Konfrontation

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Die nächsten Tage waren ungemein ereignisreich. Rufus Scrimgeour löste Cornelius Fudge als Zaubereiminister ab, Emmeline Vance wurde von Todessern ermordet, was sowohl Lupin als auch Tonks getroffen hatte, obwohl beide nicht so sonderlich viel mir ihr zu tun hatten – und dann ereignete sich auch noch jenes Gespräch, das Lupin um jeden Preis hatte vermeiden wollen.
Er hatte gerade eine Mission für den Orden beendet, als Tonks völlig unvermittelt im Fuchsbau aufgetaucht war und an seine Zimmertür geklopft hatte.
„Hey Remus."
„Hallo Tonks." Lupin spürte, wie sein Herzschlag sich wie üblich beschleunigte, doch er zwang sich, ruhig zu bleiben.
„Du hast... schon von Emmeline gehört, oder?"
„Ja."
„Ziemlich furchtbar, was?"
Tonks trat näher und setzte sich neben ihn aufs Bett.
„Ja." Lupin spürte, wie er sich verkrampfte.
„Wie... geht es dir sonst so – nach... du weißt schon?" Tonks kaute unsicher auf ihrer Unterlippe.
„Es... geht schon. Ich habe versprochen, nach vorne zu blicken und das werde ich auch tun." Er blickte ihr nicht in die Augen, sondern starrte die schäbige alte Wand auf der entgegengesetzten Seite seines neuen Zimmers an.
„Ich bewundere dich dafür, dass du so stark sein kannst." Nun sah er sie doch an. In Tonks' Blick lag ein Funkeln, dass er nicht so recht zu deuten wusste, doch im nächsten Moment spürte er ihre zarten Finger auf seiner Wange.
Remus schluckte schwer, unfähig, sich zu rühren.
„Dafür und für so vieles mehr liebe ich dich, Remus."
Mit einem Mal war sein Kopf vollkommen leer. Er sah, wie sie sich seinem Gesicht immer mehr näherte, doch fühlte er sich zu benommen, um etwas dagegen zu tun. Das Herz in seiner Brust hämmerte unaufhörlich. Es war ein völlig anderes Gefühl als damals, als Tonks ihm aufgebracht entgegengeschleudert hatte, dass sie in ihn verliebt sei. Jetzt war sie ruhig... und nah... und hatte außerdem jene Worte benutzt, die er nie von einer Frau zu hören erwartet hatte, vor allem nicht so plötzlich.
Er spürte hauchzart ihre Lippen auf den seinen, als er zur Besinnung kam.
Er würde sie zu einer Ausgestoßenen machen. Er war zu alt für sie. Er würde nicht für sie sorgen können. Er würde sie unfassbaren Gefahren aussetzen. Er verdiente sie nicht.
Gerade rechtzeitig hatten die Gedanken seinen leeren Kopf wieder eingenommen, wirbelten in ihm umher wie ein tosender Sturm. In Sekundenbruchteilen sprang er auf und lief einige Meter weiter, um Abstand zu gewinnen.
„Tonks, es geht nicht. Das hier – das hier geht einfach nicht."
Er hätte es kommen sehen müssen. Er hätte es früher verhindern müssen. Es war absehbar gewesen, dass sie irgendwann nicht länger warten würde, und er hatte es gewusst. Und doch – er war ihr weitestgehend aus dem Weg gegangen, statt mit ihr zu sprechen. Ihr mitzuteilen, dass es unmöglich war. Wieso hatte er nicht früher gehandelt, ihnen beiden so alles erschwert?
‚Weil es so einfacher war', beantwortete er sich die Frage selbst, ‚für den Moment.' Ja, für den Moment. Für den Moment war es einfacher gewesen, vor Tonks davonzulaufen, vor diesem gefürchteten Gespräch, das ihnen beiden das Herz brechen würde.
„Es tut mir leid", sagte er leise. „Geh jetzt. Bitte."
Selbst jetzt versuchte er, davonzulaufen. Er hätte wissen müssen, dass sich Tonks damit nicht zufrieden geben würde.
Er hielt ihr die Tür auf, obwohl er sicher war, dass sie nicht gehen würde.
Tonks saß nur stumm auf dem Bett und rührte sich nicht.
„Nein." Sie blickte entschieden zu ihm auf. „Ich werde nicht gehen. Du liebst mich."
Es war eine Feststellung, die den Kloß in Remus' Hals noch mehr zum Wachsen brachte, die ihn infrage stellen ließ, ob er die richtige Entscheidung getroffen hatte, eine Feststellung, die ihn dazu brachte, sie noch einmal zu überdenken.
Es wäre einfacher gewesen, hätte sie es nicht gewusst. Er hätte sie im Glauben lassen können, ihre Gefühle seien einseitig. Würde sie sich mit seiner Erklärung zufrieden geben? Doch hatte es keinen Sinn, zu leugnen, was er empfand.
„Das tut nichts zur Sache, Tonks, es-"
„Das tut es sehr wohl!", unterbrach sie ihn wütend. Sie war aufgesprungen und ihre Augen fixierten ihn mit zornigem Funkeln.
