Über Schmerz und wankende Entschlossenheit

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Die letzten Minuten der Wache verstrichen ereignislos. Lupin starrte das Haus der Averys unverwandt an, doch nahm er es nur spärlich wahr.
Vor nicht einmal drei lächerlichen Minuten hatte er die wohl beste Nachricht seines Lebens erhalten und nun schien es ihm, als hätte es schlimmer nicht kommen können. Denn so war alles noch viel schwerer. Unerträglich viel schwerer.

Pünktlich um 22.00 Uhr erschienen Hestia und Mundungus, die für die nächste Wache eingeteilt waren. Lupin gewährte ihnen Einlass in die Schutzzauber, verkündete so beherrscht wie möglich, dass nichts Bedeutsames vorgefallen sei und disapparierte.

Er fand sich auf der Spitze eines Berges wieder. Es war kalt, der steinige Untergrund um ihn herum war gefroren, die einzelnen Gräser und Pflanzen von Frost überzogen, die Felsen mit Schnee bedeckt. Müde ließ er seinen Blick wandern. Er war alleine.
Unter größter Anstrengung lief er einige Meter zu einem großen Felsen, schob den eisigen Schnee mit seinen Händen hinunter und ließ sich erschöpft auf den Stein fallen.
Zunächst starrte er einfach nur in die Weite, bemüht, an nichts zu denken. Doch das einschnürende Engegefühl in seinem Magen, das schwere Druckgefühl in seiner Brust, erinnerten ihn unweigerlich daran, was gerade vorgefallen war.

Tonks hatte ihm ihre Liebe gestanden. Er hatte sie zurückgewiesen. Wenn davon überhaupt die Rede sein konnte. Er war nicht einmal darauf eingegangen, hatte sie behandelt wie Dreck.
Wie sehr musste sie das verletzt haben? Würde er sich das jemals selbst verzeihen können? Aber hatte er eine andere Wahl gehabt? Entweder hätte er ihr seine Gefühle gestehen müssen, was nicht infrage gekommen wäre oder er hätte sie belügen müssen, was er bei ihrem Blick unmöglich fertig gebracht hätte.
Wusste sie nun eigentlich, was er für sie empfand? Molly wusste es – aber hatte sie es Tonks mitgeteilt? Oder Sirius? Was spielte es überhaupt für eine Rolle? Was spielten Gefühle überhaupt für eine Rolle? War es nicht sogar besser für sie, wenn sie nicht wusste, was er fühlte? Würde sie verstehen, wenn er versuchte, es ihr zu erklären, oder wäre sie zu naiv? Naiv genug zu glauben, es sei möglich, eine solche Beziehung mit ihm einzugehen?
Wie auch immer sie reagiert hätte, so war es vermutlich wirklich besser.
Doch – warum fühlte es sich nur so falsch an?

Fast eine halbe Stunde saß Lupin reglos auf dem Felsen und starrte in die Weite, ohne zu sehen, ohne die Kälte zu fühlen, ohne den Schnee zu beachten, der seine Haare und seinen Umhang mit einem Weiß überzog. Ohne seine fast tauben Hände und Füße zu bemerken, seine schmerzenden Ohren und Glieder.

Sirius war also tatsächlich nicht mit Tonks zusammen. Es schien ihm vollkommen surreal zu sein. Aber es passte. So wie Tonks es geschildert hatte, passte es. Und auch passten Sirius' Handlungen wieder besser in das Bild. Es hatte nicht an seiner zeitweiligen Undurchschaubarkeit gelegen – eigentlich waren seine Verkupplungs-Handlungen durchschaubarer denn je gewesen.
Aber er hatte sie nicht einmal bemerkt. Jedes Mal, wenn er daran dachte, dass die beiden nichts füreinander empfanden, durchströmte ihn ein unwillkürliches Gefühl der Erleichterung, doch daraufhin ärgerte er sich erneut über sich selbst.
Es wäre besser so gewesen! Jetzt war alles viel schwerer! Er hatte unmöglich reagiert und –

Doch egal, wie falsch es sich anfühlte, er hatte richtig gehandelt. Tonks verdiente jemanden, der besser war als er. Und vermutlich würde es nur ein paar Tage, vielleicht Wochen dauern und alles würde wieder seinen gewohnten Lauf nehmen. Ganz sicher.

Lupin stand auf und klopfte sich den Schnee von seinem Umhang. Schon bald. Schon bald würde alles wieder gut sein.
Doch konnte er seinen eigenen Gedanken keinen Glauben schenken.

~
„Moony, was ist denn mit dir passiert? Du bist ja komplett durchgefroren! Und – wo warst du eigentlich so lange?"
„Entschuldige, mir war nach einer kleinen Auszeit", berichtete Lupin und lief aus der Küche der Blacks zurück in den Flur, um seinen Mantel aufzuhängen.
„Ich bin ziemlich fertig, ich werde mich auf meinem Zimmer etwas ausruhen. Gute Nacht."

