte immer weiter, rannte vorbei an Menschen, Häusern, Hotels, rannte, um diesen Felsen abzuschütteln, der sich in seinem Körper eingenistet hatte, seit er die Worte aus dem Mund seines besten Freundes vernommen hatte, rannte, um dem Frust zu entkommen, rannte, um diese Gefühle loszuwerden, rannte, obwohl er schon lange Blut schmeckte und sein Körper ihm eindringlich befahl, endlich anzuhalten.
Erst, als die Sicht ihm schwand, hielt er an. Keuchend stützte er sich mit seinen Armen auf seinen Knien ab und japste nach Luft.
Kalter Schweiß rann ihm über Gesicht, Nacken und Rücken. Mit einer Hand fuhr er sich über die klebrigen Haare und begann frustriert, sie zu raufen.
Warum? Dieses eine Wort weigerte sich, aus seinem Kopf zu verschwinden, fast, als hätte man es ihm eingebrannt.
Warum gönnte er seinem Freund sein Glück nicht?
Warum hegte er selbst überhaupt solche Gefühle für Tonks? Für eine Frau, so viel schöner, jünger, besser als er?
Warum verletzte es ihn auch noch, eine Gewissheit zu haben, dass aus ihnen nie etwas werden könnte, obwohl er das schon vor so langer Zeit eigens beschlossen hatte?
Warum war die letzte Zeit so schwer?
Warum von all den Menschen musste gerade er ein Werwolf sein?
Warum befanden sie sich im schweigsamen, aber doch unzweifelhaft spürbaren Krieg?
Warum musste Voldemort zurückgekehrt sein?!
Warum schlossen sich so viele Menschen einer solchen Person an?!
Warum waren sie alle zu feige, um sich zu wehren?!
Lupin lachte laut auf. Zu feige?
Hatte er gerade anderen vorgeworfen, zu feigee zu sein?
War nicht er es gewesen, der sich nie getraut hatte, ehrlich zu seiner Meinung zu stehen?!
Nicht einmal jetzt war er ehrlich zu sich selbst gewesen!
Wenn er sich nicht noch eine Chance mit Tonks erhofft hatte, warum sollte es ihn dann so frustrieren, zu wissen, dass daraus nichts werden würde?
Er hatte überhaupt nichts dazugelernt!
Noch immer belog er sich selbst!
Noch immer war er der kleine dumme Schuljunge von damals!
Er spürte den Zorn zäh in sich wachsen, in jede Pore eindringen.
Zorn auf Voldemort, der so vielen Menschen das Leben genommen hatte, Zorn auf Greyback, weil er ihm all das eingebrockt hatte, Zorn auf Sirius, weil er sich in Tonks verliebt hatte, Zorn, weil er nun Sirius unbegründet die Schuld gab, Zorn auf sich selbst, über seine Gefühle, weil er seinen besten Freunden ihr Glück nicht gönnte, Zorn, weil er sich nicht hatte ändern können, weil er noch immer so erbärmlich war, wie er war.
Lupin torkelte zur Wand des nächstbesten Hauses, das an der Straße stand und ließ sich erschöpft daran hinabgleiten.
Schwer atmend winkelte er die Knie an, vergrub tonlos das Gesicht in einer Hand, den Ellbogen auf seinen Oberschenkel abgestützt.
Minutenlang saß er einfach so da, keuchend, aber ohne sich zu regen, versucht, an nichts zu denken.
Doch es war unmöglich.
Wie eine Lawine, eine Sturmflut strömten die Gedanken auf ihn ein.
Er nahm nicht wahr, wie laut der Verkehr um ihn herum war, wie die Leute redeten, wie sein Magen knurrte, wie die Dunkelheit hereinbrach, so sehr war er bemüht, das Meer seiner Gedanken zu ordnen.
Doch so wenig, wie man ein Meer zu zähmen vermochte, konnte er seine Gedanken sortieren.
Nach einer langen Weile sah er auf, seine Sicht war wieder klar.
Er beobachtete, wie Menschen an ihm vorbeigingen, ohne ihn zu beachten.
„Maaaamaaa, kaufst du mir jetzt ein Eis?", fragte ein kleines blondhaariges Mädchen in rotem Kleid und zog spielerisch an der Handtasche seiner Mutter, „du hast es versprochen."
„Natürlich, Clary, Liebling", antwortete sie und tätschelte sanft den Kopf ihrer Tochter.
‚Eigentlich', dachte Lupin stumm und sah ihnen nach, ‚erinnert mich meine Situation ein wenig an damals. Mit dem Unterschied, dass ich damals nicht annährend so stark empfunden habe.'
Er lächelte matt, stand auf und klopfte sich den Dreck von Hose und Umhang.
„Ist wohl mein Schicksal", murmelte er mit müdem Lächeln auf den Lippen und ging langsam weiter die Straße entlang. ____________________________________________________________
Frage an EUCH: Seid mal ehrlich, hättet ihr damit gerechnet? :DÜbrigens geht ein besonderer Dank und damit einhergehend ein imaginäres Süßigkeiten-Paket voller Bertie Botts Bohnen und Schokofrösche an Tess_exter für ihre Treue und die vielen Kommentare :)
Sie schreibt meines Wissens nach auch über LxT, also könnt ihr auch mal bei ihr vorbeischauen, wenn ihr mögt ^^
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Weil du mich zum Menschen machst
FanfictionRemus Lupin X Nymphadora Tonks. Als Remus Lupin im Kindesalter mit Lykanthropie infiziert wurde, änderte sich sein Leben schlagartig: Er musste sich fortan damit abfinden, sein Leben als Monster, als Ausgestoßener der Gesellschaft zu fristen. Nie...