Eine letzte Chance

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„Ich bin fix und fertig", seufzte Lupin und ließ sich entkräftet an einem Baumstamm zusammensinken.
Nach seiner großen Rede hatten sich Fidian und Soran zusammengetan, um die weitere Verfahrensweise zu besprechen und auch unter den anderen Zentauren war dies das primäre Gesprächsthema gewesen – ein Umstand, der an sich zwar gut war, Lupin aber dennoch ein unbehagliches Gefühl bescherte, weil man hauptsächlich über seine Worte diskutierte.
Wenn ihm doch Fehler unterlaufen sein sollten, würden sie dort wahrscheinlich am ehesten herauskommen. Um dies zu verhindern bzw. direkt geradebiegen oder korrigieren zu können, aber auch um die Vertrauensbasis noch weiter zu stärken, seinen Einfluss zu vergrößern und die Ernsthaftigkeit des Unterfangens zu verdeutlichen, hatte er sich die vergangenen zwei Stunden mit verschiedenen Zentauren unterhalten.
Es war ihm nicht immer leicht gefallen, die richtigen Worte zu finden, doch allem Anschein nach schienen Tonks und er ziemlich erfolgreich gewesen zu sein.

Nun hatten Soran und Fidian ein weiteres Treffen angesetzt und erneut bildete sich die riesige Zentaurenmasse nach und nach vor dem Felsen.

„Doch nun hast du es glücklicherweise beinahe überstanden", versuchte Tonks ihn zu ermuntern.
„Ja", bestätigte Lupin mit matter Stimme, die durch das viele und teils auch laute Sprechen schon ganz heiser war.
Dennoch war es die richtige Entscheidung gewesen, nicht auf den Sonorus-Zauber zurückzugreifen, um das „Fremdartige" nicht gleich zu Beginn noch zu verstärken.

Nun war die Rede vorbei, doch noch immer war er sehr nervös. In Umgebung der ganzen Zentauren würde er sich wohl nie wirklich entspannen können und vor allem nicht, bevor er ihre genauen Ansichten kannte.

„Aus reinem Interesse, hast du vorhin eigentlich absichtlich auf die Rumtreiber angespielt, um mir die Spannung zu nehmen?", wollte Lupin wissen. Wahrscheinlich war ihm die Rede deshalb tatsächlich besser gelungen.
„Wovon sprichst du?", fragte Tonks ehrlich verwirrt.
„Nicht so wichtig", wehrte Lupin augenzwinkernd ab.
„Och komm, jetzt will ich's wissen!", bat Tonks beinahe flehend. Lupin lächelte. Es war das erste Mal, dass sie wirklich gegen ihre Rolle verloren und zu ihrer alten Persönlichkeit zurückgefunden hatte. Glücklicherweise war niemand in ihrer Nähe und selbst wenn, kannten sie Rorian nicht gut genug, um beurteilen zu können, ob ihr bei enormer Neugierde auch solche Ausdrücke entwichen. Ja, Tonks und ihre unstillbare Neugierde...

„Du sagtest, es sei nur natürlich, bei so etwas aufgeregt zu sein", erklärte Lupin, „doch was James und ... der liebe Tatze da gemacht hätten, wäre wohl, dort selbstbewusst hinaufzuschreiten und eine riesige Show abzuliefern. Jedenfalls in jungen Jahren. Du hättest erleben sollen, wie sie reagiert haben, als wir der Zentaurenherde in Hogwarts begegnet sind! Mir war damals echt Angst und Bange, doch diese beiden..."
Lupin beendete seine Erzählung mit einem grinsenden Kopfschütteln. Natürlich wurde ihm bei solchen Geschichten immer besonders bewusst, wie sehr ihm James fehlte, doch über die Jahre hinweg hatte er gemerkt, dass James sicher nicht gewollt hätte, dass es ihn so traurig stimmte, wenn er an ihn dachte, weshalb er sich mehr und mehr bemüht hatte, sich fröhlich an ihn zu erinnern und mittlerweile war er ziemlich gut darin geworden. Doch der Schmerz würde nie ganz vergehen.

„Was haben sie gemacht?", erkundigte sich Tonks mit einem Funkeln in den Augen.
„Sie sind auf ihren Rücken gesprungen und haben versucht, Cowboys zu spielen".
„Sie haben – ernsthaft?", lachte Tonks. „Ähm – wie haben die Zentauren reagiert?"
„Nun, ich denke, wir können froh sein, dass sie Fohlen nichts antun", antwortete Lupin, halb ernst, halb belustigt. „ – Es scheint sich etwas zu tun. Dort kommen Soran und Fidian auf uns zu."
„Tatsächlich", bestätigte Tonks etwas nervös, doch sofort wieder in ihrer Rolle und schritt neben Lupin zu den Leitern der Herde.
„Wir haben uns beratschlagt", erklärte Fidian mit seiner üblichen bedrohlichen Stimme, „die Verkündung des Ergebnisses wird sogleich vonstattengehen. Ich werde Sie bei Gelegenheit nach oben rufen, Mr. Lupin, also halten Sie sich bereit."