„Nein, Tonks, nein. Bitte geh jetzt."
„Ich weigere mich! Ich werde nicht gehen, bevor ich nicht eine vernünftige Erklärung bekommen habe, warum du uns beiden unser Glück versauen willst! Eine, mit der ich mich zufrieden gebe!"
„Ich bin viel zu alt für dich!", rief Lupin aus und legte unmerklich einen Stillezauber über den Raum, damit niemand etwas von dem Gespräch mitbekam, „ich habe kein Geld, ich könnte nicht für dich sorgen und-"
„Das ist mir egal!", protestierte Tonks, „Liebe kennt kein Alter, schon vergessen?! Außerdem verdiene ICH etwas, und Geld ist absolut KEIN Grund, um uns beiden die Herzen zu brechen! Es wird vielleicht nicht einfach, aber wir schaffen das schon!"
„Es gibt kein ‚Wir', Tonks! Es kann niemals ein ‚Wir' geben! Ich bin viel zu gefährlich für dich! Ich bin ein Werwolf, verdammt! Es ist unmöglich, eine Beziehung mit mir zu führen! Und falls du dir erhofft hast, dass wir irgendwann eine große glückliche Familie werden – den Gedanken kannst du sogleich vergessen! Ich könnte es niemals verantworten, dass dieser – dieser Zustand an meine Kinder weitergegeben wird!"
„Ist dir schon mal der Gedanke gekommen, dass ich keine Kinder will?! Ich will nämlich keine! Und das passt eh nicht mit dem Aurorenberuf!" Tonks funkelte ihn aufgewühlt an.
„Vielleicht würde sich dieser Entschluss noch ändern! Und – bist du denn von allen Sinnen, dich auf ein – ein Monster wie mich einzulassen zu wollen?!" Er trat wütend auf sie zu und packte sie fest bei den Schultern.
„Du bist kein Monster!", widersprach Tonks heftig und riss sich los, „außerdem hast du den Wolfsbanntrank!"
„Ich muss nur ein einziges Mal vergessen, ihn einzunehmen – und schon bist du in Gefahr – oder... oder er könnte falsch gebraut sein oder sonst was! Es gibt tausend Sachen, die dabei schief gehen könnten, tausend und mehr, und das ist nichts, was ich riskieren würde!"
„Selbst wenn, du würdest mir nichts tun!", schrie Tonks.
„Verstehst du denn gar nichts?! Tonks, wenn der Trank nicht wirkt, und ein Mensch in der Nähe ist, verliere ich die Kontrolle! Ich greife ihn an, bin wie im Rausch und kann nichts, absolut nichts dagegen tun, verdammt!" Er raufte sich verzweifelt die Haare. Warum wollte sie denn nicht begreifen – ?
„Ich kapiere sehr wohl, was das bedeutet!", erwiderte Tonks aufgebracht, „weil – weil ich es ausprobiert habe!"
„Was?" Er erstarrte in der Bewegung. Wovon redete sie?
„Die weiße Schlittenhündin!", rief Tonks, „und mit dem Odor animalis habe ich meinen Geruch-"
„Du hast WAS?!", schrie Lupin entsetzt, als ihm klar wurde, dass das, was er für eine weiße Wölfin gehalten hatte, in Wirklichkeit Tonks gewesen war, „bist du denn von allen guten Geistern verlassen?! Ich hätte dich UMBRINGEN können!"
„Hättest du nicht – weil – ich habe es getestet!" In ihren Augen funkelten nun Tränen. „Ich hab vor dem letzten Vollmond deinen Trank manipuliert – ich – ich musste doch wissen, ob-"
Es dauerte eine Sekunde, bis Lupin begriff, was sie meinte. Dann ging er auf sie zu, packte sie bei den Armen und drückte sie mit voller Wucht gegen die nächste Wand. „Bist du vollkommen WAHNSINNIG?! Was, wenn ich dich angegriffen hätte?! Was, wenn irgendein Mensch zufällig vorbeigekommen wäre und ich ihn getötet hätte?!" Er war so aufgebracht, dass er nicht einmal merkte, wie fest er Tonks' Arme drückte.
„Remus, du tust mir weh!", wimmerte Tonks.
Das brachte ihn zur Besinnung. Abrupt ließ er sie los und begann, im Zimmer auf und ab zu laufen.
„Du – du kannst doch nicht einfach – was – wenn – wie konntest du das nur tun, Tonks?!"
„Bitte, Remus! Ich hab' mir das überlegt – ich habe geübt, mich in einen Vogel zu verwandeln – du hättest mich nicht bekommen – "
„Und wenn ein Mensch vorbeigekommen wäre?!", antwortete Lupin schnaubend, „oh, ja, ist ja nur ein Mensch, ist natürlich wichtiger, dass ich ausprobieren kann, ob diese – was auch immer du gemacht hast – wirkt oder nicht!"
