Stimmen in unendlicher Ferne. Ein weißer Schleier. Blendendes Licht. Wiederkehrende Erinnerungen an den Fremden und das Duell. Wenn sie lebte, dann hatte der Fremde sie wohl entführt. Mit einem Mal saß Tonks aufrecht da; ihre Hand schnellte an die Stelle des Umhangs, an der ihr Zauberstab normalerweise war, doch da war nichts. Keine Tasche, kein Stab.
Das Bild klarte auf. Sie starrte auf eine weiße Wand, an der ein Gemälde gerade zurückgeschreckt war.
„Oh, Gott sei Dank! Gott sei Dank!"
Jemand zog sie in eine Umarmung. Ein vertrauter Geruch. Remus.
„Remus, was...?" Ihr Blick fiel auf den Mann, der hinter ihm stand und sie musterte. Einen dunkelhäutigen Mann mit Dreadlocks.
„SIE!", rief Tonks panisch, überzeugt, dass Dawlish sie doch gerettet hatte und ihr Angreifer sein Werk nun vollenden würde, „REMUS, VORSICHT!"
„Beruhige dich, Tonks, beruhige dich!"
„Ein wenig hysterisch, Ihre Verlobte, oder?", fragte der Unbekannte und wandte sich Tonks zu. „Mein Name ist Clay Sanders und ich habe Ihnen und Ihrem Kollegen das Leben gerettet, schätze ich." Tonks starrte ihn entgeistert an und beobachtete, wie Remus ihr gütig zulächelte.
„Oh, Sie sind mein Held, ich bin Ihnen zu nie endendem Dank verpflichtet!", fuhr Clay fort, indem er eine weibliche Stimme imitierte, ehe er mit seiner gewohnt tiefen fortfuhr: „Für dich doch alle Zeit, meine Liebe."
„Äääh – aber –"
„Bisschen schwer von Begriff, was?" Tonks sah Remus den Mund öffnen, doch bevor er auch nur die Chance hatte, etwas zu erwidern, hatte Clay schon weitergesprochen. „Kurzfassung: Sie sind zusammengebrochen, ihr Kollege kam gerade, also meint' ich so, dass Sie mich angegriffen haben, damit er nix falsch versteht. Er hat Sie aber gesehen und mich sofort attackiert, woraufhin ich kapiert habe, dass Sie zusammengehören. Hab ihn also gefragt, was Sie von mir wollen und ob Sie Todesser sind. Er hat daraufhin erklärt, dass Sie Auroren wären und das ganze Zeug. Dann ist er gegen die nächste Mauer getorkelt und umgekippt. Hab Sie also hierher gebracht und man hat festgestellt, dass Sie vergiftet worden sind. Die Heiler haben Sie da irgendwie rausgehauen."
Die Worte drangen langsam zu Tonks durch, doch als sie ankamen, verfehlten sie ihre Wirkung nicht.
„Vergiftet? Also doch! Ich hatte wirklich kurz den Gedanken, dachte aber, dass ich einfach Fieber kriege oder so. Und John auch? Wie geht's ihm?"
„Dawlish ist seit einiger Zeit wach, aber viel wichtiger – wie geht es dir? Du warst fast vier Stunden bewusstlos!"
„Na großartig", seufzte Tonks, „ich hab 'nen halben Tag verschlafen und fühle mich, als hätte ich eine Nacht durchgemacht. Oder zwei."
Sie ließ sich wieder in die Kissen fallen und atmete tief durch. „Was ist mit dem Besitzer von diesem zwielichtigen Laden? Der hat uns doch locker vergiftet, weil er verstanden hat, dass wir seinen Laden zum Überführen von Kriminellen verwenden, oder?"