~
„Werte Brüder und Schwestern!", eröffnete Soran seine Rede, „wir haben lange überlegt, wie wir mit dieser Situation verfahren sollen! Wir sind zu der Ansicht gelangt, dass es jedem individuell freigestellt sein soll, ob er kooperieren möchte oder nicht – deshalb möchten wir euch hier lediglich unsere Meinung mitteilen! Ihr könnt unsere Argumente in euer Urteil einfließen lassen, wenn es euch beliebt!

Es ist ein großes Wagnis zu behaupten, Er, dessen Name nicht genannt werden darf, sei zurückgekehrt. Mr. Lupin erschien uns bislang vertrauenswürdig, die Argumente wirkten nicht unschlüssig, doch so einer bedeutsamen Nachricht können wir nicht einfach so Glauben schenken.
Wir werden uns noch viel länger überlegen müssen, ob nicht doch andere mögliche Erklärungen existieren, wir werden recherchieren, ob irgendwelche Missverständnisse möglich gewesen wären.
Doch ist es nicht nur Mr. Lupin, sondern auch Rorian, durch die wir dies erfahren haben und so wird die Wahrscheinlichkeit der Wahrheit dieser Behauptung noch einmal höher. Bedauernswerterweise kennen wir Rorian jedoch noch nicht lange und Vertrauen ist etwas, das man sich verdienen muss. Rorian war zweifelsfrei auf dem besten Weg dorthin, doch natürlich kann ich ihr noch nicht so vertrauen wie euch, meiner Familie, denn für vollständiges Vertrauen war die Zeit schlichtweg zu knapp bemessen. Die Schuld dafür liegt selbstverständlich nicht bei Rorian.
Doch auch, wenn es jemand von euch gewesen wäre, der diese Behauptung aufgestellt hätte, so bedeutet Vertrauen nicht automatisch auch, dass eure Urteilsfähigkeit einwandfrei ist. Raum für Missverständnisse ist überall vorhanden.
Es bestünde die Möglichkeit, dass diejenigen, die Rorians Herde diese furchtbaren Dinge angetan haben, aus irgendeinem Grund nur behaupten, sie hätten im Namen des Unnennbaren gehandelt. Es könnte eine andere Vereinigung sein, die dahinter steckt, die viel Wissen besitzt, doch nicht so mächtig ist und andere Ziele verfolgt. Mr. Potter könnte unter dem Einfluss eines Verwechslungszaubers gestanden haben. Besonders ich tendiere dazu, ein großes Missverständnis in Betracht zu ziehen."

„Ich hingegen", führte Fidian mit seiner bedrohlichen Stimme fort, „neige dazu, tatsächlich zu glauben, dass – Voldemort zurückgekehrt ist".
Es schien, als bräche eine Welle des Zuckens über die Zentauren herein, weil sie offenbar überhaupt nicht erwartet hatte, dass Fidian nun den Namen aussprach. Jedoch schien sein Stolz groß genug, um die Angst zu verdrängen, um sich den Menschen bloß nicht geschlagen geben zu müssen.
„Nicht zuletzt bin ich zu dieser Erkenntnis gelangt, weil Mars, der Schlachtenbringer, jede Nacht hell über uns leuchtet. Er verheißt, dass der Kampf wieder ausbrechen wird und wir alle kennen diese Zeichen.
Dennoch bedeutet das nicht, dass ich kooperieren werde. Die Gefahr stellt ein dunkler Magier dar, ein Zauberer, der von Zauberern ausgebildet wurde. Die Menschen waren also jene, die dieses Problem geschaffen haben und somit sehe ich es als ihre Pflicht an, es auch wieder zu beseitigen.
Der Mars fordert nicht uns auf, in den Kampf zu ziehen, sondern die Gemeinschaft der Zauberer. Nur können sie die Zeichen nicht erkennen und sind auf anderem Wege zu dieser Erkenntnis gelangt.
Jedenfalls kann ich es nicht gutheißen, wenn ihr, Brüder und Schwestern, eure Leben geben müsstet, weil einige Zauberer Fehler begangen haben.
Doch ihr dürft eigenständig entscheiden und ich werde dafür Sorge tragen, dass niemand hier eine andere Behandlung erfahren wird, nur, weil er sich für oder gegen eine Kooperation entschieden hat.
Jenen, die sich dafür entscheiden, sei jedoch eines gesagt" – Fidians Stimme klang mit einem Mal noch unheimlicher und Lupin konnte sehen, dass selbst vielen Zentauren sehr unbehaglich zumute wurde – „...bringt ihr Schande über unseresgleichen, so werdet ihr dafür die Konsequenzen tragen."
„Also nun, Brüder und Schwestern, so bitte ich euch, dies gut zu überdenken!", bat Soran. „Ich bin sicher, dass Mr. Lupin geradezu erpicht ist, zu erfahren, wie ihr euch entscheiden werdet. Und wenn Sie gestatten, Mr. Lupin, würde ich es begrüßen, wenn Sie nun noch zu mir hoch kämen."

