Der 18. Juni brach an und noch immer hatte Tonks es nicht fertig gebracht, auf Remus zuzugehen. Zu verlockend schien ihr die Möglichkeit, dass er die Initiative ergreifen könnte, obwohl sie sich ziemlich sicher war, dass er das nicht tun würde. Doch war es einfacher, die Schuld abzuschieben. Und dann kam alles ganz anders.
Ein silbriger Hund tauchte urplötzlich inmitten ihres Wohnzimmers auf und verkündete mit Sirius' Stimme, die aufgeregter klang, als Tonks sie je gehört hatte: „Harry und einige andere sind gerade dabei, in eine Falle zu laufen! Treffen sofort im Hauptquartier!"
Für einige Sekunden war Tonks starr vor Schreck, dann hastete sie durch die Tür nach draußen und apparierte zum Grimmauldplatz. Als sie die eintrat, brüllten ihr sofort Mrs. Black und zig andere Gemälde entgegen, doch keiner machte sich die Mühe, sie zum Schweigen zu bringen. Tonks eilte zur Küche, aus der laute Stimmen ertönten, sie schritt hastig durch die halb geöffnete Tür...
„– bleibst gefälligst hier!" – „Ich denke nicht dran! Glaubst du, ich sehe untätig dabei zu, wie mein Patensohn um sein Leben kämpft?!" – „Wo bleibt denn eigentlich Remus?" – „Ich bin hier!" – „...und Minerva kommen so schnell nicht aus Hogwarts weg, wir gehen vor!" – „Was ist eigentlich passiert? Wo ist Dumbledore?!", wollte nun Tonks wissen, um sich bemerkbar zu machen.
„Nicht jetzt, Nymphadora!", donnerte Moody. „Wo steckt Kingsley denn schon wieder, verdammt!" – „Wollte gleich da sein-" – „Er hat sich gefälligst zu beeilen! Molly und Arthur?" – „Konnten wir gerade nicht erreichen!" – „Hestia, Dädalus, seht zu, dass der restliche Orden informiert wird! Albus allen voran! Hat sich wegen seiner Flucht abgesichert, ein Patronus kommt nicht durch, ihr müsst direkt zu ihm!"
Die beiden hasteten mit wehenden Umhängen aus dem Raum, ohne Tonks auch nur eines Blickes zu würdigen.
Die angespannten Gespräche durchzogen den Raum, doch konnte die junge Aurorin sich nur schwer einen Reim darauf machen, was genau vorgefallen war.
„Was ist überhaupt los!?", rief Tonks laut, und diesmal erlangte sie Aufmerksamkeit.
„Severus hat uns eine Nachricht geschickt; allem Anschein nach glaubt Harry, Voldemort hielte Sirius in der Mysteriums-Abteilung gefangen", erklärte Remus heiser.
Obwohl der Vollmond noch in weiter Ferne stand, war er leichenblass im Gesicht. „Sie waren in Umbridges Büro und Severus hat vorhin hier nachgefragt, ob Sirius anwesend sei, aber nichts weiter gesagt, weil er dachte, dass Harry und die anderen ohnehin nichts unternehmen könnten-"
„Ja, so viel dazu!", unterbrach Sirius ihn aufgebracht, „sie sind kaum fünfzehn Minuten später mit Thestralen losgeflogen und dieser elende Verräter hat sie nicht aufgehalten!"
„Er hat es versucht, aber jedenfalls sind sie gerade dabei, in eine Falle zu laufen!"
„Wenn es nicht schon zu spät ist!", rief Sirius erbost, „er hat viel zu lange gewartet, bevor er uns wirklich richtig informiert hat! Meinte, er hätte davor nicht reden können, dieser schleimige –"
„Wie kamen sie denn darauf, dass Sirius gefangen gehalten werden könnte?", fragte Tonks geschockt und überrascht gleichermaßen. Ungeduldig schaute sie zwischen den beiden hin und her und bemerkte, wie sie sich Blicke zuwarfen, doch da betrat Kingsley den Raum und durchbrach die hitzige Stimmung für einen Augenblick mit seiner tiefen, beruhigenden Stimme: „Ich bin soweit."
„Gut", knurrte Moody. „Sind das alle, die wir auftreiben konnten? Bill ist nicht da?! Dann muss das reichen. Elphias, bleib hier, falls noch Nachrichten kommen – dann sofort an Hestia und Dädalus weiterleiten, Albus wird ja bei ihnen sein und an uns natürlich auch – und bring die verdammten Gemälde zum Schweigen! Der Rest kommt mit mir!"
„Na endlich!", rief Sirius aus, der zwar nervös, aber auch voller Tatendrang und hinsichtlich des kommenden Kampfes fast erfreut zu sein schien.
Tonks' Blick blieb einen Moment am aschfahlen Remus hängen, ehe sie ihm nach durch die Türen zu den steinernen Stufen vor dem Grimmauldplatz hastete, hinaus in die einbrechende Nacht.