„Hat er", seufzte Remus. „Robards ist persönlich hin, nachdem er das mit euch erfahren hat. Er hat sofort eine Hausdurchsuchung angeordnet und tatsächlich hat man ein Geheimfach mit Ausdehnungszauber in der Bar gefunden. Darin waren nicht nur das Gift, sondern auch jede Menge Drogen. Der Kerl sitzt jetzt in Askaban und wartet auf seinen Prozess, aber mit den Todessern hat er nichts zu tun, wie es aktuell aussieht. Glücklicherweise war er nicht sonderlich intelligent. Dachte wohl, dass er davonkommt, weil ihr, wenn ihr appariert, weit genug weg seid, dass ihn niemand damit in Verbindung bringt. Nur hat er nicht bedacht, dass ihr bei einer Verfolgung wohl schlecht apparieren könnt, weil man das nicht zurückverfolgen kann und demnach noch in der Nähe sein könntet oder eben zurückgekommen wärt. Ich hoffe für ihn, dass er euch, wärt ihr nicht gegangen, kurz darauf aus dem Laden gebeten hätte – er hat wohl extra das am langsamsten wirkende Gift genommen, das er da hatte, aber nach zwanzig bis dreißig Minuten wirkt es trotzdem."
Tonks stöhnte leise auf. „Das letzte Stück Kuchen. Er war sich erst kurz davor sicher, dass wir Auroren sind, obwohl wir ziemlich oft da waren, oder? Dawlish hat von seinem letzten Kuchen kaum was angerührt, aber ich musste meinen ja noch unbedingt essen."
„Exakt der Grund, aus dem es dich viel schwerer erwischt hat", beendete Remus den Satz. „Glaub mir, wenn ich könnte, ich hätte diesen Giftmischer...!"
„Ich geh mal 'nen Heiler rufen, ihr wollt ja eh eure Zweisamkeit", meldete sich Clay zu Wort. „Allerdings würde ich immer noch echt gern wissen, woher ich Sie kenne", fügte er an Lupin gewandt hinzu. „Ich hab eigentlich ein Spitzengedächtnis, aber es fällt mir gerade nicht ein." Stirnrunzelnd verließ er den Raum
„Komischer Typ", murmelte Tonks und gähnte ausgiebig.
„Aber er hat dir das Leben gerettet", entgegnete Remus milde, „dafür werde ich ihm ewig dankbar sein. Außerdem hat er sich wirklich Sorgen gemacht – er war vorhin schon da, bis nach dem Bezoar klar wurde, dass du durchkommst und ist vor einer Viertelstunde nochmal gekommen, um sich nach dir zu erkundigen."
„Hmmmm", machte Tonks nachdenklich. „Dann muss ich mich wohl noch bedanken. Scheint auch kein schlechter Mensch zu sein."
„Sympathisch finde ich ihn aber auch nicht", stimmte Remus zu.
„Obwohl er diese gewisse Ausstrahlung hat."
„Mag sein."
Die Tür öffnete sich leise und ein Heiler betrat den Raum, dicht gefolgt von Clay.
„Wieso waren Sie eigentlich in dem Laden, Mr. – äh, Mr. Clay?", wollte Tonks wissen, während der Heiler sie untersuchte. „Ist ja nicht unbedingt der einladendste."
„Nostalgie", antwortete Clay. „Ich war da früher mal wegen einer Mutprobe und musste dort ein Mädchen ansprechen. Habe eins gefunden, das dort mit seiner Familie war, weil es musste – sie ist jetzt meine Freundin, aber gerade auf Reisen, weshalb ich – wieso erzähle ich das eigentlich? Ihnen geht's gut? Ich gehe dann. Also schönen Tag noch."
Clay wandte sich ab und lief zum Ausgang. „Ähm – Mr. – äh, Clay! Danke, dass Sie mich hierher gebracht haben."
Mit einem charmanten Grinsen auf den Lippen drehte Clay sich um und reckte den Daumen in die Höhe. „Klar doch, kein Ding!" Er wandte sich Remus zu, winkte – und erstarrte. „Werwolf."
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Weil du mich zum Menschen machst
Hayran KurguRemus Lupin X Nymphadora Tonks. Als Remus Lupin im Kindesalter mit Lykanthropie infiziert wurde, änderte sich sein Leben schlagartig: Er musste sich fortan damit abfinden, sein Leben als Monster, als Ausgestoßener der Gesellschaft zu fristen. Nie...