Lupin seufzte. Es war bereits über eine Woche vergangen, seit Tonks zu den Zentauren aufgebrochen war und noch immer hatte sie sich nicht gemeldet.
Eigentlich war dies ein gutes Zeichen, da vereinbart worden war, dass sie, um nicht aufzufallen, keinen Patronus oder andere Mittel zur Kommunikation verwenden würde.
Dennoch wusste er nicht, wie genau die Mission verlief und seit Tagen fiel es ihm weitaus schwerer als erwartet, seinen gewöhnlichen Alltag zu bestreiten.
Aber morgen früh würde er endlich aufbrechen, um seinen Teil der Mission zu erfüllen. Wenn er allerdings nicht bald ein wenig Schlaf fand, damit er am nächsten Tag zu vollster Konzentration fähig sein würde, dann würde womöglich der ganze Plan scheitern, sollte er bisher geglückt sein.
Gedanklich ging er noch einmal die Worte durch, die er sich für den morgigen Tag zurechtgelegt hatte...~
Lupin war noch immer unbehaglich zumute, als er in die auf dem Foto abgebildeten Wälder apparierte.
Er spürte die kühle Luft, die ihn umgab und roch die Frische des Waldes. Zwischen den Wipfeln einiger Bäume brachen vereinzelte Sonnenstrahlen hindurch und tauchten den Wald in seichtes Licht.
Lupin atmete langsam, während er immer weiter voranschritt, doch sein Herz pochte unaufhörlich in seiner Brust.
Wie war es Tonks wohl ergangen?
War sie wohlauf?
War sie überhaupt noch am Leben?
Waren die Zentauren in der Nähe?
Würde er sogleich in eine Falle laufen?
Würden sie ihn gleich angreifen?
Sämtliche Instinkte in ihm schrien förmlich danach, den Zauberstab zu ziehen, doch Lupin verdrängte sie.
Keinesfalls durfte er den Eindruck eines Angreifers erwecken.
Er schritt immer weiter voran, ohne sich umzusehen.
Das Laub unter seinen Füßen knisterte mit jedem Schritt bedrohlich.
Es war ihm, als würde sein Herz mit jeder weiteren verstrichenen Sekunde schneller schlagen.
Plötzlich vernahm er ein Rascheln in einiger Entfernung neben sich.
Mit aller Kraft unterdrückte er den Impuls, sich blitzartig in die Richtung zu drehen, aus der er das Geräusch vernommen hatte.
Stattdessen konzentrierte er sich vollends auf sein Gehör. Ja, zweifelsfrei. Dort war etwas. Und der Lautstärke der Geräusche nach war dieses Etwas ziemlich groß – und nicht allein.
Möglicherweise hatte er die Zentauren bereits gefunden.
Langsam erhob Lupin die Hände, um seine friedlichen Absichten zu veranschaulichen, obgleich er im Falle eines Angriffs jeder Zeit bereit war, seinen Zauberstab zu ziehen, um sich zu verteidigen.
Sollte er wirklich den Zentauren gegenüberstehen, dann waren die nächsten Sekunden entscheidend für das Gelingen der Mission – zwar wäre sie nicht sofort geglückt, wenn er mit ihnen friedlich ins Gespräch kommen könnte; jedoch wäre sie höchstwahrscheinlich gescheitert, sollte es auf einen Angriff hinauslaufen.
Es galt nun, zurückhaltend und ruhig, um nicht wie ein Angreifer zu wirken, aber dennoch bestimmt aufzutreten. Gleichermaßen musste er noch dafür sorgen, dass er die Wissbegierde der Zentauren weckte, wobei er aber höflich und zuvorkommend, fast demütig, aber dennoch selbstsicher wirken musste.
Lupins Konzentration war auf ein Höchstmaß ausgedehnt und noch immer hämmerte sein Herz wie wild. Er nahm noch einen beruhigenden Atemzug, bevor er zu sprechen begann.
„Verzeihung!", rief er laut, seine Hände noch immer erhoben, während er sich langsam in die Richtung der Geräuschquelle wandte. „Ich würde sehr gerne etwas äußerst Wichtiges mit Ihnen besprechen, werte Zentauri, und wäre ausgesprochen dankbar, wenn Sie mir ein paar Minuten Ihrer Zeit entbehren könnten!"
Einige Sekunden herrschte Stille. Jede Faser im Körper des Braunhaarigen schien zum Zerreißen angespannt. Noch immer wusste er nicht, ob er wirklich Zentauren gegenüberstand.