Lupin hatte das Gefühl, dass Sirius genau wusste, dass er ihm etwas verschwieg, aber er fragte nicht nach und er war ihm dankbar dafür. Das Thema auszudiskutieren würde auch nichts ändern, es wäre lediglich eine weitere Belastung. Es gab nur diesen einen Weg.

~
Tonks biss sich wütend auf die Lippen. Dieser verdammte Idiot! Sirius hatte sie gewarnt, dass es so kommen könnte, und sie hatte mit allem gerechnet, aber ein ‚Unsere Schicht ist gleich zu Ende', war nicht Teil ihrer Erwartungsliste gewesen.
Doch so schnell würde sie nicht aufgeben. Das konnte er vergessen. Sirius hatte ihr versichert, dass Remus Gefühle für sie hatte und so frustriert, wie er gewirkt hatte, im Glauben, sie und Sirius wären ein Paar, war sie davon auch felsenfest überzeugt.
Zugegeben, die ersten zwanzig Minuten nach dem Vorfall hatte sie sich verzweifelt auf ihr Bett geschmissen und sich die Augen ausgeweint, aber nachdem ihr Verstand einen Wutanfall später wieder zu arbeiten begonnen hatte, war ihr klar geworden, dass er mit der Situation wohl einfach überfordert gewesen war.
Nichtsdestotrotz wurmte sie seine Reaktion noch immer. Und auch die Art und Weise, wie sie ihm ihre Gefühle gestanden hatte. Das war definitiv nicht der Weg gewesen, den sie sich erhofft hatte. Warum musste sie bei so emotionalen Themen derart schnell wütend werden?
‚Eben darum', dachte sie und begann, in ihrem Schlafzimmer auf- und abzulaufen.

‚Ruhig. Ganz ruhig. Durchatmen.' Vielleicht brauchte Remus einfach etwas Zeit, um die neue Situation zu verarbeiten. Immerhin hatte er einen ganzen Monat durchweg angenommen, sie sei mit Sirius zusammen. Ungläubig schüttelte Tonks den Kopf. Als ob sie ihm davon nichts erzählt hätte!

Zeit also. Einfach ein bisschen Zeit, eine Woche vielleicht zwei. Maximal. Sie blickte auf ihren Kalender. Es war der zweite Juli. Und wenn Remus dann nicht bereit war, zu seinen Gefühlen zu stehen, würde sie ihn eben dazu bringen, dass er es tat. Problem gelöst.

~
Lupins Hoffnungen schienen sich früher als erwartet zu bewahrheiten. Er hatte sich unzählige Gedanken darüber gemacht, wie er bei den folgenden Ordenstreffen auf sie reagieren sollte, doch sie tat einfach, als sei nichts vorgefallen und begrüßte ihn, wie sie es immer tat.
Und doch – obwohl er sich diese Normalität wieder herbeigesehnt hatte, fühlte ihr Verhalten sich an wie ein Stich in seine Magengrube.
Waren ihre Gefühle für ihn wirklich von so kurzer Dauer gewesen? Oder überspielte sie sie einfach gekonnt? Verbittert dachte er, dass vermutlich ersteres der Fall war und spürte, wie er daraufhin abermals auf sich selbst wütend wurde. Es war doch besser so! Wieso konnte er es nicht einfach akzeptieren? Warum mussten diese verschlingenden Zweifel immer und immer und immer wiederkehren?!
Lupin spürte Sirius' Blicke, die zwischen ihm und Tonks hin- und herschwebten, doch er äußerte sich nicht. Zumindest hatte er sich wieder mit Molly vertragen, dachte er trübsinnig und schaute in die Leere.

~
Die zwei Wochen hatten sich gezogen wie Bubbels bester Blaskaugummi und waren dennoch wie mit einem einzigen Blitzzucken vorbeigerauscht.
Tonks ging wie so oft in letzter Zeit in ihrem Wohnzimmer auf und ab und dachte nach. Remus erweckte nicht dein Eindruck, als wolle er auf sie zukommen. Aber gleichzeitig brachte sie ihrer Vorgaben zu trotz nicht den Mut auf, noch einmal zu ihm zu gehen. Es war zum Verrücktwerden!
Wieso weigerte er sich so heftig, den zweiten Schritt zu machen? Er konnte doch nicht ewig dem Gedanken nachhängen, dass er sie nicht verdient habe! Außerdem hatte sie das eigentlich bereits klargestellt! Aber gut, sie hatte gewusst, dass es nicht leicht werden würde. Oder traute er sich vielleicht nicht, auf sie zuzukommen, weil er glaubte, dass sich ihre Gefühle schon wieder verflüchtigt hatten, da sie sich bei den Ordenstreffen so unauffällig benommen – oder es zumindest versucht hatte? Nein, von so etwas würde er sicher nicht ausgehen, sonst kannte er sie wirklich schlecht. Und wenn seine Gefühle plötzlich...?! Ach Blödsinn! Sirius zufolge liebte Remus sie sogar weit länger als sie ihn.
Mit Sicherheit war er viel eher in einem Gefühlschaos, als dabei, von seinen Gefühlen loszukommen.
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