Mit klopfendem Herzen stieg Lupin erneut den Felsen empor. Das war in der Tat nicht die Rede gewesen, die er sich erhofft hatte. Nach wie vor schienen die Zweifel bezüglich Voldemorts Rückkehr zu bestehen und dazu kam, dass Fidian es nicht nur nicht gut hieß, wenn seine Herde für die Menschen stürbe, was Lupin sogar in gewisser Weise nachvollziehen konnte – viel schlimmer war seine angsteinflößende Art, mit der er die Drohung ausgesprochen hatte.
Er konnte nur hoffen, dass seine eigene Rede überzeugend genug gewesen war, um zumindest einige wenige Zentauren zur Kooperation zu überzeugen.

Und nun? Was würde nun von ihm verlangt? Auf diesen Teil hatte er sich nicht vorbereiten können.

„Mr. Lupin. Ich denke, dass ich im Namen aller spreche, wenn ich mich für die Information bedanke, die Sie uns haben zukommen lassen", ließ Soran vernehmen, „und auch, wenn ich dies nicht sicher zu glauben bereit bin, so ist es doch der Wille, der von Bedeutung ist und dafür möchte ich Ihnen danken."
Soran verneigte seinen Kopf leicht vor Lupin und auch Fidian machte Anzeichen einer kleinen Verbeugung, obgleich seine Augen Lupin ob dieser Erniedrigung wütend zu fixieren schienen.
„Es freut mich", fuhr Soran fort, „dass es mir noch vergönnt war, einem so toleranten Menschen wie Ihnen zu begegnen und ich hoffe, dass Ihnen das gestattete Vorsprechen und dieser Umgang als Beweis dafür dient, dass auch wir in der Lage sind, die Menschen einzeln zu beurteilen.
Auch möchten wir Ihnen erlauben, bei der Verabschiedung von Rorian noch unser Gast zu sein, wenn Sie dies wünschen. Und sollte es wirklich zu einem Kampf kommen, so denke ich, dass ich im Namen aller spreche, wenn ich Ihnen für dieses Unterfangen viel Glück wünsche."

„Herzlichen Dank", entgegnete Lupin und war froh, dass seine Stimme noch nicht versagte. Nicht nur, weil er heiser war, sondern auch, weil er sich durch all die Aufregung fühlte, als bräuchte er unbedingt Ruhe und nun erfahren hatte, dass er und Tonks noch bis zu Rorians Verabschiedung, die vermutlich erst abends stattfinden würde, bleiben müsste.
Dazu kam noch, dass er nun vorgeben müsste, dass er sich freuen würde. Immerhin würde er einige Zentauren vielleicht noch positiv beeinflussen können, doch immer bestand die Gefahr, dass alles aufflog.

„Ich weiß das wirklich zu schätzen", log er, „und noch einmal kann ich nur inständig Ihre Kooperation erbitten. Alleine sind wir schwach - wir benötigen Ihre Hilfe wirklich. Ich kann kaum ausdrücken, wie sehr es mich freuen würde, möglichst viele auf unserer Seite zu wissen.
Für alle anderen hoffe ich sehr, dass Voldemort Sie in Ruhe lassen wird. Sollte er jedoch sogar versuchen, Sie als Unterstützung für sich zu gewinnen, so bin ich überzeugt, dass Sie, auch wenn er andere glauben machen kann, sie würde profitieren, durch Ihren grandiosen Verstand die Manipulationen durchschauen können werden.
Damit Sie noch mehr Zeit für die Entscheidung haben, würde ich in einer Woche noch einmal vorbeikommen, wenn es genehm ist. Da Sie so intelligent sind, muss ich Ihnen nicht sagen, dass Sie die Entscheidung für sich treffen sollten, ohne sich an denen anderer zu orientieren."