Was, wenn er einer noch viel größeren Gefahr in die Augen blickte – gegenwärtig würde es einen Moment dauern, bis er überhaupt wieder bewaffnet war – wäre der Angriff bis zu diesem Zeitpunkt schon erfolgt? Und falls es sich doch um Zentauren handeln sollte, so war es nicht unwahrscheinlich, dass sie gerade mit Pfeil und Bogen auf ihn zielten...
Es raschelte erneut und es kostete Lupin all seine Selbstüberwindung, seine Hände still in der Luft zu halten und regungslos, aber wachsam ins Leere zu starren.
„Was suchst du hier, Mensch?", fragte eine tiefe, ruhige Stimme, doch das Bedrohliche, das in ihr mitschwang, war nicht zu überhören.
Lupins Herzschlag schien für einen Moment auszusetzen. Er hatte die Zentauren also wirklich gefunden.
Noch einmal atmete er die kühle Waldluft ein, um sich zu beruhigen.
Er hatte zuvor bereits zu verstehen gegeben, was sein Anliegen war. Dass er jetzt erneut danach gefragt wurde, war kein gutes Zeichen. Und dann die unhöfliche Anrede und dieses Bedrohliche... Jedes Wort könnte nun sein letztes sein. Jede Bewegung könnte dazu führen, dass ein Pfeil auf ihn zuschießen würde, und auch, wenn er stablose Magie beherrschte, so war er nicht sicher, ob sie stark genug war, um einen Pfeil, der mit rasender Geschwindigkeit auf ihn zukam, abwehren zu können – sofern er überhaupt in der Lage war, rechtzeitig zu reagieren...
„Ich ersuche ein Gespräch mit Ihnen", erklärte er entschlossen, aber ebenfalls sehr ruhig, während er seine Nervosität gekonnt verbarg.
Für einige weitere Sekunden herrschte Stille.
„Das sagtest du bereits", verkündete eine weitere männliche Stimme, die zwar höher, dennoch aber umso bedrohlicher war.
Sie durchzuckte jede Nervenfaser des Werwolfs und verursachte ihm eine Gänsehaut.
Der Zentaur trat mit einem gespenstischen Rascheln hinter einem Busch hervor. Die Haltung seines hellbraunen Körpers war angespannt, seine langen, ebenso braunen Haare wurden von einem seichten Windstoß nach hinten geweht und er blickte Lupin mit kalten, berechnenden Augen aus seinem anmutigen Gesicht heraus an, während die Pfeilspitze des Bogens unaufhörlich auf den Werwolf gerichtet war...
Sein Blick schien noch intensiver zu werden, als er abermals die Stimme erhob: „Uns verlangt es zu wissen, was genau dein Anliegen ist."
Lupin wurde abwechselnd heiß und kalt. Natürlich wusste er, dass Zentauren keinesfalls zu unterschätzen waren, aber als er in seiner Schulzeit der Herde im Verbotenen Wald begegnet war, war sie ihm weitaus weniger bedrohlich erschienen.
Ob es an seinem jugendlichen Leichtsinn gelegen hatte? Daran, dass James, Peter und Sirius bei ihm gewesen waren? Daran, dass Zentauren „Fohlen", wie sie junge Menschen nannten, für gewöhnlich nichts antaten? Oder war die Herde im Verbotenen Wald einfach minder gefährlich?
Sicher war allerdings, dass Tonks sich bemüht hatte, neun Tage mit diesen Wesen zusammenzuleben und seine Sorge um sie wuchs abermals...
Er spürte, wie ein Schweißtropfen seinen Nacken hinabrann.
Konnte er es wagen, sie darum zu bitten, direkt vor der gesamten Herde vorsprechen zu dürfen? Zwar hätte er womöglich mehr Einfluss, wenn er zunächst versuchte, einzelne Zentauren zu bekehren – jedoch, wenn sie ihn abwiesen und er sich der Herde dennoch nähern würde, so würde er fortan als Feind betrachtet und jegliche Möglichkeit auf eine gepflogene Konversation wäre verwirkt.
Ein Blick in die unergründlichen Augen des Zentaurs genügte. Er musste sein Anliegen jetzt offenbaren und hoffen, dass sie ihn anschließend zur Herde durchlassen würden.
Allerhöchstens könnte er es wagen, den Mittelweg zu versuchen, und ein wenig preiszugeben, ehe er sie um den Gefallen bat.
Es war nun undenkbar wichtig, die Zentauren nicht zu verärgern, in höflicher und bestimmter Weise musste auch vermittelt werden, dass nicht sie alleine dieses Gespräch zu leiten hatten, während Lupin sich selbst als intellektuellen, seriösen Menschen präsentieren musste.