„Gut, los! Zu den Haupteingängen des Ministeriums! Wer nicht weiß, wo's langgeht, hält sich an jemanden, der's weiß!"~
„Wieso genau – ist Dumbledore jetzt nicht da?", keuchte Tonks, während der Fahrstuhl in Richtung der Mysteriumsabteilung mit lautem Klappern hinabsank.
„Er hat sämtliche Maßnahmen eingeleitet, die den Ministeriumsarbeitern eine Verfolgung erschweren", erklärte Kingsley, der ebenfalls ein wenig schwer atmete, „so hat er um seinen aktuellen Standort zum Beispiel eine Apparier-Sperre errichtet und ist sozusagen unortbar, dass niemand die Eulen verfolgen und ihn so ausfindig machen kann – aber daher funktionieren auch die an ihn gerichteten Patroni nicht."
„Shit!", murmelte Tonks panisch. Remus, der im Aufzug hinter ihr stand, machte kurz Anstalten, ihr die Hand auf die Schulter zu legen, zog sie dann aber doch wieder mit leicht verlegener Miene zurück.
„Hestia und Dädalus sind ja schon los, um ihn zu holen. Es sollte nicht mehr lange dauern, bis auch er hier eintrifft."
„Hm....hoffen wir's."
Sie hasteten aus dem Aufzug heraus, kaum, dass die goldenen Gitter wieder aufgeglitten waren und sprinteten den vertrauten Korridor zur Mysteriumsabteilung entlang. Eilends stürzten sie durch die schlichte, schwarze Tür und fanden sich in einem großen, runden Raum wieder. Böden, Wände und Decke waren von tiefem Schwarz, sie schienen mit den zwölf klinkenlosen Türen fast zu verschmelzen.
Es war stockfinster, als die Tür hinter ihnen zuschlug, nur die Kerzenleuchter an den Wänden spendeten bläuliches Licht, das sich im Marmorboden spiegelte. Die Finsternis schien sie gerade einzuhüllen, als die Wände um sie herum laut polternd in rasender Geschwindigkeit zu rotieren begannen; die bläulichen Kerzenlichter verschmolzen zu einer Neonlinie.
„Augen schließen", beschwor sie Kingsley mit tiefer Stimme und sie gehorchten instinktiv. „Okay."
Sie öffneten die Augen schlagartig und entzündeten wie auf Kommando alle ihre Zauberstäbe. Die Wände waren wieder reglos, doch war unmöglich zu sagen, durch welche Tür sie gekommen waren – und durch welche sie nun gehen mussten.
Unsicher ließ Tonks ihren Blick im Raum zwischen den zwölf Eingängen umherschweifen. „Expecto Patronum!", rief Sirius, doch sein Hund verflüchtigte sich augenblicklich zu silbrigem Dunst. „Was zur...?!"
„Das bringt hier nichts", erklärte Kingsley. „Überlasst das Mad-Eye, er sollte die Räume sehen können, in denen sich Personen aufhalten, und öffnet die Türen bloß nicht, sonst dreht sich alles gleich wieder."
Neben Mad-Eye blickte auch Sirius prüfend die Türen an. In seinem Blick lag Feuer, als brenne er gerade darauf, endlich wieder kämpfen zu können. Wie, um das zu unterstreichen, stoben rote und goldene Funken aus der Spitze seines Zauberstabs.
Tonks konnte ihn verstehen, auch sie sehnte sich diesen Kampf in irgendeiner Hinsicht herbei. Es war ihre Chance, mitverantwortlich für einen großen Schritt in diesem Krieg zu sein, etwas in dieser magischen Welt zu bewegen, die mehr und mehr verkam. Und doch hatte sie Angst.
Nervös blickte sie zu Remus, der mit angespannter Miene und gezücktem Zauberstab Mad-Eye musterte.
Mit einem Mal kam ihr wieder in den Sinn, was sie erst neulich über verstrichene Chancen gelernt hatte.
Und gerade war sie im Begriff, erneut durch diese Lektion zu fallen.
~
Nervös besah Remus Moody, dessen magisches Auge nun die dritte Tür in allen Tiefenebenen abscannte, um mögliche Leute darin zu identifizieren. Er schluckte schwer.
Nicht nur, dass Voldemort sich wohl über die Verbindung zu Harry bewusst geworden war und sie für seine Zwecke missbraucht hatte - gleich würde es zum Kampf kommen.
Er hatte es im Gespür. Gleich würde eine feurige Schlacht entbrennen und es war ungewiss, wie viele Opfer sie zu verzeichnen hätten.
Jede Person, mit der er hier stand und natürlich auch Harry und alle, die ihn begleiteten – jede Sekunde könnte die letzte für sie sein.
Wie groß stand wohl die Wahrscheinlichkeit, dass sie ohne Gefallene wieder von dannen ziehen konnten? Wie hoch würden ihre Verluste sein?