Innerlich musste Lupin ein wenig grinsen.
‚Danke Tatze', dachte er, ‚deinetwegen kam ich gerade darauf, eine Praeteritio zu nutzen, durch die es mir möglich war, die Zentauren gleichzeitig zu loben und ihnen dennoch klar zu machen, dass sie sich nicht durch andere beeinflussen lassen sollen, um den Einfluss der Rede von Fidian und Soran zu verringern. Allem Anschein nach war unser Gespräch über die Stilmittel neulich wirklich keinesfalls vergeudete Zeit.'

~
Es schien viel zu lange zu dauern, ehe der Abend eingetreten war. Und wie sich herausstellte, würde die Verabschiedung unter Sternenhimmel – und damit nicht abends, sondern nachts stattfinden.

Rorian bedankte sich unzählige Male für diese große Ehre und da einige die letzten Stunden mit ihr verbringen wollten, traf es sich öfter, dass Lupin allein ein Gespräch mit fremden Zentauren anfangen musste.
Er versuchte es als Chance zu betrachten, doch war sein Gehirn an diesem Tag einfach überladen und er wünschte sich nur sehnlichst, dass die Nacht endlich hereinbräche.

Immerhin war es Lupin gelungen, sich kurz zu entschuldigen, um dem Orden eine kurze Nachricht mitzuteilen, damit sie sich keine Sorgen mehr machen mussten.

Und dann, endlich, gingen die ersten Sterne auf. Tonks stand oben auf dem Felsen, der einen besonders schönen Ausblick auf den klaren Himmel mit den funkelnden Lichtern bot. Soran stand zu ihrer rechten und hielt erst einmal eine Rede, die einen Glauben machen lassen könne, Rorian sei seit Anbeginn der Zeit ein Mitglied der Herde gewesen, obwohl er bei der Versammlung selbst klargestellt hatte, dass er ihr nicht einmal vollkommen vertraute.

„Wir werden dich schmerzlichst vermissen, liebe Rorian. Ich hoffe, dass du deinen Weg erfolgreich beschreiten kannst und er dir zu Glück und Freude verhilft. Auf dass du dies unbeschadet überstehen mögest. Mögen die Sterne dich leiten."
„Mögen die Sterne dich leiten", wiederholten die anderen Zentauren wie aus einem Munde und blickten gen Himmel, aus dem heraus die Sterne funkelten.

Kurz darauf war die öffentliche Verabschiedung vorbei und es folgten noch einige private Abschiede, ehe Tonks das Gehen endlich verantworten konnte.

„Also – ähm, wie sagt ihr noch gleich?", erkundigte sich Lupin, als auch er sich zum Schein von Rorian verabschiedete, „'mögen die Sterne mit dir sein?'".
„Fast", erwiderte Eren grinsend, „'mögen die Sterne dich leiten.' Wissen Sie, Sie wirken, als wären Sie innerlich ein halber, wenn auch etwas verwirrter Zentaur. Also, viel Glück, Mr. Lupin. Mögen die Sterne auch Sie leiten."

Mit einem Nicken und einem wiederholten Dank für die Gastfreundschaft machte Lupin kehrt und lief von dannen, ehe er fort apparierte.

Tonks lief einige Zeit später Richtung Aviemore davon und erst, als sie sich sicher war, dass ihr niemand folgte und sie weit genug entfernt war, nahm sie nach langer Zeit wieder ihre Menschengestalt an.
Es schien ihr unendlich ungewohnt, wieder auf zwei Beinen zu stehen. Es fühlte sich seltsam an, als würde etwas fehlen. Vorsichtig tapsend ging sie ein paar Schritte, um nach beinahigem Umfallen letztlich doch erleichtert feststellen zu können, dass sie das Laufen nicht verlernt hatte.

Schließlich traute sie sich die für das Apparieren notwendige Drehung zu und erschien am Hauptquartier, in dem Wissen, dass ihr Teil der Mission beendet war. Sie hatte es geschafft.

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Frage an EUCH: Welchen Zentaur findet ihr OBJEKTIV am besten gelungen, also NICHT unbedingt am sympathischsten, aber am faszinierendsten oder außergewöhnlichsten von Charakter (und ggf. auch Aussehen?)
Zur Auswahl stehen: Fidian, Soran, Aron, Eren, Malodiam und Adias - ich hoffe, ich hab niemanden vergessen xD


Hat btw eigentlich jemand die Star-Wars-Anspielung verstanden? :D

Weil du mich zum Menschen machstWo Geschichten leben. Entdecke jetzt