„Wie Sie wünschen. Vorab möchte ich noch verdeutlichen, dass mein Interesse keinesfalls darin besteht, dass Sie sich in die Knechtschaft der Menschen begeben, nur, um Missverständnissen vorzubeugen. Ich bin ein Kämpfer des Widerstandes und wollte Sie darüber in Kenntnis setzen, dass wir aus sicherer Quelle die Information haben, dass Er, dessen Namen nicht genannt werden darf, zurückgekehrt ist, obgleich das Ministerium darum bemüht ist, dies zu vertuschen."
Bewusst hatte Lupin Voldemorts Namen vermieden, da dieser die Zentauren höchstwahrscheinlich in eine äußerst unwillkommene Alarmbereitschaft versetzt hätte.
Nun trat auch der andere Zentaur aus dem Schatten hervor. Er hatte schwarzes Fell, ein kantiges, von Furchen geprägtes Gesicht, verhältnismäßig kurze, wirre schwarze Haare und stechend grüne Augen.
Genau wie sein Artgenosse hatte er einen Pfeil in seinem Bogen eingespannt und richtete ihn drohend auf Lupin. Obwohl er vom Aussehen her unheimlicher war, so schien er dennoch bei Weitem nicht so furchteinflößend wie sein Gefährte.
„Darüber sind wir bereits informiert worden", antwortete er mit derselben, tiefen Stimme, die er zuvor an den Tag gelegt hatte, obgleich sie zu Lupins Erleichterung nun weitaus weniger bedrohlich klang.
Was ihn aber noch viel mehr erleichterte, waren seine Worte. Sie waren darüber bereits informiert worden – und es schien, als würden sie der Quelle vertrauen. All das sprach dafür, dass Tonks noch nicht aufgeflogen war und es ihr gelungen war, das Vertrauen der Zentauren zu gewinnen.
Er fühlte sich, als könne er ein wenig freier atmen. Nicht nur Tonks schien es gut zu gehen, auch hatte ein Teil des Planes Erfolg gezeigt: Indem er den Zentauren eine Information überliefert hatte, die sie bereits aus einer Quelle, an deren Wahrhaftigkeit sie glaubten, erhalten hatten, würde er auf sie aufrichtiger und weitaus ernstzunehmender wirken.
Der Langhaarige jedoch fixierte ihn weiter unaufhörlich mit seinem unergründlichen Blick.
Lupin schluckte. Er hatte etwas Majestätisches, Mächtiges an sich. Schon seine Ausstrahlung war ungemein wirkungsvoll und stark, geradezu einschüchternd.
„Wenn das alles war, dann möchten wir dich nun auffordern, wieder zu gehen." Er sprach in einem Tonfall, der eine Endgültigkeit verkündete, mit der er zu verstehen gab, dass das Thema für ihn abgeschlossen war.
Was sollte er nun tun? Er hatte nicht damit gerechnet, einer solch eindrucksvollen Persönlichkeit zu begegnen, deren Ausstrahlung so viel stärker war als seine eigene.
Konnte er es wirklich wagen, zu widersprechen? Doch würde er zu einem anderen Zeitpunkt noch eine Chance bekommen? Die Mission sollte an diesem Tage beendet werden, Tonks musste wieder zur Arbeit und auch sonst war es fraglich, dass sich eine bessere Gelegenheit bieten würde.
Andererseits verriet ihm sein Gefühl, dass es jetzt nicht der richtige Moment war, um preiszugeben, dass er auf der Suche nach Verbündeten war. Sollte er einen Versuch riskieren und die Bitte aussprechen, vor der gesamten Herde vorsprechen zu dürfen?
Wenn er zumindest zu Tonks gelangen könnte... durch ihren Zuspruch könnte alles viel reibungsloser verlaufen... vorausgesetzt, sie hatte ihren Teil der Mission erfolgreich erledigt... Was auch immer er sagen wollte, er musste sich beeilen. Je länger er schwieg, desto endgültiger schien das Ende des Gesprächs gekommen zu sein.
Und dennoch... ein falsches Wort könnte seinen sofortigen Tod nach sich ziehen... und selten hatte er ihn so enorm provoziert, wie er es jetzt gleich tun würde.
Er würde auf gewisse Weise einem Zentauren widersprechen, dessen Ausstrahlung mit jener, die er bei Dumbledore einmal erlebt hatte, beinahe mithalten konnte und der ihn mit Pfeil und Bogen bedrohte, während er dem praktisch schutzlos ausgeliefert war...
Lupin atmete noch einmal tief durch. Dann ergriff er das Wort.
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Weil du mich zum Menschen machst
FanficRemus Lupin X Nymphadora Tonks. Als Remus Lupin im Kindesalter mit Lykanthropie infiziert wurde, änderte sich sein Leben schlagartig: Er musste sich fortan damit abfinden, sein Leben als Monster, als Ausgestoßener der Gesellschaft zu fristen. Nie...