„Ich hätte dich schon irgendwie aufgehalten!", rief Tonks sofort. Ein Flehen lag nun in ihrer Stimme. „Und du warst ja mitten im Wald – und ich war sicher, dass es klappt, ich war in anderer Form und habe durch den Trank wie ein Tier gerochen – und letztendlich ist es doch auch nichts anderes, als das, was Sirius, James und Peter getan haben!"
Die Worte ließen Remus kurz innehalten, nicht zuletzt, weil Sirius' Name gefallen war und die Gedanken an seinen Verlust immer noch schmerzten, als hätte eine flammende Faust ihn durchbohrt.
„Was hättest du bitte getan, wenn du diesen Trank falsch gebraut hättest?! Und wenn ich zu schnell gewesen wäre, als dass du dich noch hättest verwandeln können?!
„Man kann überprüfen, ob der Trank funktioniert oder nicht!", rief Tonks. Tränen liefen ihr nun über ihre rosigen Wangen. „Und genau das hab ich getan! Außerdem hat Sirius den mir beigebracht und-"
„Sirius wusste davon!?" Lupin lief noch immer auf und ab, nicht wissend, was er sonst tun sollte, „wie konnte er nur – wie konntest du nur –"
„Es hat doch funktioniert, Remus! Ich kann jetzt in den Nächten bei dir sein, es ist nicht mehr gefährlich! Und jetzt bitte, hör auf zu schreien!", flehte sie, während weitere Tränen auf den Boden tropften.
„Und ich verbiete es dir!"
Er wusste selbst nicht, warum er so energisch dagegen war. Was Tonks getan hatte, war ein Fehler gewesen, natürlich, es war viel zu riskant, aber wenn sich wirklich kontrollieren ließe, ob dieser Trank, den sie nahm, einwandfrei war, und da sich gezeigt hatte, dass es wirklich funktionierte – es unterschied sich wirklich kaum von dem, was Sirius, James und – was seine Freunde für ihn getan hatten, eigentlich war es sogar noch sicherer, da er den Wolfsbanntrank zu sich nahm, doch damit ging auch eine geringere Notwendigkeit einher, schließlich kratzte und biss er sich nicht mehr selbst...
„Ich bin erwachsen!", rief Tonks wütend.
„Aber allem Anschein nach immer noch naiv genug zu glauben, eine Beziehung zwischen uns beiden wäre möglich!"
„Sie IST möglich!"
„Ist sie nicht! Du hast absolut keine Ahnung, auf was du dich einlassen würdest! Tonks, du –" Lupin brach kopfschüttelnd ab.
„Ich weiß sehr wohl, worauf ich mich einlassen würde!", widersprach Tonks heftig.
„Ganz offensichtlich nicht! Du würdest zu einer Ausgestoßenen werden!"
„Das weiß ich!"
„Du hast keine Ahnung wie es ist!", rief Lupin, „weil du es nie erleben musstest! Du kennst scheinbar nur Menschen, die denken, Werwölfe seien nicht so schlimm! Du müsstest die andere Seite mal sehen! Sie behandeln dich wie – wie..." Er suchte verzweifelt einen passenden Vergleich. „...wie einen mickrigen Flubberwurm, oder wie eine Kakerlake, die man einfach zertreten möchte – ! Tonks, vertrau mir, das – das kann ich dir nicht antun!" Lupin war stehen geblieben und besah sie mit forderndem Blick. „Versteh doch..."
„Ich will das aber nicht verstehen! Weil-"
„Siehst du, und genau das meine ich! Du verhältst dich wie ein kleines Kind, das unbedingt schon auf einem richtigen Besen fliegen will, obwohl es gerade so laufen kann!"
„Du bist derjenige, der sich wie ein kleines Kind verhält! Eher sogar ein Baby!", giftete Tonks, „du weigerst dich, einzusehen, was das Beste ist, für uns beide-"
„Das Beste für uns beide ist, dass wir uns eine Zeit lang nicht mehr sehen." Lupins Stimme war kalt geworden, obgleich noch immer hörbare Wut in ihr mitschwang. „Und jetzt raus!"
„Nein, Remus, ich-"
„‚Raus hab ich gesagt! Und sprich mich bloß nie wieder darauf an! Tritt mir am besten gar nicht mehr unter die Augen!" Er war zur Tür gestürmt und hielt sie Tonks fordernd auf. Mit tränenüberströmten Gesicht stürzte sie hinaus, polterte die Treppen hinunter und verließ den Fuchsbau.
Kraftlos schloss Lupin die Tür und ließ sich auf sein Bett sinken. Es hatte sein müssen. Er hatte keine andere Wahl gehabt. Sie würde schon begreifen, dass es nur zu ihrem Besten war, in ein paar Monaten würde sie ihm dankbar sein...
Er wusste nicht, wie sehr er sich täuschte.


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Frage an EUCH: Wer ist in dieser FF eurer Meinung nach am ehesten eine Mary Sue, also ein (fast) perfekter, schwächenloser Charakter?


Nur noch DREI Kommentare, dann sind die 1000 erreicht! OMG!!

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