Sein Blick wanderte von Moody zu Kingsley, der kampfbereit zu dessen Seite stand und von ihm weiter zu Sirius. Man konnte ihm regelrecht ansehen, dass er geradezu erpicht auf das Kämpfen war. Lupin konnte nur hoffen, dass er bedachte, dass er aus der Form gekommen war, auch wenn er es ihm vor einigen Minuten schon eingeschärft hatte, denn Selbstüberschätzung war eine von Sirius' größten Schwächen.
Und dann war da noch... Tonks. Er hatte ihr nicht einmal gesagt, was er für sie empfand, wusste noch immer nicht, ob sie sich über seine Gefühle im Klaren war. Nun, da er sich mit der Angst vor dem Tod konfrontiert sah, wollte er es ihr mitteilen, die Worte irgendwie loswerden, hinausschreien, doch wusste er, dass das alles nur verkomplizieren würde. Wenn sie starb, würde es nur noch schwerer für ihn, sich von den Gefühlen loszusagen, da er sie endgültig der Welt preisgegeben hatte. Sollte er sterben, musste Tonks damit leben, ihre verpasste Chance nie genutzt zu haben. Und wenn sie beide überlebten – dann müsste er ihr erklären, dass eine Beziehung dennoch unmöglich war. In jedem Fall würde seine Ehrlichkeit den Schmerz nur vergrößern.
Er drehte seinen Kopf beinahe unwillkürlich in ihre Richtung und beobachtete, wie sie schnellen Schrittes auf ihn zulief. Mehr denn je hatte er das Bedürfnis, sie in seine Arme zu schließen, und sei es nur für einen kurzen Moment und er war kurz davor, dieser Versuchung nachzugeben.
Dann stand Tonks vor ihm, mit violettem Haar, das vor Hast in einige Richtungen abstand, mit leuchtenden, amethystfarbenen Augen, die im dämmrigen Licht der blauen Flammen und Zauberstäbe schimmerten. Für einen Moment konnte er nichts anderes tun, als sich in dieser endlosen See ihrer Augen zu verlieren. Er fühlte sich beinahe geborgen, trotz alledem, was ihn umgab.
Und plötzlich zog sie ihn am Kragen zu sich hinab und küsste ihn. Er erstarrte. Noch nie hatte ihn jemand geküsst. Nie hatte er erwartet, überhaupt jemals geküsst zu werden.
Doch jetzt war das, was er sich verbotenerweise immer wieder aufs Neue ausgemalt hatte, völlig unvermittelt Wirklichkeit geworden.
Er schloss die Augen und spürte, wie all sein Verlangen, all seine Sehnsüchte ihn einnahmen. Ehe er sich versah, hatte er einen Arm um Tonks' Hals geschlungen, während er seine andere Hand in ihrem Haar vergrub und den Kuss heftig erwiderte. Sie verschränkte ihre Finger in seinem Nacken und küsste ihn noch gefühlvoller.
Remus schien es, als sei er von einer wärmenden Flut aus unerschöpflicher, reiner Energie durchtränkt worden, die sich mehr und mehr in seinem Körper ausbreitete und ihn mit Wärme erfüllte wie pures, reines Glück, das ihn durchflutete.
Keuchend lösten sie sich voneinander und hörten Sirius aus weiter Ferne „Na geht doch!" jubeln.
Remus jedoch kam langsam wieder zur Vernunft. Er hatte genau das getan, was er hatte vermeiden wollen. Er hatte ihnen alles erschwert. Doch noch immer loderte das Feuer in seinem Inneren, brannte, bereit für den bevorstehenden Kampf.
Hin- und hergerissen hinsichtlich dessen, ob er nun richtig oder falsch gehandelt hatte, blickte er zu Tonks. In ihren Augen lag ein glückliches Funkeln und ihre Mundwinkel umspielte ein zaghaftes Lächeln.
„Tonks... ich...", brachte Lupin mühevoll hervor, doch sie musterte ihn mit strengem Blick. „Sag jetzt bloß nichts, Remus!", mahnte sie. „Bitte. Mach es nicht kaputt", setzte sie fast flehentlich hinzu. Er bedachte sie mit einem zärtlichen Blick. Ohnehin außerstande, etwas zu sagen, schloss er die Augen, spürte seine noch immer kribbelnden Lippen, die Hitze in seinem Inneren und atmete tief ein.
Nun war er bereit. Der Kampf konnte kommen.
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Frage an EUCH: Was für ein Genre mögt ihr bei Fanfictions am liebsten?[nur FFs, nicht allgemein ;)]
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Weil du mich zum Menschen machst
FanfictionRemus Lupin X Nymphadora Tonks. Als Remus Lupin im Kindesalter mit Lykanthropie infiziert wurde, änderte sich sein Leben schlagartig: Er musste sich fortan damit abfinden, sein Leben als Monster, als Ausgestoßener der Gesellschaft zu fristen. Nie...